Tourismus zwischen Segen und Plage
Tourismus kann eine schreckliche Plage sein – so wird es uns zumindest oft verkauft. Wenn das mediale Sommerloch auf die Hauptreisezeit trifft, mehren sich die Schlagzeilen über überfüllte Orte, Verkehrschaos und das vermeintlich ungebremste Wachstum der Tourismusbranche. Doch ein nüchterner Blick auf die Zahlen zeigt: Österreich hat kein strukturelles Problem mit „Overtourism“. Vielmehr ist es die subjektive Wahrnehmung, die die Diskussion prägt.
Wahrnehmung vs. Realität
Ob man Tourismus als Bereicherung oder Belastung empfindet, hängt stark vom eigenen Standpunkt ab. Wer im touristischen Bereich arbeitet, sieht ihn naturgemäß positiver. Wer sich hingegen im Alltag durch Menschenmengen verdrängt fühlt, blickt kritischer auf die Besucherströme.
Die aktuelle Studie der Statistik Austria misst unausgeglichenen Tourismus anhand des Verhältnisses von Nächtigungen zur Zahl der Einheimischen in einer Destination. Das Ergebnis: Österreichweit ist die Tourismusakzeptanz hoch. Gleichzeitig wächst aber der Unmut – und zwar weniger wegen der Nächtigungen in Beherbergungsbetrieben, deren Auslastung im Jahresdurchschnitt bei rund 30 Prozent (!) liegt. Das eigentliche Spannungsfeld entsteht vielmehr im Tagestourismus. Hier bleibt die Wertschöpfung nur teilweise in der Region, während Belastungen wie Verkehr, Abfall oder die Beanspruchung öffentlicher Räume voll durchschlagen.
Wenn die Masse zum Problem wird
Ein Vergleich macht die Dynamik sichtbar: Sowohl das Museum Albertina in Wien als auch die Gemeinde Hallstatt verzeichnen jährlich rund eine Million Besucher. Während die Albertina diese Menschen mit klaren Instrumenten wie Ticketing, Zeitfenstern und gesteuertem Besucherfluss organisiert, fehlt es Hallstatt als bewohntem Ort an ähnlichen Steuerungsmöglichkeiten. Dort treffen Besucherströme auf begrenzten Raum – mit allen bekannten Nebenwirkungen.
International gibt es längst erprobte Ansätze, wie öffentliche Räume entlastet werden können. Beispiele sind:
- Cinque Terre, Italien: Kostenpflichtige Wanderpässe begrenzen den Zustrom.
- Wintersport in den USA: Skipasskontingente und limitierte Zufahrten regulieren die Nachfrage.
- Venedig, Italien: Eine Tagesgebühr von zehn Euro soll die Besuchermassen kanalisieren.
- Trondheim, Norwegen: Bei den Nordischen Weltmeisterschaften wurde durch professionelles Besuchermanagement die Verteilung der Zuschauerströme erfolgreich gemeistert.
Diese Maßnahmen zeigen: Das Problem ist nicht die schiere Anzahl der Reisenden, sondern wie man mit ihnen umgeht.
Die Lehre: Tourismus braucht Management, nicht Moralisierung
Das schlechte Gewissen, das diesen Sommer geschürt wird, lenkt vom eigentlichen Thema ab. Es geht nicht darum, das Reisen an sich infrage zu stellen, sondern die Rahmenbedingungen professionell zu gestalten. So wie Museen es längst tun, brauchen auch öffentliche Räume und Destinationen ein konsequentes Management.
Denn der in Zorn kippende Unmut in der Bevölkerung ist kein Naturgesetz. Er ist das Resultat fehlender Steuerung – und damit verhinderbar. Vielleicht hilft tatsächlich ein Museumsbesuch für Bürgermeister: Dort kann man lernen, wie Besucherströme auf engsten Raum gelenkt werden, ohne die Begeisterung für das Erlebnis selbst zu zerstören.
