Ganzjahrestourismus
Der Schneesport ist in Österreich ein Milliardengeschäft von volkswirtschaftlicher Bedeutung. Eine massive Transformation ist im Gange, es geht im Bergtourismus um ganzjährige Angebote, die nicht vollkommen vom Schnee abhängig sind.
Sascha Aumüller führt im Der Standard lesenswert aus „Warum sich Österreich in Richtung Ganzjahresdestination bewegt“. Er schreibt der Frühling sei die „schwierigste Saison“, erwähnt aber dann sehr wohl gelingende Klimawandelanpassung gerade auch „im März, April oder Mai“: „Bei Kals und überall rund um den Großglockner setzt man im Nationalpark Hohe Tauern erfolgreich auf Programme für alle Jahreszeiten, die der Naturbeobachtung gewidmet sind.“ Das sind in der Tat gute Ansätze; überhaupt stellen relative Kühle und Wasserreichtum (bzw. das genaue Gegenteil im Mittelmeerraum) zweifellos die große Chance für den Tourismus im Alpenraum dar.
Größtes Risiko: Schneearmut
Der famose wirtschaftliche Erfolg des alpinen Wintertourismus drückt sich in einer gesamten Brutto-Wertschöpfung von rund sieben Milliarden Euro pro Wintersaison aus (siehe dazu die Studie von MANOVA aus 2022/2023). Diese Erfolgsgeschichte zeigt sich im weltweit führenden Standard unserer Seilbahninfrastruktur, ja überhaupt zahlreicher Top-Destinationen mit Hotellerie, Gastronomie und spezialisierten Dienstleistern. Aber machen wir uns nichts vor, das mit Abstand größte Risiko lautet: Diese Form des Tourismus steht und fällt mit der Schneelage. Für wirtschaftliches Ungemach reicht schon, wenn in einer Wintersaison ein größerer Teil der gewohnten 50 Millionen Skier Days (und damit von mehr als 43 Millionen Nächtigungen) wegfiele.
Was technische Beschneiung in Kombination mit modernem Schneemanagement leisten kann, wird uns (auch wieder) in diesem Winter vor Augen geführt. Angesichts der seit Oktober anhaltenden Dürre fahren unsere Gäste von West bis Ost beinahe ausschließlich auf Maschinenschnee. Kurioserweise führt das in Kombination mit vielen sonnigen Tagen sogar zu skitouristisch günstigen Rahmenbedingungen. Aber eines ist nach den letzten beiden Wintersaisonen auch klar: Auf die traditionell vorherrschenden Wetterlagen ist kein Verlass mehr. Es kann auch ganz anders kommen.
Wir hatten heuer vielfach bereits im Hochwinter frühlingshafte Verhältnisse: nämlich sehr wohl auch am Berg und nicht nur im Tal. Aber sulziger Schnee am Nachmittag verblasst als Risiko gegen Szenarien, in denen z.B. trotz aller Bemühungen nicht rechtzeitig für die Weihnachtsferien beschneit werden kann oder Extremwettereignisse (anhaltender Regen, Föhn) eine bestehende Grundbeschneiung dezimieren. Und auch das gehört mit bedacht: Es kann sehr wohl auch Gunstlagen treffen; Höhe ist von Vorteil, aber kein hundertprozentiger Schutz.
Mögliche Anpassungsstrategien
Die technische Beschneiung ist als Klimawandelanpassungsstrategie höchst erfolgreich. Weitere Investitionen in diese Basisinfrastruktur sind notwendig, möglicherweise ist aber gleichzeitig auch die Strategie zu ändern: Nämlich einerseits die beschneite Fläche etwas reduzieren; das erhöht die Schlagkraft und hilft überproportional hohen Aufwand in problematischen Zonen zu vermeiden. Andererseits somit Areale und Ressourcen für einen „Hybridbetrieb“ freimachen. Es geht darum, zeitlich, örtlich und funktional parallel zum Schneesport Alternativen zu kultivieren, sodass Gäste und Gastgeber Erfahrungen sammeln können. Denn trivial ist ein derartiger Hybridbetrieb nicht, wie wir in Niederösterreich aus eigener Erfahrung wissen; siehe dazu das Interview mit der ISR Internationale Seilbahn-Rundschau: Mehr Ganzjahresgeschäft.
Diese schneeunabhängigen Angebote können beispielsweise Bewegung und Sport in allen Facetten sein, eher Gipfelerlebnis und Kulinarik bieten oder wie eingangs schon erwähnt Naturvermittlung zum Inhalt haben. Die Besten Österreichischen Sommer-Bergbahnen kennen fünf verschiedene Themen: Abenteuer, Familie, Genuss, Kunst & Kultur sowie Panorama & Naturerlebnis. Peter Haimayer hat hier am Tourismuspresse-Blog unlängst einen interessanten Vorschlag unterbreitet: Sportklettern und (Winter)Tourismus.
