Grundsatzfrage
Ist es wirtschaftlich zu rechtfertigen, dass 1,2 Millionen Euro in den Bau eines Speicherteichs investiert werden, um eine 1,5 Kilometer lange Piste zu beschneien? Wo es einen Schlepplift gibt – und sonst nichts?
Manche, so auch das Land Tirol, meinen Ja! Deshalb werden in der 2.200-Seelen Gemeinde Weerberg am Fuße des Gilfert jetzt diese 1,2 Millionen Euro investiert. Hauptinvestoren sind die Gemeinde und der Tourismusverband Silberregion Karwendel mit je 30%, dazu kommen das Land Tirol mit 25 % und die Skiliftgesellschaft mit 15 %. Die Landes-Wirtschaftsförderung verfügt über einen eigenen Topf für Kleinstskigebiete – das lässt die Touristiker in Weerberg nun aufs Überleben hoffen. Ein Zusammenschluss mit Hochfügen im Zillertal ist immer wieder im Gespräch.
Andere meinen Nein! Und auch ihren Argumenten ist einiges abzugewinnen. Die Frage, die im Wintersportland Tirol unter den Nägeln brennt, aber politisch nicht gerne diskutiert wird, ist: sind diese Infrastrukturen mittel- und langfristig finanzierbar? Ist es wirtschaftlich darstellbar, dass eine Branche flächendeckend volkswirtschaftlich hohe Kosten verursacht, der Hauptanteil des Ertrags aber aus zwei Handvoll Destinationen kommt? Müssen wir uns Arbeitsplätze kaufen? Oder wäre es nicht zumindest fair, sich auch in Tirol dieselbe Frage zu stellen wie in Niederösterreich (anlässlich der Überarbeitung des Leitbildes vor 10 Jahren): gibt es Skigebiete, die sich schlicht und ergreifend überholt haben und die daher zu schleifen sind?
Sehr geehrte Damen und Herren,
Vermieter brauchen Gäste und keinen Schnee – leider wird aber zu oft Schnee mit Gästen gleichgesetzt. Florida hat keinen Schnee und doch Gäste…
Subventionierte Geschäftsbereich haben nie lange überlebt, egal ob das die Steinkohle in Deutschland, die Schuhindustrie in Italien oder die Elektronikbranche in Europa war.
Die Antwort zu Ihrer Frage ist daher einfach einfach: Man sollte immer in zukunftsweisen und wirtschaftliche langfristig sinnvolle Projekte und Geschäftsbereiche investieren, wobei sichergestellt sein muss, das diese Geschäftsbereiche in absehbare Zeit keine Subventionen mehr benötigen.
Im Skicircus ist es leider derzeit umgekehrt. Die Höhe der notwendigen Subventionen zur Erhaltung des Skibetriebes steigt von Jahr zu Jahr und zeigen eindrucksvoll, dass der Wintertourismus alleine (ab einer bestimmten Höhe) keine Chance mehr hat. Lohnt es sich also in einen solch hoffnungslosen Fall Geld zu investieren wenn es zahlreiche andere Möglichkeiten gibt.
Area47 und St Saveur (Quebec, Canada) zeigen wie man alpine Ganzjahresdestinationen aufbauen kann.
Um mit einer Antwort auf die abschließende Frage von Ulrike Reisner zu beginnen: Sicher ist es auch in Tirol berechtigt, die Frage zu stellen, ob alle Dorflifte, Kleinst- und Kleinschigebiete erhaltungswürdig sind. Manches haben der Markt und die geänderten Rahmenbedingungen ohnehin schon bereinigt. Dennoch macht es Sinn, die Erhaltung von Kleinschigebieten mit öffentlichen Mitteln zu unterstützen. Und dass das kein rein Tiroler Phänomen ist, zeigt die Tatsache, dass beispielsweise auch in Salzburg und Vorarlberg vergleichbare Initiativen laufen bzw. in Vorbereitung sind.
Die Begründungen dafür sind überall dieselben: Es geht um die Sicherung des Nachwuchses für den Schisport und für das Snowboarden, es geht um die Bereitstellung eines Angebotes, das einen Urlaubsort auch für Familien mit Kindern interessant macht und es geht – genauso wie bei Sportplätzen und anderen Freizeitinfrastrukturen – darum, den einheimischen Kindern, Jugendlichen und Familien in Wohnortnähe ein differenziertes Sportangebot zur Verfügung zu stellen, das ohne großen zeitlichen, finanziellen und organisatorischen Aufwand erreicht und benützt werden kann. Neben der rein betriebswirtschaftlichen Rechnung sind daher auch der volkswirtschaftliche und gesellschaftliche Nutzen solcher Investitionen mit auf die Waagschale zu legen. Aber noch einmal: Das ist keinesfalls ein Plädoyer dafür, dass alles was an Liften und Kleinschigebieten irgendwann einmal entstanden ist und noch existiert, unbedingt erhalten werden muss.
Ein weiteres Beispiel zum Thema: http://www.tt.com/tt/home/story.csp?cid=14656769&sid=57&fid=21
Ich gebe Peter Haimayer schon Recht: natürlich sind auch volkswirtschaftliche und gesellschaftliche Aspekte mit zu berücksichtigen. Nur: wenn die Gemeinden ihrerseits mit Müh und Not das Geld zusammenkratzen, um an die Infrastrukturförderung des Landes heranzukommen und die Kurtaxenerhöhung der letzte Finanzierungsausweg ist, dann MUSS es gestattet sein, neben dem betriebswirtschaftlichen auch den volkswirtschaftlichen Kosten-Nutzeneffekt zu hinterfragen.
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