Motel One für die Alpen
Die NZZ hat vor kurzem am Schweizer Beispiel ausgeführt, dass sie die weiter fortgesetzte Entwicklung der Luxushotellerie als eine Sackgasse ansieht, an deren Ende der Schweizer Tourismus mittlerweile stehe. Der Fortschritt im stagnierenden Tourismus sei mit einer weiteren Erhöhung der Investitionen vor allem in noch teurere Angebote keineswegs zu gewinnen.
Auch die Stadthotellerie hat sich über Jahre vor allem im Luxussegment weiterentwickelt bis Motel One oder Moxy kamen um zu zeigen, dass man neue Wege gehen muss abseits vom herkömmlichen Rüstungswettlauf mit immer höheren Luxus verbunden mit immer höheren Investitionskosten. Dies gilt vor allem dann, wenn der Gast immer weniger bereit ist diesen Luxus zu zahlen.
Auch eine heuer im Auftrag der WKO erstellte Gästebefragung hat ergeben, dass der Preis an erster Stelle bei den Faktoren für eine Urlaubsentscheidung steht und dass das Defizit an preisgünstigen Hotels als die größte Schwäche Österreichs gesehen wird. Umgekehrt ist aus Sicht der Hotels die mangelnde Preisdurchsetzung, die eine Vielzahl von Ursachen hat, eines der größten Sorgenkinder.
Es liegt daher nahe, wenn mit den gegebenen Investitionskosten nicht mehr die notwendigen Preise erzielt werden können, die Errichtungskosten an den am Markt erzielbaren Nächtigungspreisen zu orientieren. Wenn man diesen Gedankengang konsequent weiterverfolgt, erscheint ein Budgethotel-Konzept für die Ferienhotellerie sehr naheliegend. Es soll jene notwendigen Funktionen preiswert und gut abdecken, die im Winter- bzw. Sommertourismus tatsächlich benötigt werden und die der Gast auch bereit ist zu zahlen. Luxusbedürfnisse wie Wellness- oder Freizeiteinrichtungen sind dann oft nicht oder nur in geringem Umfang dabei.
Die Zimmer müssen gut durchdacht sein und sollen Qualität eher durch überlegte Gestaltung und Design vermitteln als durch Einsatz von teuren Materialien. Die Errichtungskosten sollten etwa EUR 100.000 pro Zimmereinheit nicht überschreiten und dann ist es auch möglich, Preise pro Gast deutlich unter EUR 100,– für Übernachtung und Frühstück anzubieten.
Das Adeo-Alpin-Konzept von Maier und Schönfelder, die Explorer- oder die Cube-Hotels haben diesen Weg bereits beschritten. Mit dem Mama Thresl in Leogang oder Aqi in Schladming sind weitere ähnliche Konzepte verwirklicht worden. In diesen Fällen wird ein gutes zeitgemäßes Angebot zu moderaten Preisen angeboten.
Der Ausbau der Qualitätshotellerie war bisher sehr erfolgreich stößt aber mancherorts an seine Grenzen. Eine neue und attraktive Mittelklasse soll ein neues Angebot für den preisbewussten Gast bieten. Es gilt den schon weit fortgeschrittenen Ausbau des Luxus- und Qualitätssegments im unteren Bereich um leistbare Angebote zu erweitern.
All diesen guten und sehr richtigen wirtschaftlichen Ausführungen darf ich noch einen politischen Aspekt hinzufügen: Mit der Erosion der Wohlfahrtstaatsmodelle in unseren Haupt-Herkunftsländern (Österreich mit eingeschlossen) ist zu erwarten, dass sich die Urlaubsbudgets insgesamt verknappen werden. Dies weniger wegen Smartphone & Co. als alternativen Freizeitausgaben, wie wir es in jüngster Zeit beobachten konnten. Sondern weil das Haushaltsdelta nach Abzug der Fixkosten zunehmend durch steigende Zusatzausgaben für Gesundheit, Bildung etc. belastet werden wird. Vor diesem Hintergrund ist der Forderung von Franz Hartl „Eine neue und attraktive Mittelklasse soll ein neues Angebot für den preisbewussten Gast bieten“ unbedingt zuzustimmen.