Besonders spannend wird es, wenn typische Sommer-Attraktionen wie ein Motorikpark, eine Zipline oder eine Sommerrodelbahn auf Knopfdruck auch im Winter funktionieren sollen — oder sogar spezifische Infrastruktur wie eine Rollerstrecke/Langlaufloipe, ein Bikelift oder eine Mountaincart-Strecke für den ganzjährigen Dauerbetrieb geschaffen wird; mehr dazu im Interview mit dem Mountain Manager.
Was wir sicherlich auch brauchen, sind neue Ansätze für den Schneesport selbst: Wie bereiten wir Pisten auf, wenn es besonders warm wird und/oder es in der Nacht länger nicht mehr abstrahlt. Wie reduzieren wir das Tempo, machen den Schneesport abwechslungs- und lehrreich, so wie mit Naturlehrpfaden im Sommer üblich. Nur ein Beispiel: Thomas Weber zitiert Ihren Autor in seiner Kolumne Quergeschrieben in der Die Presse („Was wird aus dem Skilehrer? Im besten Fall ein einfühlsamer Naturvermittler“) wie folgt: „Skifahren heute heißt: Es wird technisch nachgeholfen. Alles andere ist die Ausnahme vom Regelfall. Dass das verschämt kaschiert wird, ist falsch. Es gehört erklärt.“
Damit unsere Skigebiete ihr volles Potenzial ausschöpfen können, werden wir nicht nur bestimmte Pisten- sondern auch derzeit asphaltierte Parkflächen ganz neu nutzen — so wie das in einer Projektstudie mit DnD Landschaftsplanung von Anna Detzlhofer und mit Roland Barthofer für ein zentrales Areal am Hochkar skizziert wird. Geht es doch darum, das ganze Jahr über eine hohe Aufenthaltsqualität zu bieten, flexibel zwischen Sommer- und Winterbetrieb umschalten zu können.
Regierungsprogramm 2025-2029
Im Regierungsprogramm 2025-2029 ist unter der Überschrift „Österreich Werbung“ ausdrücklich von einem „Digital-first-Ansatz in der Ganzjahreskommunikation“ (S. 43) und „Marketingmaßnahmen zur Förderung des Ganzjahrestourismus“ die Rede. Unter „Gewerbliche Tourismusförderung“ wird u.a. der Förderschwerpunkt „Investitionen zur Angebotserweiterung hin zum Ganzjahresbetrieb“ genannt (S. 44) und unter „Attraktive Beschäftigung“ steht: „Modelle zur Ausweitung von Ganzjahresarbeitsplätzen und Saisonverlängerung werden unter Einbindung der Sozialpartner geprüft.“ (S. 45).
Medial weniger beachtet als die Bekenntnisse „zum österreichischen Seilbahnwesen als bedeutenden Faktor für Wirtschaft und insbesondere für Tourismus“ oder gar „zur österreichischen Positionierung als Skination Nummer eins“ steht dort unter der Überschrift „Tourismus-Strategie“ (S. 43) immerhin aber auch:
Regionen werden bei der Durchführung von Stakeholderprozessen zur Bewältigung regionaler tourismus-bedingter Herausforderungen unterstützt.
… unter der Überschrift „Klimawandelanpassung und Schutz vor Naturgefahren“ (S. 156):
Einrichtung einer Task Force „Klimawandelanpassung – zukunftsfittes Österreich“, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern der Wissenschaft und Technik zur Beratung der Bundesregierung.
… unter der Überschrift „Naturschutz“ (S. 160):
Ermöglichung einer umweltfreundlichen Anreise zu hochfrequentierten Freizeitangeboten in der Natur für einen Naturgenuss ohne negative Klimaauswirkungen.
Die Förderung der alpinen Infrastruktur (Schutzhütten, Wegeerhaltung) stellt sicher, dass der alpine Raum weiter für alle zugänglich bleibt.
… unter der Überschrift „Ausbau des Jugend- und Schulsports“ (S. 163):
Im Sinne des Klimaschutzes sollen auch sportorientierte Initiativen zum besseren Verständnis unserer Natur und Umwelt aufgebaut und vorangetrieben werden.
P.S. Wenn unter der Überschrift „Ausbau der Sportinfrastruktur“ (S. 164) ein nationales Sportinfrastrukturkonzept geprüft wird: Den Begriff der Sportinfrastruktur weit fassen und unbedingt auch den Bergsport in all seinen Spielarten berücksichtigen, der Verband alpiner Vereine Österreichs steht da sicherlich bereit!
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