Erster offener Brief zur Tourismusstrategie
Die Überarbeitung der Österreichischen Tourismusstrategie ist, so der Tenor der Initiatoren, ein transparenter und offener Prozess, Anregungen von außen sind erwünscht. Vorauszuschicken ist, dass jede Initiative, die Rahmenbedingungen für die Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich zu verbessern und zu professionalisieren, zu begrüßen und zu unterstützen ist. In diesem Sinne sind dieser erste sowie die in den kommenden Wochen folgenden Offenen Briefe als kritische, aber stets konstruktiv gemeinte Beiträge zur Überarbeitung der Österreichischen Tourismusstrategie zu verstehen.
Wenn wir wollen, dass…
…die Tourismus- und Freizeitwirtschaft künftig nach wie vor ein wesentlicher Exportfaktor der österreichischen Wirtschaft ist,
…die Klein- und Mittelbetriebe dieser Branche künftig nach wie vor einen wichtigen Arbeitsplatzmotor (vor allem in peripheren Regionen) darstellen,
…die Tourismus- und Freizeitwirtschaft künftig nach wie vor attraktive Lebens- und Arbeitsräume erhält und mitgestaltet,
werden wir uns einige grundlegende Fragen stellen und Antworten darauf finden müssen.
Wir brauchen keine weitere Planung der Planung!
Es gilt, gerade jetzt in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft mit unserem fachlichen Know how und unserer Marktkenntnis dazu beizutragen, die Rahmenbedingungen für ein nachhaltiges (touristisches) Wirtschaften in den Destinationen zu erhalten und zu optimieren!
Das ist die neue und große Herausforderung für Politik, Tourismusorganisationen, Interessensvertretungen, Destinationsgesellschaften, Bildungseinrichtungen und viele andere mehr.
Was wir nicht brauchen sind Konzepte, die davon ausgehen, dass…
…Marktwirtschaften – vor allem über öffentliche Interventionen – beliebig steuerbar sind,
…Absatzprobleme und Nachfragerückgänge ausschließlich über die Instrumente des Marketing kompensiert beziehungsweise aufgefangen werden können,
…die öffentliche Hand in den kommenden 15 Jahren im selben Ausmaß in die regionalen Infrastrukturen investieren kann und wird, wie dies in den vergangenen 30 Jahren der Fall war.
Österreich braucht ein klares Bekenntnis zur Tourismuswirtschaft, das bedeutet…
…zu definieren, wie viel Tourismus wir wo, in welcher Form und zu welchen Bedingungen wollen; wir brauchen regionale Differenzierungen, was die Tourismusintensität betrifft!
Österreich braucht Synergien am Standort, das bedeutet…
…den Schulterschluss mit anderen Branchen auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern anzustreben, um die Strukturen in den Regionen und damit das volkswirtschaftliche Kapital zu sichern!
Österreich braucht gesicherte Tourismuswirtschaftsstrukturen, das bedeutet…
…Maßnahmen zur Gegensteuerung von steigenden Kosten (Energie-, Verwaltungs-, Entsorgungs- und Bodenbeschaffungskosten) zu setzen!
Österreich braucht Mehrwert, das bedeutet…
…bessere Ressourcen und die höherwertigen Infrastrukturen auch entsprechend mehrfach zu verwerten – und zwar nicht nur im Tourismus, sondern auch in der Wirtschaft, im Verkehr, in der Umweltpolitik!
Die offenen Briefe zur Tourismusstrategie stellen eine willkommene begleitende Diskussionsmöglichkeit zur Überarbeitung der Österreichischen Tourismusstrategie dar, von der angesichts der positiven Stimmung bei der Tourismus-Enquete in Wien am 30. Oktober 2009 wohl einiges erwartet werden darf. Im Hinblick darauf ist es zweifellos wichtig aufzuzeigen, was wir brauchen und was wir nicht brauchen. Die Gefahr, dass das passiert, was wir nicht brauchen, ist hoffentlich gering. Denn allen, die sich ernsthaft mit dem Tourismus in Österreich befassen ist klar, dass öffentliche Interventionen alleine nicht ausreichen, dass Marketing allein nicht genügt und dass die öffentliche Hand bei Investitionen in regionale Infrastrukturen allein schon aus finanziellen Gründen leiser treten muss. Für das, was wir brauchen, nämlich Standortsynergien, gesicherte Tourismuswirtschaftsstrukturen und Mehrwert bestehen bereits zahlreiche funktionierende Beispiele, die als Best Practice dienen können und die zeigen, wo welche Optimierungen möglich sind und was dazu an Voraussetzungen erforderlich ist. Dennoch wird die Tourismuswirtschaft nach wie vor nicht um die begleitende Unterstützung bzw. Intervention durch die öffentliche Hand herumkommen: Wir brauchen z.B. die Raumplanung bei der regionalen Differenzierung der Tourismusintensität oder bei der Schaffung der Voraussetzungen für Standortsynergien, wir brauchen die öffentliche Hand wenn es gilt, steigenden Kosten wie für Entsorgung oder Bodenbeschaffung entgegenzuwirken und wir brauchen die öffentliche Hand, um durch die Mehrfachnutzung von Infrastrukturen Mehrwert zu schaffen (z.B. öffentlicher Verkehr, Umweltqualität). Es ist also auch bei der Neuorientierung der Österreichischen Tourismusstrategie unabdingbar, dass Tourismuswirtschaft und öffentliche Hand eng zusammenwirken, damit die erwarteten, erfolgversprechenden Wege in die Zukunft nicht nur erarbeitet und formuliert, sondern auch umgesetzt werden. Wenn das gelingt, dann war die positive Stimmung bei der Tourismus-Enquete ein gutes Omen für die Zukunft des österreichischen Tourismus.
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