Fehlende Digital-Strategie alarmiert

Nur sechs Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen in Europa verfügen über eine echte Digital- oder KI-Strategie. Das zeigen Analysen von KPMG, Deloitte und Bitkom. Der Großteil experimentiert mit einzelnen Tools – von Cloud-Lösungen bis Chatbots – ohne übergeordnetem Plan.

Die Technologie wäre vorhanden, doch die Strategie fehlt. Eine Schieflage, die sich quer durch alle Branchen zieht – auch durch den Tourismus.

69 % der Hotels investieren in digitale Tools – aber wofür eigentlich?

Eine aktuelle Studie der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV) zeigt: 69% der Hotels investieren jährlich bis zu 50.000 Euro in digitale Systeme. Das klingt ambitioniert, doch auch hier dominiert ein Sammelsurium technischer Einzelteile.

Deshalb gleichen in vielen Hotelbetrieben die Systeme einem Flickenteppich: eine Buchungssoftware hier, eine Gäste-App dort, ein Chatbot, eine Bewertungsplattform. Alles einzeln nützlich – aber gemeinsam kaum vernetzt. So entstehen digitale Inseln, keine Infrastruktur.

Die strategische Lücke

Gerade in familiengeführten Betrieben ist der Wille groß, aber die Richtung oft unklar. Technik wird angeschafft, weil sie verfügbar ist – nicht, weil sie in ein Zukunftsbild passt. So bleiben Daten in Silos, Mitarbeitende müssen Informationen doppelt einpflegen und auch der Gast spürt Brüche zwischen digitalem und persönlichem Erlebnis.

Was fehlt, ist eine Digital- und KI-Strategie, die nicht als IT-Projekt, sondern als Führungsaufgabe verstanden wird. Diese muss auf drei Ebenen analysieren:

  • Wo verstärkt Technologie die Marke – und wo gefährdet sie sie?
  • Welche Prozesse verdienen Automatisierung – und welche menschliche Aufmerksamkeit?
  • Wie kann KI entlasten, ohne das Erlebnis zu entmenschlichen?

Wichtig: Drei Schritte statt 30 Tools

In der Praxis hat sich ein klar strukturiertes, dreistufiges Vorgehen bewährt – dort, wo Digitalisierung nicht als Experiment, sondern als Strategie verstanden wird.

1. Zukunftsbild entwickeln: Wie soll das Hotel im Jahr 2030 wahrgenommen werden? Welche Werte bleiben alternativlos, welche Services können digital gestützt werden?

2. Bestehende Strukturen aus drei Perspektiven analysieren:

  • Aus der des Gastes: Erleben Gäste die Reise durchgängig – oder bricht sie an der Rezeption ab?
  • Aus der der Mitarbeitenden: Wird die Technik zur Entlastung – oder zum Nebenjob?
  • Aus der Systemperspektive: Fließen Daten durchgängig – oder stockt der Informationsfluss an Schnittstellen?

In einer dritten Stufe gilt es, die Potenziale zu erkennen und seine Strategie zu formulieren. Aus der Analyse entsteht eine klare Roadmap – kein Tool-Katalog, sondern ein strategischer Rahmen, der Wirtschaftlichkeit, Marke und Gästeerlebnis verbindet.

Die Praxis zeigt aber auch manch falsche Erwartungen. Denn Strategie ist kein Dokument, sondern ein Prozess. Sie verlangt klare Zuständigkeiten, laufendes Lernen und die Bereitschaft, Gewohntes zu hinterfragen. Wer Digitalisierung als Führungsaufgabe versteht, gewinnt Struktur und Entlastung – nicht neue Komplexität. Dann ersetzt Technik nicht Menschen, sondern Zeitverlust.

Wie Zukunft konkret aussehen könnte

Aus der aktuellen Veränderung lassen sich durchaus realistische Szenarien skizzieren. Man wird sich darauf einstellen, dass der Gast nicht mehr über Plattformen, sondern über seinen persönlichen digitalen Agenten bucht, der seine Vorlieben kennt: Lieblingszimmer, Rotwein, Spa statt Sport. Der Check-in erfolgt per Gesichtserkennung, schnell und kontaktlos, doch beim Betreten des Hauses wartet eine Mitarbeiterin, begrüßt ihn mit Namen und verweist auf die neue Spa-Anwendung.

Im Hintergrund koordiniert der Human Touch Manager, unterstützt von KI, das Housekeeping: Er weiß, welche Zimmer bereit sind, wo noch Handgriffe nötig sind. So bleibt mehr Zeit für das, was keine Maschine ersetzen kann: eine Geste, ein Gespräch, ein Moment echter Nähe.

Technologie übernimmt die Routine. Menschlichkeit prägt das Erlebnis.
Und genau das ist das Fazit: Die Zukunft der Hotellerie entscheidet sich nicht an der Zahl der Tools, sondern an der Qualität der Strategie.

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