3. April 2017 | 14:57 | Kategorie:
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Die Sehnsucht nach Einfachheit

Unter diesem Generalthema standen die Kleinwalsertaler Dialoge letzten Freitag und ich konnte mit Wolf Lotter (Chefideologe des Wirtschaftsmagazins brand eins) und Franz Fischler (Ex-EU-Kommissar) am Podium diskutieren und die touristische Relevanz einbringen.

Ein paar Gedanken aus meiner Sicht:
1. Was für den Gast einfach ist, ist für den Betrieb oder die TO oft sehr komplex. Beispiel: Kurzfristige Entscheidungsfreiheit bei Wellnessanwendungen im Hotel. Für den Gast Einfachheit, für den Hotelier Planungsunsicherheit und erhöhter Aufwand.
2. Gewerbeordnung, Steuergesetzgebung etc. werden immer komplexer – das Gegenteil von Einfachheit. Pro neuer gesetzlicher Regelung 2 alte streichen – das wäre Einfachheit aus Sicht des Betriebes.
3. Einfachheit hat sehr oft einen organisatorischen Faktor. Einfachheit aus der Sicht des Gastes heißt oft „nicht so viel selber organisieren müssen“. Wir müssen bei den Infos Komplexität herausnehmen.
4. Wir reden oft von Vielfalt. Vielfalt ja, aber nur dann, wenn ich einen einfachen Zugang zur Vielfalt angeboten bekomme.
5. Einfachheit zum Produkt zu machen ist ganz schwierig. Einfachheit muss in Szene gesetzt werden.
6. Einfachheit ist nicht Einfältigkeit. Weniger ist nur dann mehr, wenn es zu einer höheren Lebensqualität führt. Einfachheit muss hochwertig sein.
7. Einfachheit ist Genussfähigkeit. Beim Wein trinken auf den Wein konzentrieren. Ablenkung wegnehmen. Konzentration auf das, was man tut.

Und schließlich: Die Grenzen der Einfachheit berücksichtigen. Was muss komplex sein? Strategieprozesse zum Beispiel – sonst werden gewisse Themen ausgeblendet. Oder: Betriebsnachfolgeprozesse.

Einfach ist nicht einfach, oder?

4. April 2017, 22:20

In unserer globalisierten Welt und in einer Zeit, in der sich neue Entwicklungen nahezu tagtäglich überschlagen, ist es nur verständlich, dass in den Menschen die Sehnsucht nach Einfachheit aufkommt. Dabei hat Einfachheit, wie Manfred Kohl richtig bemerkt, nichts mit Einfältigkeit oder Primitivität zu tun.

Hinter Produkten, die dank ihres Designs, ihrer Funktionalität und ihrer Materialität Einfachheit ausstrahlen, stecken in der Regel aufwändige und komplexe Entwicklungsprozesse. Einfachheit ist somit etwas Wertvolles, Edles, Nachhaltiges.

Die Herausforderungen, die mit der Schaffung von Einfachheit verbunden sind, mögen zwei historische Zitate belegen, die nach wie vor Gültigkeit besitzen und die auf beliebige andere Wirkungsbereiche übertragen werden können. Für Leonardo da Vinci, den großen italienischen Maler, Bildhauer und Architekten war Einfachheit die höchste Stufe der Vollendung; und der deutsche Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe entschuldigte sich einmal mit den Worten: „Ich schreibe dir einen langen Brief, weil ich keine Zeit habe, einen kurzen zu schreiben“.

Nun zum Tourismus und einigen von Manfred Kohl angesprochenen Punkten:

Der Gast darf erwarten, dass das, was ihm angeboten wird, einfach zu handhaben ist. Wenn die dahinter stehenden Prozesse im Hotel oder in der Destination auch noch so aufwändig und komplex sein mögen, so ist das nicht sein Problem. Der Anbieter hat im eigenen Interesse die Arbeitsprozesse so zu gestalten, dass sie betriebs- bzw. destinationsintern effizient ablaufen und am Ende ein Produkt bzw. Angebot zeitigen, das den Bedürfnissen des Gastes entspricht. Ein Übermaß an Möglichkeiten, verbunden mit absoluter Wahlfreiheit wirkt für den Kunden belastend und birgt die Gefahr der Überforderung in sich.

Aufgabe des Anbieters ist es, den Gast organisatorisch zu entlasten, besteht doch ein wesentlicher Nutzen für den Gast darin, seine Urlaubszeit sinnvoll und produktiv einsetzen zu können. Es geht somit um Produkte, die intuitiv bedien- und benutzbar sind. Auf weite Strecken wird das ja auch perfekt gemacht und so mancher Freizeitaktivität hat dieses Bemühen zum Durchbruch verholfen. Ein Beispiel sind die diversen Cards, die nicht nur der Lenkung der Gäste und der Kundenbindung dienen, sondern die dem Gast auch so manche Entscheidung erleichtern.

Auf der Anbieterseite kann Einfachheit zudem bedeuten, mit möglichst wenig Mitteln möglichst viel zu erreichen (beispielsweise mit einigen wenigen Zutaten ein ein einfaches aber qualitativ hochwertiges Gericht herzeizuzaubern). Das heißt mit anderen Worten, dass weniger durchaus mehr sein kann. Dieses Denken ist auch im Tourismus festzustellen. Luft nach oben ist aber noch ausreichend vorhanden.

Einfachheit ist somit alles andere als einfach zu bewerkstelligen. So setzt ein durchgängig positives Kundenerlebnis über alle Kontaktpunkte hinweg ausgeklügelte Prozesse voraus. Einfachheit verlangt viel Aufwand und Mühe. Der Einsatz lohnt sich jedoch, da in unserer immer komplexer werdenden Welt Einfachheit im hier beschriebenen Sinn ein zentraler Erfolgsfaktor sein wird.

Zum Abschluss noch der Hinweis auf einen Beitrag in einem Exposee der Gottlieb Duttweiler Institute Zürich, aus dem viel auf den Tourismus umgelegt werden kann (Link: GDI GOTTLIEB DUTTWEILER INSTITUTE: TRENDRADAR 1.10).

18. April 2017, 16:50

Der Sehnsucht zum Trotz – ist das nicht eigentlich die große Herausforderung für Anbieter als auch Kunden für uns alle: Einfachheit auszuhalten? Diese zuzulassen?
Wie Manfred Kohl schreibt, bedeutet Einfachheit Genussfähigkeit, die er mit dem Weglassen von Ablenkung beschreibt. Ohne Ablenkung bin ich bei mir und im bewussten Handeln und Erfahren. Da ließe sich für den Tourismus ein schöner gesellschaftlicher Auftrag ableiten 🙂

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