22. April 2013 | 10:23 | Kategorie:
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Die Sache mit der Bürgerbeteiligung

Ein langjähriger Kollege aus Deutschland hat mir erst unlängst am Telefon erzählt, dass sich sein Einsatzfeld als Experte und Berater für Tourismusfragen in den letzten Jahren drastisch verändert habe: kaum eine Woche, wo er nicht als Mediator an irgendwelchen runden Tischen oder Bürgerforen zwischen Projektbefürwortern und Gegnern vermitteln muss. „Von der Politik kommt derzeit bei uns so gut wie gar nichts“, so sein sarkastischer Kommentar, „nach Stuttgart 21, dem Hauptstadt-Flughafen oder dem Finanzierungsskandal beim Nürburgring versteckt sie sich neuerdings hinter der Bürgerbeteiligung – mit dem zweifelhaften Resultat, dass gar nichts mehr weitergeht!“Bürgerbeteiligung (Partizipation) ist eines jener Schlagworte, mit der in Kommunen und Regionen der Politikverdrossenheit der Kampf angesagt werden soll. Zudem erhofft man sich vor allem bei komplexen Projekten durch eine frühzeitige Einbindung von Bürgerinitiativen, Interessenvertretungen & Co. die Chance auf rasche, möglichst friktionsfreie Umsetzung. Das ist angesichts explodierender Projektkosten, wie wir sie in Österreich ja auch schon mannigfaltig beobachten durften, bitter nötig. In Deutschland ist man uns in Sachen Bürgerbeteiligung und Partizipation um einiges voraus, wie am Beispiel der Modellregion Stuttgart sehr gut studiert werden kann. Hierzulande muss man Bürgerbeteiligung noch mit der Lupe suchen, sie erschöpft sich – von wenigen ehrenwerten Ausnahmen abgesehen – in Informationsveranstaltungen, Öffentlichkeitsarbeit der Projektwerber oder – wenn es sich gar nicht verhindern lässt – in der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung.

Im Kaunertal arbeitet derzeit ein Bürgerforum an einem regionalen Entwicklungsprogramm – die Ausbaupläne der TIWAG für das Kaunertalkraftwerk im Nacken. Ein mutiger Ansatz, der ein bisschen an den Kampf Davids gegen Goliath erinnert. Mit Bürgerbeteiligung im eigentlichen Sinn hat das eher weniger zu tun – es ist wohl eher ein Bürger-„Aufstand“ im konstruktiven Sinne.

28. April 2013, 18:08

Was die Bürgerbeteiligung in Österreich anbelangt, so ist die Einschätzung ihres Ausmaßes und ihrer Intensität vermutlich eine Frage der Perspektive. Bürgerbeteiligung ist hierzulande sowohl auf der lokalen als auch auf der regionalen Ebene gang und gäbe, und sie kommt auch bei Investitionsprojekten zur Anwendung. Die Liste der Beispiele ist lang, hier einige Hinweise dazu:

Da sind einmal die Bürgerbeteiligungen im Rahmen der Lokalen und Regionalen Agenda 21, wo z.B. in der Steiermark schon seit Jahren vorbildliche Arbeit geleistet wird. Doch können sich auch die Aktivitäten in anderen Bundesländern sehen lassen. Allein in Tirol, wo diese Initiativen zunächst eher zögerlich begonnen haben, sind mehrere Dutzend solcher Prozesse entweder abgeschlossen, im Laufen oder in der Startphase.

Als Hochburg in Sachen Bürgerbeteiligung hat sich Vorarlberg etabliert, wo u.a. das beim Land angesiedelte Büro für Zukunftsfragen derartige Projekte in unterschiedlichen Dimensionen und zu verschiedensten Themen begleitet. Darüber hinaus ist diese Institution bei der Entwicklung geeigneter Verfahren aktiv, und im Hinblick auf Methodik und Ergebniseffizienz absolut State of the Art. Dass Bürgerbeteiligung von der Politik ernst genommen wird, zeigt u.a. die Tatsache, dass der Vorarlberger Landtag am 31. Jänner 2013 die partizipative Demokratie in der Landesverfassung verankert hat. Gleichlaufend damit wurde eine Landesrichtlinie zur Durchführung von Bürgerräten, einer spezifischen Form der Bürgerbeteiligung, erlassen.

Auf der Bundesebene ist im Lebensministerium ein eigener Bereich Partizipation eingerichtet. Die dazu installierte Website weist eine Fülle nützlicher Informationen auf, von relevanten Themen über das methodische Instrumentarium bis hin zu gelungenen Praxisbeispielen: http://www.partizipation.at/

Auch im Tourismus ist Bürgerbeteiligung durchaus üblich. Über eine breite Beteiligung der Betroffenen kann z.B. Verständnis für sowie ein aktiver Zugang zu Großprojekten erarbeitet werden. Damit gelingt es den Menschen am Ort und in der Region dann auch, für ihren jeweils eigenen Wirkungsbereich die Chancen zu nutzen, die mit solchen Großprojekten verbunden sind. Das war z.B. in Kals am Großglockner im Zuge der Entstehung der Schiverbindung Kals Matrei der Fall.

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