9. März 2016 | 08:40 | Kategorie:
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Neue Frage an den TP-Blog

Von unseren Lesern ist folgende Frage an uns herangetragen worden:

 

Braucht es 2030 noch klassische Landestourismusorganisationen?

 

9. März 2016, 9:17

Alles ist im Wandel und damit auch Organisationen und Strukturen: Die „klassischen Tourismusorganisationen“ haben schon durch das Erstarken der Regionen und die Destinationsentwicklung wohl etwas an Bedeutung verloren, ihr Aufgabenprofil ist sicher auch angepasst worden. Die Digitalisierung tut ein Übriges und schafft neue Wettbewerbsverhältnisse.

Angesagt ist heute schon mehr und mehr das Standort-Marketing, nicht die Konzentration auf den Tourismus allein, sondern die Ausdehnung auf andere Wirtschaftszweige, wie Landwirtschaft, Gewerbe oder Industrie. Tirol mit rund einem Drittel der Gesamtnächtigungen Österreichs beschäftigt sich seit geraumer Zeit damit, wie mehr Synergien in der Vereinigung von Tirol Werbung, Agrarmarketing und auch Standortagentur Tirol (begleitet Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Gemeinden und Regionen bei ihren Wachstums- und Gründungsprojekten) geschaffen werden können. In Südtirol ist ein derartiger Prozess ebenso im Gange. Tourismus ist so interdisziplinär, dass man auch branchenfremde Bereiche miteinbeziehen muss. Denken wir nur an die Voraussetzungen des Kongress- und Geschäftstourismus, an den Bildungstourismus neben dem Kultur-, Sport-, oder Erholungstourismus.

Landestourismusorganisationen müssen sich schon heute Konzepte für morgen überlegen (sie tun es sicher auch!), um im Wettbewerb bestehen zu können. Die größten Herausforderungen für Hotelbetriebe sind Mitarbeiter und der Online-Vertrieb, so aus berufenem Munde. Die größte Herausforderung für eine Landestourismusorganisation ist gewiss schon heute, ihre nachhaltige Existenz zu sichern und ihre Budgets zu rechtfertigen. Schon vor Dekaden brach der US-Professor und Marketing-Guru Philip Kotler eine Lanze für das Standort-Marketing, eben wie Städte, Regionen und Länder gezielt Investitionen, Industrien und Tourismus anziehen.

9. März 2016, 14:56

Wir beschäftigen uns gerade intensiv mit genau dieser Problematik: Wie müssen touristische Organisationen in der Zukunft aufgestellt sein, um noch wirkungsvoll agieren zu können? Dazu werden wir am 15. April eine Broschüre veröffentlichen, in der die Erfahrungen unserer Destinationsberater in Österreich, Südtirol, Deutschland und der Schweiz eingeflossen sind.

Die Frage des TP-Blogs bezieht sich explizit auf die Landestourismus-Organisationen, in unserem Papier konzentrieren wir uns auf die regionalen TOs, da diese unserer Meinung nach 2030 die Hauptrolle übernehmen werden, bzw. übernehmen werden müssen.

Bleiben wir bei den LTOs 2030.
Hauptaufgabe der LTOs wird es auch 2030 sein, Identität zu kommunizieren und Zielvorgaben für Marketing und Produktentwicklung festzulegen. Am Beispiel der Produktentwicklung kann es so sein, dass die LTO landesweite Produkt-Kriterien für entsprechende Themen vorgibt (z.B. Ski Alpin für Wieder-Einsteiger in Tirol, Rad-Produkte in Oberösterreich). Die regionale TO entwickelt dann mit ihren Partnern vor Ort entsprechende Produkte, die dann wiederum im Zusammenwirken mit der LTO miteinander – und nicht nebeneinander – vermarktet werden. Die beste Verzahnung zwischen LTO, ÖW und den RTOs wird hier gefragt sein. Der Schwerpunkt der kommenden Jahre wird in der Produktentwicklung liegen (müssen).

9. März 2016, 16:27

Bis zum Jahre 2030 sind es 15 Jahre, also ein Zeithorizont, der durchaus greifbar ist, der in Zukunftsplanungen als Bezugsbasis dient und für den gerne Szenarien entwickelt werden.

Die erste Frage, die sich stellt, lautet: Was heißt hier eigentlich „klassisch“ und was ist der Ausgangspunkt unserer Betrachtung? Aus pragmatischen Gründen liegt es nahe, von der aktuellen Situation auszugehen und von da aus in die Zukunft zu schauen. Als klassisch gilt hier somit der Status quo, demzufolge in allen österreichischen Bundesländern Landestourismusorganisationen bestehen, mit hundert Prozent Tourismus im Aufgabenportfolio. Dieser Status, einschließlich aller Details in Inneren, ist das Ergebnis einer Entwicklung, die in den letzten zwei Jahrzehnten überaus dynamisch verlaufen ist und hinter der viel politische Diskussion und unternehmerische Strategiearbeit steckt.