Das Defizit an preisgünstigen Hotels in alpinen Destinationen ist in hohem Maße durch den Ausfall der Mitte entstanden, häufig verursacht durch den Aufstieg von Betrieben in die 4-Stern-Kategorie. Und die Tatsache, dass nicht wenige dieser Betriebe sich veranlasst sehen, ihre Leistungen zu 3-Stern-Preisen zu verkaufen, ist nicht nur auf eine mangelnde Positionierung zurückzuführen, sondern kann durchaus auch als Indiz für ein Überangebot gewertet werden.
Budget-Hotelkonzepte für die Ferienhotellerie machen daher Sinn. Wir wissen, dass solche Betriebe erfolgreich agieren bzw. Erfolg versprechen. Franz Hartl nennt dafür einige Beispiele. Hotels mit einem Angebot, das auf die tatsächlichen Urlaubsbedürfnisse einer breiten Gästeschicht ausgerichtet ist und die daher preislich günstiger sind, tragen außerdem dazu bei, dass sich die Gäste mehr Urlaub leisten können, was durchaus Auswirkungen auf die Aufenthaltsdauer und auf Wiederholungsbesuche haben kann.
Ich greife dieses Thema nicht zuletzt deshalb auf, weil ich mich immer wieder frage, ob wir auch in anderen Bereichen des touristischen Angebots in nicht allzu ferner Zukunft mit ähnlichen Entwicklungen rechnen müssen. Ich denke etwa an die Seilbahnen und Skigebiete, die sich mit tatkräftiger Unterstützung der Seilbahnbauer sowohl quantitativ wie qualitativ gegenseitig hochschaukeln und sich ebenfalls einen Rüstungswettlauf liefern. Auch hier steht die Frage nach dem tatsächlichen Bedarf im Raum: Was braucht der Gast im Skigebiet denn wirklich alles an Skipistenlänge und Seilbahngondelausstattung, wenn er im Schnitt nur einige wenige Stunden am Tag auf Skiern steht und sich an seinem Urlaubsort in zunehmendem Maße auch anderen Aktivitäten widmet.
Hallo Herr Hartl,
ich erinnere mich verschwommen an eine Zeit Ende der 90er Jahre als sehr namhafte Unternehmesberater brüllten jeder müsse doch unbedingt zum fünften Stern gelangen. Die Idee haben scheinbar doch zu viele ernst genommen. Nicht zuletzt die Hybris hat viele Unternehmer dahin geführt wo sie heute sind…. Aber das ist ja ein anderes Thema.
Fakt ist: Im unteren Preissegment ist durch die Entwicklung zu wenig Qualitatives übrig geblieben.
Ich beobachte aber ein Einpendeln von guten, kleinen familiengeführten Betrieben im 3s Segment… hier aber immer mit Spezialisierung. Ich jedenfalls kann mich mit Ibis, Cube etc. nicht anfreunden.
Besonders Sie können hier ja mit Ihren Möglichkeiten der ÖHT steuern. Fördern Sie die kreativen kleinen Unternehmer nicht nur in der Hardware sondern auch in der Spezialisierung!
Zu diesem Thema noch ein interessanter Aspekt, der kürzlich von einem Leser des tp-blogs an mich herangetragen wurde: Wenn wir von kleineren, preislich attraktiven Beherberbergungsformen in alpinen Regionen sprechen, welchen Stellenwert hat dann der klassische Gasthof? Gibt es für ihn, angesichts der jüngsten Entwicklungen, eine neue Chance für Profilierung? Wenn ja, welche Rolle spielt hier die Qualität? Braucht es etwas Vergleichbares zur G-Klassifizierung in Deutschland (http://www.g-klassifizierung.de/start.html)? Und welche Möglichkeiten haben diese seit Generationen in der Familie geführten Betriebe, sich im Preis- und Buchungswettkampf zu behaupten?
Zum Beitrag von Michael Egger:
Keine Frage – der Beitrag ist nicht so zu verstehen, dass es wünschenswert wäre Österreich mit Budget-Hotelangeboten zu überziehen, die von Ketten geführt werden. Es ist aber doch der Fokus auf das zu richten, was man von diesen Konzepten lernen kann: Preiswerte Errichtung, ein auf das Wesentliche fokussierte Konzeption und vor allem kein unnötiger Schnickschnack, den der Gast bestenfalls zur Kenntnis nimmt aber keineswegs zu zahlen bereit ist.
Es ist möglicherweise richtig, dass man in der Vergangenheit die Luxusklasse zu sehr als den Schrein angesehen haben, den es anzubeten gilt. Das Drei-Sterne-Angebot hat dann auch oft aus dem Vier-Stern-Angebot bestanden, das aus Gründen des Investitionsrückstandes zurückgestuft wurde – und auch das hat einen Geruch von Rückzugsgefecht.
