Fatales Signal
Die Lage im Tourismus ist derzeit alles andere als erfreulich. Und dass Corona jetzt wieder voll aufpoppt und Reisewarnungen fröhliche Urständ feiern, macht die Sache nicht leichter. Im Wintersportland Tirol werden Tourismuspolitiker und Tourismusfunktionäre daher nicht müde, den Zusammenhalt nicht nur der im Tourismus Tätigen, sondern der gesamten Bevölkerung einzumahnen. Ziel sollte sein, die Infektionszahlen zu senken und die Reisewarnungen wegzubekommen, um die bevorstehende Wintersaison so gut wie möglich über die Runden zu bringen. Erwartet wird also Solidarität aller in Tirol lebenden Menschen mit dem Tourismus.
Befreiung von der Betriebspflicht?
Mitten hinein in diese Beschwörungen platzte am vergangenen Wochenende die Meldung eines Skigebietsbetreibers im Raum Innsbruck, dass er für den kommenden Winter an die zuständige Behörde einen Antrag auf temporäre Befreiung von der Betriebspflicht gestellt hat. Damit will er sich die Möglichkeit offenhalten, bei unzureichender Nachfrage den Skibetrieb einzustellen. Begründet wird der Antrag u.a. mit den Unsicherheiten am internationalen Markt und den damit verbundenen wirtschaftlichen Risiken.
Das Merkwürdige dabei ist allerdings, dass das Skigebiet hauptsächlich Einheimische frequentieren – in diesem Fall Wintersportler aus dem Großraum Innsbruck. Und das sind, so wie im übrigen Österreich, genau diejenigen, die in der abgelaufenen Sommersaison durch ihre Inlandsurlaube und Ausflüge dazu beigetragen haben, die unvermeidbaren Verluste im österreichischen Tourismus wenigstens ein Stück weit abzufedern. In die Kategorie Unverfrorenheit gehört zudem der Umstand, dass die Einreichung des Antrags durch den Hauptgesellschafter erst publik wurde, nachdem der Vorverkauf für das Tiroler Freizeitticket bereits seit vier Tagen im Gange war.
Empörung und Fragen
Die Empörung über dieses Vorgehen, das auch außerhalb von Tirol in den Medien Beachtung findet, ist naturgemäß groß. Betroffen sind ja nicht nur tausende heimische Freizeitsportler, sondern auch zahlreiche Familienbetriebe im Umfeld des Skigebiets, deren Planungssicherheit für den kommenden Winter nunmehr auf Null sinkt.
Wenn Österreichs oberster Seilbahner laut Tiroler Tageszeitung zu dieser Entwicklung meint „Die Stimmung ist am Boden, nicht nur Seilbahner stellen sich derzeit die Sinnfrage“ so wollen wir das als eine erste – emotionale – Reaktion gelten lassen. Bei genauerem Hinsehen stellen sich dann aber doch einige Fragen, so z.B.: Wie schaut es denn mit der Leitfunktion und der unermüdlich proklamierten regionalen Verantwortung der Seilbahnunternehmen aus, wenn einmal der Wind der Branche scharf ins Gesicht bläst? Oder: Wenn es möglich ist, jährlich bis zu 50 % des Kassenumsatzes zu investieren, müsste es dann bei einigem guten Willen nicht auch machbar sein, Durststrecken durch zu tauchen? Zudem lässt sich vor dem aktuellen Hintergrund die Sinnfrage auch in eine andere Richtung stellen. Etwa im Hinblick auf so manches Ausbauvorhaben von Skigebietsbetreibern.
Schuss ins eigene Knie
Wie dem auch immer sei. Die Axamer Lizum setzt mit ihrem Schritt nicht nur ein fatales Signal nach außen, dem so etwas wie ein Hauch von Selbstaufgabe innewohnt, sie schießt sich damit auch ins eigene Knie. Und keinesfalls präsentiert sie sich mit dieser Aktion als das „Coolste Skigebiet“, als das sie so gerne wahrgenommen werden möchte. Ihre Pläne von der Skigebietsverbindung über die Kalkkögel, den sogenannten Brückenschlag, der in der damaligen Variante aus naturschutzrechtlichen Gründen abgelehnt wurde, kann sie jetzt wohl ein für allemal in den hintersten Ecken ihres Dachbodens verstauen.
Hoffen auf Einzelfall
Es ist zu hoffen, dass das Spiel, das der Hauptaktionär des Skigebiets hier betreibt, ein Einzelfall bleibt und den Seilbahnunternehmen in Tirol und in Österreich ein weiterer Imageschaden erspart bleibt. Der Geschäftsführer des Tiroler Freizeittickets, dem zahlreiche Seilbahnen im Land angehören, hat jedenfalls festgehalten, dass keiner der anderen Partner daran denkt, sein Unternehmen auch nur zeitweilig von der Betriebspflicht entbinden zu lassen.
Indem es Sun & Beach in den kommenden Wintermonaten wohl überhaupt nicht geben wird, ist zu erwarten, dass die Winterangebote – so keine weiteren Reisewarnungen stören – doch wieder vermehrt in Anspruch genommen werden.
Es ist ein denkbar störendes Signal zu hören, dass ein Tiroler Skigebiet von vornherein aufgibt. Die Gedankenkette ist fatal – ein Tiroler Skigebiet sieht schon jetzt keine Chance mehr auf einen kostendeckenden Betrieb – eine Region, die immer stolz auf ihr touristisches Angebot war, gibt auf. Das gesellt sich noch zum Image ohnedies bei der Bekämpfung der Pandemie kräftig versagt zu haben.
Wie wäre es denn andersrum: Wir bieten sichere Beförderungsbedingungen, weil Hygiene an erster Stelle steht und wir sorgen dafür, dass eine Ansteckung in den Liften und auf den Hütten sowie beim Apres-Ski und im Hotel durch eine Fülle von Maßnahmen hintangehalten wird. Wir warten nicht auf etwaige Erlässe des Gesundheitsministeriums oder des Landes sondern setzen um, was wir und einschlägige Experten für notwendig und richtig erachten. Kurz: Wir expandieren einmal nicht in mehr Pistenkilometer sondern massiv in die Qualität und Sicherheit der Beförderung.
Ja das wird Geld kosten und Schweißperlen produzieren, aber das alpine Skifahren steht noch immer im Mittelpunkt unseres Wintertourismus und der war zumindest bisher die Cashcow. Diese sollten wir nicht mutwillig verrecken lassen.
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