1. Juli 2011 | 09:12 | Kategorie:
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Tourismus gegen Landflucht

Die Bevölkerungsprognose der Statistik Austria für die österreichischen Regionen zeichnet ein klares Bild: die Ballungsräume vor allem um Wien und Graz wachsen stark, Zuwächse werden auch in der Bodenseeregion oder in der Inntalfurche erwartet – aber sonst stehen die Zeichen auf Landflucht. Besonders in den zentralösterreichischen Regionen, in Teilen Kärntens, Osttirols und des Salzkammergutes sieht es nicht so rosig aus. Nun wissen wir aus der Geschichte der alpinen Regionen, dass Abwanderung dort hintangehalten werden konnte, wo der Bevölkerung – beispielsweise mit Hilfe des Tourismus – Perspektiven für das Leben und Wirtschaften geschaffen wurden. Wer heute durch Österreichs „periphere Regionen“ fährt, findet in der Regel gut ausgebaute Straßen und eine einwandfreie Infrastruktur vor. Wenn dies so bleiben soll, brauchen wir Strategien für den ländlichen Raum. Die Schweiz führt seit Jahren eine kontroversielle, aber sehr offene Diskussion zu diesem Thema: wieviel Infrastruktur braucht es, wie sehen Verkehrslösungen aus, wie sichern wir Aus- und Weiterbildung, wie die Pflege und Versorgung in Krankheit und Alter? Der Tourismus kann als wertschöpfungsstarke Branche einiges zu dieser Diskussion beitragen. Denn immerhin wird nicht nur das Produkt selbst vor Ort produziert und konsumiert, sondern auch ein Großteil der Vorleistungen. Welche Branche kann das von sich behaupten?

2. Juli 2011, 15:04

d´accord. was mich dabei etwas nachdenklich stimmt: weltweit setzt man zu oft auf tourismus zur „rettung“ strukturschwacher regionen – wäre interessant, hier einmal zu hinterfragen, wie weit das auch nachhaltig funktioniert.

2. Juli 2011, 15:18

Tourismus sichert Arbeitsplätze – besonders junge Menschen müssen dadurch nicht in urbane Regionen ziehen um Arbeitsplätze zu finden, sondern können auch in ländlichen Regionen ihre Existenz sichern.

5. Juli 2011, 9:26

Ich kann Ihnen nur beipflichten Frau Reisner! Wir brauchen Strategien für diese Regionen! Aber wie sollen diese aussehen? Neue touristische Hardware und Erlebnisstempel a la Fohnsdorf, Köflach und Co haben den Markt übersättigt und schaden einer Region langfristig oder finanzieren sich nicht nur Anfangs aus Subventionen der öffentlichen Hand. Neue Luxusbetriebe in solchen Regionen kurbeln Großinvestitionen an, schreien nach ordentlicher Positionierung, was autentische Hardware verlangt, bauen jedoch kein nachhaltiges HR Management auf, was wiederum maximal den Saisonier oder Studenten anspricht. Das sind übrigens keine Einzelfälle sondern weitverbreitete Tatsachen in jenen Regionen.

Nun gut, schwarze Schafe gibt es überall, jedoch ist es in einer Branche wie dem Tourismus ohne langfristiges, nachhaltiges Denken – und das ist eine Tatsache in den meisten Betrieben – auch mit guten Strategien kein Zuckerschlecken. Viel mehr gehen wir kurzfristig auf neue Märkte ein wie unsere Gäste aus Osteuropa, die mit, plakativ gesprochen, einfacher Software und protziger Hardware zu gewinnen ist.

Die österreichische Generallösung ist: Neue Hardware bauen! Und: Es lebe der Verdrängungswettbewerb. Gespart wird dort, wo erfolgreiche Betriebe ansetzen: Beim Personal.

5. Juli 2011, 11:42

Vieles von dem, was Sie ansprechen, Herr Marx, ist leider Realität. Daher auch mein Hinweis auf die Schweiz (wobei es auch im Vorarlberger Raum bereits einige interessante Lösungen gibt): wir brauchen generell ein Umdenken, was die Zukunft des ländlichen Raumes betrifft. Der Tourismus kann hier weder als Monokultur noch als Problemlöser für Strukturdefizite funktionieren. Bauen von Hardware ist vielfach eine Flucht nach vorne und politisch opportun, weil´s temporär Arbeitsplätze sichert und eine gewisse Wertschöpfung generiert. Die Fragen, die wir uns für viele österreichische Regionen stellen müssen: wie leben und wirtschaften die Menschen hier in 10, 15 Jahren? Welchen Stellenwert kann der Tourismus im regionalen Wirtschaftsgefüge einnehmen, was kann die Branche tatsächlich „leisten“? Passen die Infrastrukturlösungen zum touristischen Angebot usw. Bei allem Respekt vor dem Käufermarkt und der sukzessiven Hinwendung des heimischen Tourismus zu ebendiesem: wir müssen, vor allem was die ländlichen Regionen betrifft, wieder in größeren (makroökonomischen) Zusammenhängen denken und planen. Gerade der Tourismus braucht diese Einbettung!

25. Juli 2011, 17:21

Der Tourismus kann keinesfalls das Allheilmittel gegen die Abwanderung aus dem ländlichen Raum sein, er spielt aber eine zentrale Rolle, wenn es um die Sicherung der Besiedlungsdichte in ländlichen Regionen geht, jedenfalls dort, wo eine gewisse Eignung für den Tourismus besteht. Dazu tragen nicht nur die Tourismusbetriebe selbst bei, sondern auch jene Unternehmen, die Vorleistungen für den Tourismus erbringen. Und diese Betriebe stehen häufig auf zwei Beinen, weil sie zusätzlich auch eine nichttouristische Kundschaft bedienen, sei es in der Region selbst und / oder in benachbarten Agglomerationen.

Eines steht aber fest: Ohne entsprechende touristische Infrastruktur kann sich flächenhaft und auf Dauer Tourismus nicht erfolgreich entfalten. Mehrere Infrastrukturprojekte, die in Österreich in den letzten Jahren u.a. dank massiver Förderungen entstanden sind, mögen wirtschaftlich problematisch sein und nicht die gewünschten Effekte bringen. Das widerlegt aber nicht die Tatsache, dass die Infrastruktur einen wesentlichen Motor für eine nachhaltige touristische Entwicklung darstellt. Und in den Beiträgen und Kommentaren zum Sommertourismus im TP-Blog wird denn auch die fehlende Investitionsbereitschaft in Sommer- und Ganzjahresinfra-strukturen als ein Grund für die unzureichende Dynamik des Sommertourismus in Österreich genannt.

Da die Gesellschaft immer urbaner wird ist es naheliegend, dass die Menschen in die Städte und Agglomerationen ziehen. Der ländliche Raum bietet heute jedoch Qualitäten wie nie zuvor und er besitzt durchaus die Voraussetzungen, um zumindest in begünstigten Lagen die notwendige Siedlungsdichte aufrecht zu erhalten. Und dazu kann der Tourismus einen wertvollen Beitrag leisten, wenn er auch nicht in der Lage ist, den Karren alleine zu ziehen. Zur Sicherung des ländlichen Raumes sind also Strategien erforderlich, die den Tourismus beinhalten, insgesamt aber weit über den Tourismus hinausgehen.

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