6. September 2017 | 08:00 | Kategorie:
3

Gastkommentar: Wer nix wird, wird Wirt! (2)

Zuletzt habe ich hier in meinem Gastkommentar über die Mitarbeitersituation im Tourismus nachgedacht.

Folgendes müsste sich dazu in der Hotellerie ändern:

  • Zusammenschluss von Hotelbetrieben zu Ausbildungsverbünden
  • Ausbildung durch Experten, die die Mitarbeiter nicht nur fachlich, sondern auch in den Softskills weiterbilden.
  • Die Ausbildung kann an konzentrierten Stellen erfolgen, besser wäre aber ein System, das einmal im Monat im Hotel Ausbildungen erlaubt.
  • Zusätzlich benötigt jeder Hotelbetrieb ein zeitgemäßes Mitarbeitermanagement. D.h. ALLE leitenden Personen und auch Inhaber müssen entsprechende Kurse absolvieren um überhaupt Mitglied in der Kooperation zu werden.
  • Vereinheitlichung der Arbeitsabläufe:
    Durch die Ausarbeitung hotelübergreifender Qualitätshandbücher kann sichergestellt werden, dass in allen teilnehmenden Betrieben für die Mitarbeiter und auch Gäste die Arbeitsabläufe in der optimalen Form durchgeführt werden. Die Einführung und Durchsetzung der Qualitätsmaßstäbe wird von Experten begleitet und durch Audits kontrolliert.
  • Die Kommunikation der Betriebe untereinander wird verstärkt. Mitarbeiter können auch während ihrer Ausbildungszeit (nach einer gewissen Karenzzeit) von einem Betrieb zum anderen wechseln. Spitzen können dadurch abgefangen  und Arbeitslosenzeiten können dadurch verringert werden.
  • Die Mitarbeiter und Hotels erhalten dazu ein digitales Punktekonto auf dem der Mitarbeiter seinen aktuellen Ausbildungsstand überprüfen kann. Im System sind alle Betriebe mit allen offenen Positionen und mit den jeweiligen Anforderungen verzeichnet…. und genau dazu benötigt man eine Angleichung der Systeme und Ausbildungen in den Hotels.
  • Es gibt zusätzlich auf Betriebsebene ein digitales Ticketsystem, das es dem einzelnen Mitarbeiter ermöglicht Verbesserungsvorschläge zur Diskussion vorzuschlagen. (Dieses System gibt es bereits seit ein paar Jahren.)

Und dann…. ja dann würde Folgendes eintreten:

  • Die Mitarbeiter würden ihren Ausbildungsstand posten und ihren Freunden mitteilen, dass sie nur noch xx Punkte benötigen bis sie den nächsten Posten im Land XX im Betrieb XX antreten können. Sie hätten plötzlich etwas, das sie bisher nie hatten: Perspektive und Motivation. Durch das posten der Informationen würden sie auch die Anerkennung erhalten, die sie bisher nie hatten.
  • Die vielen branchenfremden Mitarbeiter, die bisher kaum eine touristische Ausbildung hatten werden plötzlich zu Facharbeitern.
  • Die Ausbildung muss nicht nur mehr der Betrieb finanziell stemmen. Ihm wird das System quasi ins Haus geliefert.
  • Viele Hotels würden plötzlich anfangen strukturiert zu arbeiten. Damit ließen sich viele Probleme beseitigen, die jetzt durch falsche Zuteilung von Kompetenzen, Inkompetenz, Doppelgleisigkeiten oder Ineffizienz auftreten.
  • Der ROI für die Hotels würde sich verbessern, da gut gelaunte und gut ausgebildete Mitarbeiter natürlich auch längerfristig mehr Gäste anlocken.
  • Die Hotels würden dadurch auch leichter zu Krediten gelangen, da die Basel-Vorschriften in Zukunft wohl nicht gelockert werden.
  • Die Betriebe könnten ohne langwierige Einarbeitungszeit Mitarbeiter für Auslastungsspitzen regional tauschen. (Für flexible Mitarbeiter gibt es noch Extrapunkte.)
  • Die Mitarbeiter werden durch das motivierende Punktesystem in der Kooperation gehalten – weiteres gutes Personal wird von der Konkurrenz von außerhalb von selbst ins System gesogen.
  • Die Branche wird dadurch allgemein zu mehr Ansehen gelangen, da ein Job in der Gastronomie plötzlich nicht nur mögliche, sondern tatsächlich greifbare Perspektiven bietet.
  • ….

Ich glaube die Grundidee sollte nun jeder verstanden haben.

UND JETZT DIE DREI GROßEN FRAGEN

Wer von den Hoteliers soll da freiwillig mitmachen? Das klingt furchtbar aufwändig.
Ich glaube das ist ganz einfach: Veränderung tritt dann ein, wenn der Druck groß genug ist. Bald ist die Zeit reif.

Wer soll das durchführen?

Wir verfügen über zwei große Interessenvertretungen, die hier ihren Wert als solche beweisen könnten: Die ÖHV und die WK. Ebenfalls eine Frage des Drucks.

Wer soll das bezahlen?

Ganz einfach: Die ÖHT in Zusammenarbeit mit der Hotellerie. Die ÖHT hat heuer ein sagenhaftes Budget für alle möglichen Förderprogramme. Unter anderem fördert die ÖHT die Restrukturierung von Hotels, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden. Da sollte sich eine Förderung für dieses wichtige Thema doch auch ausgehen.

