Biketourismus – Wenn dann richtig
Zentrale Frage des diesjährigen theALPS-Symposiums, das von 6. bis 8. September 2015 in Moena (Trentino) stattfand, war die zukünftige Rolle von Bike-Tourismus im Alpenraum. Einige der präsentierten Ergebnisse waren dabei durchaus überraschend. Allein im Zielmarkt Deutschland nutzen mehr als zwölf Millionen Menschen regelmäßig ihr Trekking-Bike, in Großbritannien sind es mehr als neun Millionen. Das Potenzial ist also groß, doch es fehlt derzeit im Alpenraum noch an der Infrastruktur, um Trekking-Biker anzusprechen. Dasselbe gilt in vielen Regionen auch für Road- und Mountain-Biker, die vom Nachfragepotential nur gemeinsam an die Trekking-Biker herankommen.
Ein qualitativ hochwertiges Bike-Angebot kann nur durch überregionalen Zusammenschluss entstehen. Biker sind mobil und nicht an einen Ort gebunden und die Ausübung ihres Hobbys erlaubt ihnen einen Radius, der oft weit über kleinräumige Regionen hinausgeht. Da ist die Politik gefordert, in enger Zusammenarbeit mit dem Tourismus über Regionsgrenzen hinweg die nötigen Rahmenbedingungen, wie etwa Radwege, zu schaffen.
Biken ist mehr als nur ein Sommersport. In den vergangenen Jahren wurde Radfahren zum Lifestyle, der für Individualismus, Nachhaltigkeit und Abenteuer steht. Die Tourismusbranche muss auf diesen Trend reagieren. Naturerlebnis, auf die Biker zugeschnittene Routen und spezialisierte Unterkünfte sind die Ansprüche, die alle Bike-Touristen an ihre Urlaubsregion stellen. Zugleich muss man sich aber darüber klar werden, welche Biker man anspricht.
Spezialisierung setzt voraus, sich eingehend mit den jeweiligen Szenen zu beschäftigen. Ein Tourenbiker und ein Downhiller werden höchst unterschiedliche Ansprüche stellen. Die Szene wird auch aufgrund der technischen Entwicklungen – Stichwort E-Bikes – immer differenzierter und hat damit auch unterschiedliche Bedürfnisse. Ein in Graubünden stattfindender Kongress widmet sich nur dem Thema „Digital Mountainbike“ und zeigt wie differenziert das Wissen sein muss, wenn man sich dem Biker und seinen Anforderungen erfolgreich nähern will.
Eine Destination muss das Thema umfassend betrachten. Dazu gehören nicht nur Radwege und Routen, eine gute Beschilderung und ein Tourenangebot, das für eine Woche Abwechslung bietet. Auch die Vermeidung möglicher Konflikte mit Wanderern ist zu bedenken. Geeignete Unterkünfte mit Bikegaragen, Bikeschulen und –guides sowie ein downloadbares Angebot an GPS-Tracks und natürlich Radservice-Einrichtungen müssen vorhanden sein. Um ein Gebiet in Szene zu setzen, braucht es spannende Produkte und Veranstaltungen, um überregional bekannt zu werden. So waren heuer am autofreien Tag am Stilfserjoch 12.000 Radler aus mehr als zwanzig Nationen und die Sella Ronda wird bei Veranstaltungen von bis zu 20.000 Teilnehmern frequentiert.
Wie man es richtig macht, zeigt der diesjährige Sieger des „theAlps Award 2015“. Vom Mythos „Sellaronda“ fühlen sich Rennradler und Mountainbiker in gleicher Weise angezogen und Produkte wie „Sellaronda Gourmet“ und „Sellaronda Hero“ lassen die Bandbreite des Angebotes von genußbetontem Radeln bis zum sportlichen Heldentum erahnen.
Es ist überaus wertvoll, dass in der von Franz Hartl erwähnten Studie das große Potenzial der Trekking-, Road- und Mountainbiker anhand konkreter Zahlen aufgezeigt und auf das breite Spektrum an Interessens- und Zielgruppen hingewiesen wird. Und das noch dazu von Institutionen bzw. Studienautoren, die in Regionen beheimatet sind, die dazu auch in der Praxis einiges zu bieten haben und Vorbildcharakter besitzen.
Keine Frage: Destinationsübergreifende Angebote sind stark zu forcieren und es gibt dafür ja bereits eine Reihe gelungener Beispiele. Daneben ist aber auch darauf zu achten, dass die Angebote innerhalb von Destinationen sowie zwischen unmittelbar benachbarten Regionen stimmen. Denn bei weitem nicht allen Bikern geht es darum, möglichst weite Strecken zurückzulegen und unterschiedliche Landschaften zu durchqueren, und auch nicht alle suchen große Events, bei denen sie sich in der Menge tausender Gleichgesinnter baden bzw. fortbewegen können.
Beispielhaft dafür möchte ich eine Zielgruppe herausgreifen, die für die lokalen und regionalen Anbieter überaus wichtig ist und in Zukunft wohl noch mehr an Bedeutung gewinnen wird. Das sind diejenigen, die das Biken unmittelbar mit anderen Aktivitäten verknüpfen, für die das Mountainbike also Selbstzweck und Mittel zum Zweck zugleich ist. Gemeint sind die bei Bergsportbegeisterten beliebten Kombinationen Bike and Hike sowie Bike and Climb.
Und die Vertreter dieser Spezies sind überall präsent, ihre fahrbaren Untersätze am Berg allenthalben zu entdecken: am Beginn der Zustiege zu Gipfeln, beim Start von Klettersteigen oder in der Nähe der Einstiege zu Kletterrouten. Die Beliebtheit dieser Kombination ist zum einen darin begründet, dass mehrere Hobbies in ein Bergabenteuer hineingepackt werden können und sie ist zum anderen darauf zurückzuführen, dass dank Mountainbike der oft langwierige Zugang (Stichwort Talhatscher) zur eigentlichen Bergtour, zum alpinen Klettersteig oder zur Kletterroute zeitlich erheblich verkürzt werden kann. Verbunden damit ist auch eine größere Reichweite, da Touren, die üblicherweise eine oder mehrere Übernachtungen am Berg erfordern, mit dem Mountainbike in wesentlich kürzerer Zeit zu bewältigen sind. In langgezogenen, mit Kfz-Fahrverboten belegten Tälern wie z.B. im Rätikon, im Karwendel oder in den Hohen Tauern ist dies absolut relevant.
Auch Tourenanbieter (z.B. alpsolution.at) haben die Kombinationen Bike and Hike sowie Bike and Climb bereits in ihren Programmen, was wohl auch zu deren weiterer Verbreitung und zu noch mehr Buntheit im alpinen Freizeitsport beitragen wird.
Profiteure dieser Bewegung sind neben den Tourismusbetrieben im Tal speziell die mit dem Mountainbike ganz oder fast erreichbaren Schutzhütten und Almen, von denen viele auch gastronomisch eine ansprechende bis sehr hohe Qualität bieten. Damit ist auch eine vergleichsweise breite Streuung des Nutzens gewährleistet. Die Spezialisierung auf klar umrissene Zielgruppen, die darauf abgestimmte Produkt- und Angebotsentwicklunge und die konsequente Kommunikation sind somit auch hier im relativ kleinräumigen Bereich der richtige Weg.
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