In ihrem Blick in die Zukunft weist Renate Danler auf das Standort-Marketing hin und sie zeigt damit, wohin die Reise grundsätzlich geht. Prozesse dazu laufen, wie von ihr angesprochen, in Tirol und in Südtirol, sie sind aber auch andernorts zu beobachten und zwar nicht nur auf Landesebene, sondern auch in Destinationen.

In Tirol ist dieser Prozess mit zunehmender Intensität schon länger in Gang, wobei Tirol Werbung, Standortagentur Tirol und Agrarmarketing Tirol die primären Partner sind, alles Organisationen mit dem Land Tirol als maßgeblichem Träger. Ein erster Schritt war der konsequente Einsatz des Tirol Logos in allen drei Wirkungsbereichen, ein weiterer soll es sein, die drei Organisationen unter einem Dach zu vereinen. Wie das im Detail ausschauen wird, ist meines Wissens in der Öffentlichkeit noch nicht bekannt, nur so viel, dass alle drei in einem gemeinsamen Tirol Haus ihr Domizil aufschlagen sollen. Wie weit international tätige Unternehmen, deren Produkte nicht oder nur entfernt mit dem Tourismus oder mit dem Begriff Tirol in Zusammenhang zu bringen sind, und die keinen (Mit) Eigentümer Land Tirol haben, sich in ein solchen Rahmen hineinbegeben, bleibt abzuwarten – scheint aber eher unwahrscheinlich.

Eher unwahrscheinlich ist auch, dass die Vertreter starker Destinationen, die in Tirol über ihre eigene Organisation auf der Landesebene einiges mitzureden haben, ihr Zepter aus der Hand geben. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sie die Entwicklung ihrer Destinationen und im Gleichklang damit die Entwicklung der Landestourismusorganisation im gemeinsamen Interesse vorantreiben. Und um die notwendige Effizienz zu gewährleisten, müssen die Touristiker wohl Herr im eigenen Hause sein. Anderswo, wenn auch nicht überall, werden die Verhältnisse grundsätzlich ähnlich sein. Nun aber weg von Tirol und hin zu einigen allgemeinen Fragen.

Wie immer ein Standort-Marketing aussehen mag, es wird jemanden brauchen, der sich um jene touristischen Belange kümmert, die außerhalb der öffentlichen Verwaltung angesiedelt sind: Auf der Landesebene zählen dazu u.a. die Strategiearbeit, die großen Linien für die Produkt- und Angebotsentwicklung oder die Marktkommunikation – alles in enger Abstimmung mit den Destinationen. Es braucht auch jemanden, der im Hinblick auf die eben genannten Punkte eine koordinierende Funktion zwischen den Destinationen übernimmt, der Themen aufgreift und aufbereitet, die außerhalb der Interessen einzelner Destination liegen. Das gilt unabhängig davon, ob ein Bundesland eine höhere oder niedrigere Tourismusintensität aufweist.

Trotz allem Standort-Marketing stehen auch in Zukunft Aufgaben an, denen ein klarer touristischer Fokus innewohnt und die in den Kompetenzbereich einer einschlägig versierten touristischen Organisation fallen. Auch in Zukunft – und vielleicht noch mehr als heute – wird neben der Dachmarkenstrategie für das Bundesland eine spezifische Marketing- und Produktentwicklungskompetenz für den Tourismus gefragt sein – und die ist auf Landesebene bei der Landestourismusorganisation angesiedelt. Eine Einrichtung, welche alle mit dem Standortmarketing zusammenhängenden Agenden für sämtliche Wirtschaftsbereiche übernimmt, läuft Gefahr, zu wenig flexibel zu sein und die Nähe zu den Destinationen und den Kontakt zu den Akteuren vor Ort zu verlieren.

Ich denke also, dass auch in eineinhalb Jahrzehnten Landestourismusorganisationen (um bei diesem Begriff zu bleiben) ihre Berechtigung haben und sie werden bei aller Weiterentwicklung klassische Elemente beinhalten (d.h. klassisch im Sinne des Status quo, womit auch die IT als bereits klassisches Element definiert ist). Natürlich ist eine enge Abstimmung und Zusammenarbeit mit allen für das Standortmarketing relevanten Bereichen unabdingbar – was ja heute schon stattfindet und mit Sicherheit laufend weiter verbessert und ausgebaut wird. Dass das bis hin zu einer Art Holdingstruktur gehen kann, in der alle relevanten Sektoren zusammengeführt sind, tut der Sache keinen Abbruch.

10. März 2016, 8:50

„Ihr müsst für das Futter sorgen und wir vermarkten es dann – wir können nicht die Ideengeber sein, nur die Vermarkter“ so ein führendes Mitglied einer LTO, während eines Tourismus Forums.