 

 

6. September 2017, 18:30

Wirklich ein spannendes Thema, in der Tat: Veränderung tritt dann ein, wenn der Druck groß genug ist. Viele wichtige Punkte/Ideen werden hier angesprochen. Im Grunde geht es immer um Professionalisierung und Kooperation. Dinge die in viele Konzernbetrieben aber auch Vorreitern der Branche bereits Standard sind – trotzdem ist die Mitarbeitersituation angespannt wie nie. Wir müssen dabei auch die Struktur unserer Unternehmen betrachten. In der ÖHV hat ein durchschnittliches Mitglied 40 Mitarbeiter und wir vereinen hier die Top-Betriebe der Branche.

Würde ein Modell wie beschrieben Abhilfe schaffen? Ja, aber nur bedingt. Wir können und müssen Qualitätsstandards – gerade in Richtung Mitarbeiterführung und Entwicklung diskutieren und einführen. Trotzdem werden wir immer nur einen Teil der Unternehmer erreichen. Die ÖHV hat sich bereits seit Jahren diesem Thema verschrieben: in der Unternehmerakademie (UNA) oder der Abteilungsleiterakademie (AKA) werden genau diese Inhalte unterrichtet.

Wir sehen hier viele tolle Erfolge auf betrieblicher Ebene – auch die ÖHV-Initiative „Mach Karriere im Hotel“ richtet sich an die Betriebe entsprechend in die Mitarbeiterentwicklung zu investieren.

Eine gesamte Branche – noch dazu KMUs – zu bewegen braucht eines: Freiwilligkeit und den Antrieb der Unternehmer selbst. Förderungen können helfen und Impulse setzen, als ÖHV werden wir das Theme aber sicher weiterhin als eine zentrale Kernaufgabe (und Herausforderung) treiben …

7. September 2017, 7:02

Grundsätzlich mit einverstanden. Vermisse dennoch 2 Themen. Verbesserung allgemeine Arbeitsbedingungen in Hotellerie und die saisionale Schließzeiten. Beide Themen sorgen ebenfalls dafür das ein generelles Aussterben der Fachkräfte stattfindet.
Zu Punkt 1 gelten das ausnutzen der Lehrlinge als billige Arbeitskraft, die Überstunden, vermehrte Teilzeit Arbeitseinsätze, fehlende fachliche Begleitung und allgemeine Sozial Aspekten.
Zu Punkt 2 gilt zu sagen das in viel Touristische Betriebe je nach Standort bis zu 3 Monate Schließzeit haben. Für Mitarbeiter nicht Zukunftorientierend. Hier gehört die gesamte touristische Infrastruktur neu überdacht zu werden.

7. September 2017, 11:26

Lieber Herr Gratzer,

Ich schätze die Arbeit der ÖHV im Bereich der Weiterbildung sehr. Wie Sie selber schreiben bieten Sie Kurse für leitende Angestellte/Inhaber/Manager an. Quasi fördern Sie schon ohnehin gut ausgebildetes Personal. Denken Sie doch auch einmal ans „Bodenpersonal“.
Mein Ansatz ist ein komplett anderer. Professionalisierung und Kooperation sind für mich nur Mittel zum Zweck! Mir geht es ausschließlich um intrinsische Motivation!
Alle Maßnahmen, dich aufgezählt habe, sind nötige Schritte um dorthin zu gelangen. Mir geht es um das Zimmermädchen, den Kellner und den Hausmeister. Diesen Menschen möchte ich Perspetkiven bieten. Und ohne diese Menschen müssen heuer im Winter wieder viele Hotels die Halbpension streichen und können nur mehr Frühstück anbieten.

Lieber Herr Lolkema,

beide Themen können Sie, wenn Sie meine Gedanken weiterspinnen, zumindest abfedern.
Fakt ist: Es gibt nicht genügend Ganzjahresbetriebe. Die Menschen reisen gern – viele von ihnen aber lieber im Sommer oder im Winter. Die wirtschaftliche Notwendigkeit gebietet den Betrieben, dass sie ihre Mitarbeiter zwischen diesen Zeiten nicht beschäftigen können. JEDER meiner Kunden sagt, dass er seine Mitarbeiter gerne das ganze Jahr über beschäftigen möchte. Er kann es sich aber einfach nicht leisten. Sie sehen wohin die Diskussion tatsächlich führt?

Zur Ergänzung:
Die Mitarbeitersituation befindet sich in einer Abwärtsspirale. Mitarbeiter ist nicht gleich Mitarbeiter – das ist ja jedem klar. Je mehr die Gastronomie auf ausländisches und fachfremdes Personal zurückgreifen muss, desto schlechter wird der Ruf des Arbeitsplatzes Tourismus. Es geht hier vor allem um den sozialen Vergleich (Festinger). Der Wirtschafter neigt dazu den Mitarbeiter als Produktionsfaktor zu sehen. Nur wenn wir den Mitarbeiter aber als Menschen mit seinen Bedürfnissen, Träumen, Wünschen begreifen und ihm eine Perspektive bieten wird es hier eine Trendumkehr geben.

Kommentieren

 
Ihre Daten werden im Rahmen der Kommentarfunktion gespeichert, darüberhinaus aber für keine weiteren Zwecke verwendet. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Kommentar zurücksetzen