Covid: Verhandlungsmacht in Zeiten des Umbruchs
Kaum jemand wird bestreiten, dass wir uns – auch touristisch gesehen – in Zeiten des Umbruchs befinden. Ob Covid der Auslöser, der Beschleuniger oder die (logische) Konsequenz desselben war/ist, kann getrost dahingestellt bleiben. Fakt ist, dass im Tourismus weltweit derzeit kaum ein Stein auf dem anderen bleibt.
Dies trifft Volkswirtschaften, deren BIP zu einem großen Teil an der Tourismus- und Verkehrswirtschaft hängt, besonders dramatisch. Aber auch große Unternehmen der Branche, die nach Jahren der Finanz- und Wirtschaftskrise, der Globalisierung und der damit verbundenen disruptiven Ereignisse ohnehin schon schwer gebeutelt sind. Als Symptom der derzeit stattfindenden Brüche kann beispielsweise der Streit um Geisterflüge genannt werden, wo sich Airlines mit der Kommission in die Haare bekommen, weil sie – trotz mangelnder Nachfrage – um ihre Slots nicht zu verlieren, leer in der Gegend herumfliegen.
Große Ratlosigkeit, nicht nur in der Pandemiebekämpfung
Tatsächlich herrscht generell – und auch im Tourismus – große Ratlosigkeit, und die betrifft nicht nur die Frage der Pandemiebekämpfung. Denn dass wir mit unseren politischen und wirtschaftlichen Systemen die dramatisch angestiegene Komplexität nicht mehr beherrschen (können), war bereits vor Corona klar. Doch gute Konjunktur und steigende Nachfrage haben den Blick darauf verstellt, dass wir unsere Steuerungssysteme dem Grunde nach überdenken müssen.
Nun – mit einer Pandemie im Nacken – versucht die Politik mit ihren aus der Zeit gefallenen Systemen zu reagieren, während die Wirtschaft immer 1-2 Schritte hinterherhecheln muss. Hier zeigt sich am Beispiel Österreichs, dass die große Stärke des Tourismus, nämlich seine über Jahrzehnte bewiesene Resilienz durch Kleinstrukturiertheit, auf einmal zu einem (Verhandlungs-) Nachteil wird. Ein Privatzimmervermieter ist schließlich kein National Carrier. So bleibt den Branchenvertretern nur, mehr Unterstützung zu verlangen, angesichts einer Wintersaison, die auch keine berauschende werden wird, auch wenn die Politik es zu zwingen versucht.
Es sei noch einmal darauf verwiesen, dass es hoch an der Zeit ist, der Hospitalisierungsfalle zu entkommen und die Verhandlungsmacht zu bündeln. Denn auf eines können wir uns mit Sicherheit verlassen: Diese disruptiven Umbrüche, die derzeit stattfinden, werden die Welt des Tourismus im Großen wie im Kleinen verändern. Es ist daher dringend geboten, dass sich all jene, die davon und dafür leben, auch etwas Verhandlungsmacht und Steuerungshoheit sichern.
Eine richtige Diagnose. Aber zu viele uneinige Therapeuten.
Vor mehr als einem Jahr habe ich als Grundlagenforscher, nicht als Interessensvertreter(!), genau diese Verhandlungsmacht und Steuerungshoheit vorgeschlagen und eingefordert. „Die Branche“ (Wirtschaft und Politik) hat mich bei diesem Vorhaben ziemlich alleine gelassen. Solange sie selbst aber nicht mit „einer Stimme“ (gemeinsames, abgestimmtes Wording) spricht, sondern von Einzelstimmen „vertreten“ wird, wird sich trotz ihrer unersetzbaren volkswirtschaftlichen Bedeutung nichts ändern. Mit und ohne Corona….
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