Was mir hingegen vorschwebt sind die zeitgemäßen Angebote, die von vornherein klare in diesem Qualitätssegment positioniert sind und attraktiv für jene sind, die mit ihrem Urlaubsbudget haushalten müssen, die aber mangels eines entsprechenden Angebotes oft Billigdestinationen buchten. Ulrike Reisner weist darauf hin, dass auch in unserer Wohlstandsgesellschaft mehr und mehr Menschen preisbewusst leben werden, für die wir weiter ein Angebot zur Verfügung stellen müssen.
Liebe Ulrike Reisner, geschätzte Kollegen,
seit Jahren arbeite ich als Grundlagenforscher an der Relativierung der oft lobbygesteuerten und manchmal zu kurzfristig interpretierenden Expertenmeinungen. Die repräsentative Erfassung der tatsächlichen Bedürfnislage der Bevölkerung, also in unserem Fall der Gäste und Kunden, ist das Hauptaugenmerk des IFT. Unsere Forschungsergebnisse standen nicht selten im Gegensatz zum Mainstream der Leitlinien, Strategien und Konzepte der Touismuslobby. Ihre in diesem Beitrag dargelegten Erkenntnisse, die ich uneingeschränkt teile, sind in vielen meiner frühen (!) Publikationen nachzulesen und wurden damals nicht nur negiert sondern oft auch kritisiert.
Die Lösung vieler Zukunftsaufgaben läge in der konsensualen Zusammenarbeit von Theorie und Praxis, von Grundlagenforschung und Auftragsforschung, von Unternehmensberatung und Volkswirtschaft. Wäre die aktuelle Entwicklung in Politik und Wirtschaft für Österreichs Tourismuswirtschaft nicht von da her den Versuch für einen echten Neubeginn wert?
„Ab in die Mitte!“ Die Polarisierung der Märkte in einen Billig/Diskontmarkt und einen Qualitäts/Premiummarkt ist nur die halbe Wahrheit.
So lautet ein Fachkommentar in einer Aussendung von Kohl & Partner vom März 2007 (!). Ich zitiere, weil diese vor 9 Jahren getroffenen Aussagen wohl gut zu obenstehenden Kommentaren passen:
Die Nächtigungsstatistik bestätigt nur scheinbar den Trend „Verlust der Mitte“. Denn zeitgemäß ausgestattete Mittelklasse-Hotels finden wachsende Märkte vor. „Die Mitte bricht weg“ wird bei vielen touristischen Veranstaltungen von charismatischen Rednern behauptet….Das unreflektierte Akzeptieren dieser Analysen und Prognosen würde dazu führen, dass in Österreich 10.000 Betriebe eine unerfreuliche Zukunft vor sich haben, da diesen Betrieben scheinbar nur die Wahl zwischen einer Entwicklung in Richtung Top-4-Sterne-Betrieb oder der Weg zum Diskonthotel bliebe. Eine Detailanalyse erfolgreicher „Mittelklasse-Hotels“ aus der Kohl & Partner-Datenbank zeigt jedoch ein anderes Bild: Ein zeitgemäß ausgestattetes, preiswertes und innovatives Mittelklasse-Hotel findet gute Marktchancen vor.
Zugleich bestätigen Praktiker aus Sales & Marketing die zunehmende Nachfrage nach Hotels „ohne Schnick-Schnack“ („no frill“) zu einem attraktiven Preis, da eine breite Einkommens-Mittelschicht bei zunehmender Preissensibilität nicht bereit ist, hohe Preise für Leistungen zu bezahlen, deren Nutzen für sie nicht relevant ist….Der Mittelweg ist also nicht der Weg in den Tod („Get better, get cheaper or get lost“), sondern der Weg in ein großes Nachfragesegment – eine klare Qualitäts- und Kostenstrategie vorausgesetzt. Also: Ab in die Mitte!
Noch eine Anmerkung zu Franz Hartls Titel „Motel One für die Alpen“:
Ich habe Dieter Müller, den Gründer von Motel One, gefragt, warum er nicht in die ferientouristischen
Alpenregionen geht. Seine Antwort: Im Winter können wir den Preisvorteil ausspielen, im Sommer aber nicht, denn da liegen wir mit vielen 4-Sterne-Hotels gleich auf.
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