Wenn das die eigentliche Aufgabe u. Vision der LTO ist, dann kann und soll es diese Einrichtung so 2030 nicht mehr geben. Wir brauchen Vordenker, die ihre Bundesländer weiterbringen wollen und die Zusammenarbeit mit den einzelnen Vertretern der breiten Touristischen Plattform zu fördern. Nur so kann ein dynamischer Prozess ausgelöst werden, der auch allen etwas bringt – nur Zahlen und Statistiken schön zu reden, hat auf Dauer niemandem geholfen!

Tirol lebt das schon perfekt vor und hat mit Verschmelzungen aus Universitären Einrichtungen für neue Impulse gesorgt, die ebenfalls für Zuversicht und Ideenreichtum bei den Unternehmern sorgen – leider nur ein Beispiel, dass allerdings Schule machen sollte!

Ich bin also gespannt!

10. März 2016, 9:52

Volle Zustimmung, Herr Wiesenegger. Gernot Memmer – siehe Kommentar oben – hat ja auch klar geschrieben: Hauptaufgabe der LTO 2030 ist es, Identität zu kommunizieren und Zielvorgaben für Marketing und Produktentwicklung festzulegen.

Zum Thema „Standort-Marketing“ – Kommentar von Renate Danler und Peter Haimayer – stellt sich die Frage: Was ist ein „Standort“? Ein Bundesland, eine Region…? Ich würde lieber von einer „Destination“ ausgehen, also dem geografischen Raum, den der potenzielle Gast als sein Zielgebiet erachtet. Manche LTOs stehen nicht für eine Destination, sondern für ein Gebiet mit politisch gezogenen Grenzen. Der Auftrag an diese LTOs, die eigentlich politischen Gebilde zu einem homogenen Erlebnisraum zu machen, zwingt sie, eine unsinnige Kommunikationsleistung zu erbringen. Das kostet viel Geld und fehlt in der Entwicklung neuer Attraktionen. Kritisch gesagt: Die Sinnhaftigkeit derartiger LTOs (mit den derzeitigen Aufgaben) wäre zu hinterfragen. Das föderale Prinzip in Österreich wird das aber auch 2030 nicht erlauben.

10. März 2016, 16:21

Was als Standort angesehen wird, ist eine Frage des Maßstabs und der Aufgabenstellung. Je nach Betrachtungsweise kann ich Österreich, ein Bundesland, eine Stadt oder auch ein Tal als Standort definieren.

Bei der Wahl eines touristischen Zugangs ist der Ausgangspunkt Destination auf jeden Fall angebracht. Dazu sei aber bemerkt, dass die meisten Destinationen (als räumliche Wirkungsbereiche von Tourismusverbänden bzw. Destinationsmanagements) ja auch über politische Grenzen definiert sind. Natürlich gibt es einige touristisch und zugleich landschaftlich begründete Abweichungen, bei denen die Destinationen Bezirks- oder Bundesländergrenzen überschreiten. Auch kennen wir genügend Fälle, wo politisch gezogene Destinationsgrenzen kein Hindernis darstellen für eine fruchtbare Zusammenarbeit über die Destinationsgrenzen hinweg.

Um noch kurz auf der Destinationsebene zu verweilen und diese mit der Frage der Standortentwicklung und des Standort-Marketings zu verknüpfen: Es gibt Beispiele (mein Fokus liegt hier auf dem Westen Österreichs), wo touristische Destination und Wirkungsbereich der Regionalentwicklung deckungsgleich sind: z.B. Zillertal, Montafon, Bregenzerwald. Und in allen Fällen besteht – im Sinne von Standortentwicklung – eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen Tourismus und Regionalmanagement, was der Region und dem Tourismus sichtbar gut tut.

Meines Wissens sind alle LTO’s in Österreich für jeweils ein Bundesland und damit für einen politisch umgrenzten Raum zuständig. Ob die LTO’s nun gefordert sind, dieses Gebilde zu einem homogenen Erlebnisraum zu machen, bin ich mir nicht so sicher. Natürlich ist es ihre Aufgabe, das jeweilige Bundesland touristisch zu vermarkten, aber wo in Teilen eines Bundeslandes kein Tourismus existiert oder wo recht unterschiedliche Landschaftsräume bestehen, gibt auch nichts zu homogenisieren. Das ist auch nicht notwendig, denn schließlich reicht der Aktionsradius des Gastes im Rahmen seines Urlaubs ja nicht ins Unendliche.

Absolut zu unterstreichen ist die Forderung, dass die Aufgaben der LTO’s immer wieder zu hinterfragen sind. Das, denke ich, ist durchaus gegeben. Aus diesem Grunde kommt bis 2030 noch einiges in Bewegung und es wird Neues entstehen. Und die Vorgaben, welche die LTO’s für Marketing und Produktentwicklung festlegen werden, sind 2030 vermutlich noch mehr als heute das Ergebnis des engen Zusammenwirkens von LTO’s und (starken) Destinationen.

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