Ist Ostern das neue Weihnachten?
Während aktuell Bilder des Verkehrsstillstands in Kärnten und Notmaßnahmen gegen Frostschäden in der Landwirtschaft erschrecken, hatten wir den Wintereinbruch in der Vorweihnachtszeit vergeblich herbeigesehnt. Im typischen Verlauf der vergangenen Wintersaisonen folgten auf – zumindest aus skitouristischer Sicht – problematische Weihnachtsferien durchaus sehr gute Bedingungen bis in den März und April hinein. Die Bauernregel „Steckt die Krähe zu Weihnacht im Klee, sitzt sie zu Ostern oft im Schnee.“ schien sich zu bewahrheiten.
In der Dramaturgie von Wintersaisonen sehen wir bereits im Oktober die Weltcup-Rennen von Sölden. Gletscherskigebiete und Spezialisten wie die Reiteralm sind selbstverständlich bereits im November im Betrieb, in dem auch der Sportfachhandel den Akzent auf den Wintersport setzt. Bilder mit strahlend blauem Himmel und schneebedeckter Landschaft sind ein Versprechen, dass aber oft erst nach Weihnachten und insbesondere ab dem März verlässlich eingelöst wird. In den Ballungszentren will sich die berühmte Winterstimmung in manchen Saisonen mangels Schnee nicht so recht einstellen.
Die Bedeutung der tagesaktuellen Ansprache ganz bestimmter Zielgruppen wird daher zunehmen: Dem nasskalten Nebel in der Stadt wird die Aussicht auf einen strahlend schönen Tag am Berg gegenüber gestellt. Vielleicht müssen wir aber auch als Branche vom einzig wahren Idealbild „Sonnenschein und Pulverschnee“ bewusst abrücken, hat doch das Bergerlebnis viel mehr Facetten zu bieten.
Im kommenden Jahr ist der Ostersonntag am 16. April, also mehr als zwei Wochen später als heuer. Durchaus eine Herausforderung für viele Skigebiete, die selbst bei sehr guten Schneeverhältnissen nach den Semesterferien kaum noch nachgefragt sind. Der Frühlings- oder Sonnenskilauf konkurriert im April mit dem aufblühenden Freizeitangebot der urbanen Zentren. Einen Rückgang von Ersteintritten bis in den Jänner hinein im weiteren Saisonverlauf zu kompensieren, gelingt bei weitem nicht allen Skigebieten. Ausreißer nach oben wie der Februar 2015 sind eher selten. Das zeigen auch die vom Fachverband der Seilbahnen mit MANOVA erhobenen Daten aus WEBMARK Seilbahnen (siehe Statistiken unten).
Skifahren mit anderen sportlichen Aktivitäten wie Mountainbiken oder Laufen zu kombinieren hat bisher am Markt nicht wirklich reüssiert. Die meisten Gäste wären damit schon rein kräftemäßig überfordert. Dennoch sind – genauso wie für eine schneearme oder gar weitgehend schneefreie Weihnachtszeit – Produkte für das Frühjahr gefragt, speziell wenn die Pistenbedingungen am Nachmittag weniger attraktiv sind. Ostern zum neuen Weihnachten zu machen ist jedenfalls keine triviale, aber eine betriebswirtschaftlich notwendige und herausfordernde Aufgabe.
In der Branche gelten 100 Betriebstage als Untergrenze für eine wirtschaftlich führbare Wintersaison. Im Zeitraum 1. November 2015 bis 30. April 2016 liegen gemäß den Angaben auf bergfex.at bei österreichischen Schleppliftgebieten durchschnittlich 77,7 Tage zwischen Saisonstart und -ende, bei den Skigebieten mit zumindest einer Seilbahn sind es 118,4 Tage. Heuer lagen zwischen Maria Empfängnis und dem Osterdienstag ganze 113 Tage, von denen 32 Ferien- und/oder Feiertage waren. Die Daten aus WEBMARK zeigen, wie die Ersteintritte pro Betriebstag gegen Ende der Saison nachgeben. Ohne März sind 100 Betriebstage jedoch nicht zu erreichen. Wenn sich der Saisonbeginn nach hinten verschiebt, muss es schon rein rechnerisch bis in den April gehen – was aber natürlich nur bei entsprechender Auslastung sinnvoll ist.
Die Anstrengungen, die von den vom Wintertourismus lebenden Betrieben gestemmt werden müssen sind gewiss vielfältig. Die zusätzlichen Herausforderungen durch Klima- und Wetterveränderung erhöhen den Druck unstrittiger Weise nochmals – ob aber die Aufgabe, Weihnachten auf Ostern zu verlegen tatsächlich dazukommen wird wage ich, zumindest was die mittelfristige Gestaltung der wintertouristischen Todo-Liste anbelangt, in Frage zu stellen. Zumindest so lange, bis die näher (am Saisonstart) liegenden Potentiale gehoben oder verebbt sind.
Diese sehe ich, neben dem ohnehin schon „klassischen“ Auftrag, die Schlagkraft der Schneeanlagen an die durch äußere Bedingungen vorgegebenen Beschneiungszeiten so weit anzupassen, dass ein Start des Skibetriebs rechtzeitig in der Saison möglich ist, vor allem im Thema Kommunikation mit dem Gast.
Doch nicht in dem Sinne, dass wir Pulverschnee und Sonnenschein verkaufen müssen, wo keiner ist. Vielmehr müssen wir uns, oder am besten dem Gast die Frage stellen ob technisch beschneite Abfahrten inmitten einer ansonsten unverschneiten Landschaft am Saisonbeginn vielleicht doch schon ausreichen um Leute aus den Ballungszentren auf den Berg zu bringen. Und zwar um des Skifahrens und des Freizeiterlebnisses willen.
Eine, in der letztjährigen (wohl eher spätherbstlich denn winterlich anmutenden) Vorweihnachtszeit im Osten Österreichs unter Wintersportlern durchgeführte Befragung suggeriert genau das:
Das Skierday-Potenzial ist auch bei derartigen Witterungsbedingungen ganz und gar nicht zu verachten, vorausgesetzt die Leute wissen überhaupt, dass der Skiberg ihrer Wahl bereits seine Drehkreuze geöffnet hat.
Denn stellen Sie sich vor, es ist Winter am Berg und keiner geht hin, weil es schlicht und ergreifend niemand weiß. Kann offenbar passieren.
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