Vierter offener Brief zur Tourismusstrategie
Die Chance eines offenen und transparenten Strategieprozesses besteht darin, viele Meinungen zu hören. Darunter auch jene Menschen, die den Tourismus in unserem Land in den kommenden Jahren entscheidend mit prägen werden. Ich habe die Studentinnen und Studenten des Masterstudienganges „Entrepreneurship & Tourismus“ am MCI Tourismus in Innsbruck ermuntert, sich im Rahmen meiner Tourismuspolitik-Lehrveranstaltung Gedanken zur Überarbeitung der österreichischen Tourismusstrategie zu machen.
Ziel der Übung war es, Ideen und Gedanken zum Thema zu sammeln. Was würden diese jungen Menschen im österreichischen Tourismus ändern? Welche Chancen sehen sie? Welche „heißen Eisen“ würden sie anfassen?
Hier eine Zusammenfassung der spannendsten Inputs:
Zum Thema Finanzierung & Förderung
- Konzentration auf starke und intensive Tourismusdestinationen (zunehmend jene Regionen mit einbeziehen, die am stärksten zur Tourismus-Wertschöpfung beitragen)…
- keine sinnlosen Förderungen ins Leere schießen, z.B. neue Förderungen für Skigebiete, die in Kürze wegen Schneemangels nicht mehr betrieben werden können…
- es sollte leichter sein, einen Antrag auf Förderung zu stellen – die Kontrolle / Prüfung dieses Antrags sollte allerdings gründlicher erfolgen…
- mehr Förderungen für Familienunternehmen, weil diese besondere Gastlichkeit und Herzlichkeit ausstrahlen…
Zum Thema Rahmenbedingungen
- „Tourismusführerschein“ – nicht jeder darf ein Tourismusunternehmen gründen…
- im Bereich der Ausbildung mehr Konzentration auf „emotional skills“ im Hinblick auf eine verbesserte Dienstleistungsqualität…
- in der Ausbildung mehr Zusammenarbeit mit anderen Branchenfeldern (z.B. mit Architektur, Psychologie etc.)…
- mehr Anreize für Mitarbeiter und Unternehmer im Tourismus, z.B. ein Community-Network, das jedem im Tourismus Tätigen Gratis-Urlaubstage in einem österreichischen Betrieb „schenkt“ (win-win-Situation, Tauschen von Boni)…
- nachfrageangepasste Kapazitätserweiterungen ermöglichen…
Zum Thema Infrastrukturen
- Bewusstsein für das „System Nachhaltigkeit“ fördern, auch den ökonomischen Nutzen bedenken…
- mehr Flexibilität rund um die Anreisetage, auch um den Verkehr zu entlasten…
Zum Thema Angebotsgestaltung / Marketing
- Internationalisierung in Straßenbahnen, Bussen, Taxis, Restaurants – Durchsagen (auch in Tourismuszentren) sind oft auf deutsch…
- Servicequalität in den öffentlichen Verkehrsmitteln verbessern (sind Teil der Dienstleistungskette)…
- mehr Kooperation zwischen den Bundesländern; die Länder sollten sich untereinander mehr austauschen, um voneinander zu lernen…
- vermehrte Kooperationen mit anderen europäischen Städten (Städte- und Schulpartnerschaften, Austauschprogramme etc.)…
- heimische Unternehmen / Marken in Österreich halten und Synergien stärken („made in austria“)…
- alle österreichischen Familien, die in der Nebensaison in Österreich Urlaub machen, können die Ausgaben für den Urlaub von der Steuer absetzen (Verringerung der Saisonalität)…
- Aufgreifen von Guerilla-Marketing-Strategien…
- ÖW-Außenstelle für Alpinen Tourismus in Tirol, verstärktes Marketing im Bereich der Wintersport-Affinität und -aktivität, damit die Menschen wieder beginnen Wintersport zu betreiben…
Viele interessante Ansätze, vor allem auch die verstärkte Konzentration auf die Softskills. Den ersten Punkt – der Konzentration von Förderung auf touristisch intensive Regionen – kann ich nicht teilen, möchte sogar davor warnen. Im Bundesland Salzburg erzielen etwas mehr als 10 Gemeinden mehr als 50% der Übernachtungen. Die zweite Hälfte der ÜN verteilt sich auf die anderen 109 Gemeinden.
Die Unterstützung brauchen also eher diejenigen, die nicht so touristisch intensiv unterwegs sind. Der Tourismus ist für die Menschen da, nicht die Menschen für den Tourismus. Das mag nicht immer effizient sein, sichert aber den Bewohnern vieler Bergtäler Einkommen und Wohlstand und verhindert die Entvölkerung dieser Landesteile.
Sinnvoll hingegen scheint, nicht jede Plantschpfütze in jedem Nest zu fördern, sondern dabei eine Art regionalen Entwicklungsplan zu fordern – Attraktivitätssteigerung aus Sicht des Gastes nicht aus Sicht der Kommunalpolitik.
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