3. Oktober 2024 | 07:30 | Kategorie:
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Vail am Arlberg

Welche Themen werden die nächsten fünf Jahre den Bergtourismus in unserem Land entscheidend prägen? Worauf muss sich Politik und Wirtschaft einstellen? Eine mögliche Entwicklung ist, dass sich eine börsennotierte Gruppe wie Vail Resorts auch in Österreich einkauft, heimische Top-Skigebiete „mit allem, was dazu gehört,“ unter ihre Kontrolle bringt. Welche Chancen und Risiken brächte das mit sich, was kann in der Branche schon jetzt gelernt werden?

Im Rahmen einer Trilogie wird Ihr Autor sich in den nächsten Wochen auch zwei anderen Themenkreisen annehmen, deren Bedeutung zunehmen wird, die seitens Seilbahnwirtschaft und alpinem Tourismus inhaltlich über das bisherige Maß hinaus zu denken sind: Klimawandelanpassung und Besucherstromlenkung.

Lift Ticket versus Pass

Das 1999 erschienene Buch von Brancheninsider Chris Diamond, Ski Inc. 2020: Alterra counters Vail Resorts; mega-passes transform the landscape; the industry responds and flourishes. For skiing? A North American Renaissance., ist die beste Einführung in bahnbrechende Entwicklungen: Zumeist in vielen Skigebieten gültige, jedenfalls vorab zu bezahlende Produkte wie Epic Pass, Ikon Pass oder auch Indy Pass bringen früh Liquidität ins Haus; wovon Vail Resorts derzeit über rund eine Milliarde US-Dollar verfügt.

Vail Resorts berichtet, dass aktuell bereits 75 % aller Besuche „pre-committed in advance“ sind – weniger abhängig von kurzfristigen Kaufentscheidungen zu sein, ist natürlich gerade in schneeärmeren Wintern ein Segen. Unterschieden wird zwischen einem zeitnah verkauften „Lift Ticket“ und dem in der Regel vor Saisonstart erworbenen „Pass“, wobei darunter unterschiedlich ausgestaltete Saisonkartenprodukte oder auch Tages- und Mehrtageskarten verstanden werden. Dabei gelten teilweise „blackout dates“, das sind von der Nutzung ausgenommene Zeiten in der Hochsaison.

Diese Produkt- und Preispolitik basiert auf gestaffelten Frühbucherrabatten und unterstellt eine geringe Preissensibilität der Kurzentschlossenen. Wer einmal einen Pass genutzt hat, dem werden natürlich maßgeschneiderte Angebote für Upselling und Wiederkauf unterbreitet.

Auch in Österreich wäre ein Paradigmenwechsel hin zu im Vorhinein buchbaren „Pässen“ möglich, an Erfahrung mit Kartenverbünden mangelt es nicht. Der erwartbaren Kritik ob höherer Preise an der Tageskasse kann mit dem günstigeren „Vorverkauf“ und konzertierten Nachwuchsaktionen, bei denen Kinder und Jugendliche mit Eltern oder Großeltern „mitlaufen“, begegnet werden. Zudem ist die An- und Abreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln über entsprechende Produkte (z.B. in Kombination mit dem KlimaTicket) zu incentivieren.

Geographische Diversifikation

Eine weitere Grundüberlegung der Gruppen Vail Resorts und Alterra Mountain Company lautet, das Wetter- und Schneerisiko durch die geographische Verteilung innerhalb von Nordamerika und sogar auf andere Erdteile in den Griff zu bekommen. Klimafreundliche Anreise geht anders, wobei US-Gäste ohnehin häufig fliegen müssen – und natürlich fragen Investoren wegen extremen Wetterereignissen nach. Daher kauft und betreibt Vail Resorts einerseits Skigebiete wie Crans-Montana oder Andermatt in der Schweiz, geht andererseits Kooperationen mit renommierten Partnern wie Verbier oder Le 3 Vallées ein. In Österreich sind bei Buchung in bestimmten Hotels mit dem Epic Pass am Arlberg drei aufeinanderfolgende Skitage möglich. Konkurrent Ikon Pass bietet bis zu sieben Skitage in Kitzbühel.

Die Financial Times berichtet in einem lesenswerten Artikel über die Expansion von Vail Resorts in den Nordosten der USA:

In 2019, it acquired Peak Resorts, the owner of 17 ski resorts including Hunter Mountain in New York and Mount Snow in Vermont, for roughly $264mn. Shortly after the deal, then chief executive Rob Katz, told investors: “What it’s really going to do is give some of the major population centres in the US access to local and regional skiing on the same pass that they can access destination resorts within our network.”

Solche strategische Überlegungen rund um sogenannte Feeder-Skigebiete (und Skihallen) gibt es auch in Österreich schon länger, aber nicht auf diesem Niveau. Die Schröcksnadel-Gruppe bietet mit der SunnyCard eine Saisonkarte für immerhin acht Skigebiete. In Analogie zum nordamerikanischen Modell müssten Saisonkarten mit einem Sortiment wie die Snow Card Tirol oder die SuperSkiCard auch Skigebiete in der Nähe von Millionenstädten beinhalten – Vail Resorts hat diese allerdings sogar voll in das Unternehmen integriert.

Economies of Scale

Der augenscheinlichste Unterschied von Vail Resorts und anderen Gruppen wie Alterra Mountain Company zu hiesigen Verhältnissen ist deren schiere Größe sowie der Umfang der Geschäftstätigkeit. Vail Resorts setzt beispielsweise derzeit mit My Epic Gear stark auf eine bessere Verleiherfahrung. Dem „Resortprinzip“ folgend geht es neben dem Liftgeschäft auch um Beherbergung und Gastronomie, Handel und Dienstleistung bis hin zur Immobilienentwicklung.

Ebenso breit aufgestellte Unternehmen sind – wie die Schultz Gruppe – in Österreich die Ausnahme. Lassen wir daher „economies of scale“ liegen? Skaleneffekte sind Kostenvorteile, die ein Unternehmen durch eine Erhöhung der Produktionsmenge erzielen kann.

So einfach dürfte die Sache für große Gruppen nicht sein: Derzeit versucht Vail Resorts mittels eines „Resource Efficiency Transformation Plan“ bis zum Geschäftsjahr 2026 Kosten von 100 Millionen US-Dollar einzusparen. Wobei nur 2 % des Personals betroffen sein sollen, ein Schwerpunkt auf globale „Shared Services“ z.B. in der IT gelegt wird. Was Mengenvorteile bei der Beschaffung anbelangt, gibt es in Österreich mit dem POOL-ALPIN bereits eine gut etablierte Einkaufsgemeinschaft mit derzeit 287 Mitgliedern …

Vertikal integrierte europäische Gruppen wie die börsennotierten Tatry Mountain Resorts (Mölltaler Gletscher, Mutterer Alm) und SkiStar (St. Johann in Tirol) sind bzw. waren in Österreich bisher nur wenig vertreten. Möglicherweise liegt das daran, dass die üblichen Besitzverhältnisse in Wintersportorten keine Übernahmen in Bausch und Bogen erlauben. Die weltweit führende, sehr moderne Seilbahninfrastruktur in großen heimischen Skigebieten wird allerdings auch darin begründet sein, dass aufgrund deren familiär oder staatlich geprägter Eigentümerstruktur über lange Zeit Gewinne reinvestiert werden konnten.

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