Sehe das auch so, und auch öffentliche Räume wie eben Hallstatt können in dieser Hinsicht durchaus proaktiver gemanaged werden. Warum nicht Tageslimits einführen? Warum nicht Vorreservierungen notwendig machen? Warum nicht klare Zutrittsbeschränkungen einführen?
Nachdem ich heuer selbst auch wieder an dem einen oder anderen Platz war, an dem „Overtourism“ attestiert wird, kann ich auch den wachsenden Unmut der Bevölkerung durchaus nachvollziehen.
Wenn die Begehrlichkeit, vor allem von Tagesgästen, nach einem bestimmten Ausflugsziel, Ort usw. die Grenzen des Bewältigbaren überschreitet, dann gilt es zu handeln. Nicht nur, um den Einheimischen zu vermitteln „wir tun was“, sondern auch, um aus den Massen einen Wertschöpfungsfaktor zur Erhaltung diverser Infrastrukturen zu machen. Gerade in Zeiten knapper Budgets allerorts durchaus ein probates (und auch legitimes) Mittel, Geld in die vielfach leeren Kassen zu spülen.
Auch das EU Recht der Gleichbehandlung von Ortsansässigen gegenüber anderen „Unionsbürgern“ ist hier nicht nur nicht hilfreich, sondern schürt dieses Feuer zusätzlich und sollte daher mittels kreativer Methoden bewußt umgangen werden.
Hier gilt durchaus als abgewandeltes Zitat: „First here, first served“ – denn solange viele Einheimische vor allem die negativen Auswirkungen des Tourismus, subjektiv oder objektiv, wahrnehmen, wird diese Diskussion nicht enden. Und wenn sich Einheimische zusehends ausgesperrt fühlen, oder als ganzjährige Steuerzahler vor Ort als immer öfter in der Ausübung ihrer Freizeitaktivitäten eingeschränkt fühlen (überfüllte Strandbäder, Bergbahnen) oder durch hohe Preise überfordert sehen, egal ob zu Recht oder Unrecht, wird der Tourismus immer wieder den Schwarzen Peter zugeschoben bekommen.
Das Stichwort „Overtourism“ hat sich in die aktuelle Diskussion gedrängt ist da aber aktuell überbewertet. Tourismus wird nur dort zur Belastung, wo er sehr punktuell auf enge räumliche Bereiche konzentriert auftritt, wie in Hallstatt oder der Getreidegasse und wo die Anstrengungen auf Lenkung nicht ausreichend erfolgreich verliefen.
Nach einem verregneten Juni und einen August, der auch an scheinbar attraktiven Seedestinationen noch freie Zimmer zeigte, gibt es zurzeit wahrscheinlich dringende Probleme, allen voran das der Mitarbeiterverfügbarkeit. Immer öfter müssen auch während der ohnedies kurzen Hochsaison etwa in Restaurants Schließtage eingeführt werden, weil die durchgehende Besetzung mit Mitarbeitern nicht möglich ist.
Aber unabhänigig von anderen drängenderen Themen wie etwa die Klimatisierung aller Zimmer oder die Umrüstung des Energiesystems wird es notwendig sein, mit einer allfällig gefühlten oder tatsächlichen Belastung durch Gästeströme aufmerksam umzugehen. Schließlich wird diese Diskussion auch die Einstellung der Wohnbevölkerung zum Wirtschaftszweig Tourismus wesentlich beeinflußen.
Ich habe mir im Dezember 2019 in der KUPF-Zeitung schon mal Gedanken dazu gemacht. Damals gab es den ersten Peak in Hallstatt und wir hatten eben die Bewerbung für den Titel Kulturhauptstadt Europas 2024 mit Bad Ischl -Salzkammergut gewonnen… man beachte die Tonalität anno 2019, die Polarisierung angesichts meiner zentralen Forderung geschah natürlich bewusst.

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