Digitaler Euro: Droht der Verlust der Privatsphäre?
Im vierten und letzten Teil unserer Miniserie zum elektronischen Euro geht es um die Privatsphäre. Diese ist – was das Wirtschaftsleben betrifft – seit längerem unter Druck. Zum einen politisch. Denken wir daran, dass Barzahlungen europaweit mit 10.000 Euro beschränkt werden. Außerdem müssen die „Gatekeeper“ (also Händler, Immobilienagenturen, Banken etc.) die Identität von Personen ermitteln und überprüfen, wenn diese gelegentlich Bartransaktionen ab 3 000 Euro vornehmen. Zum anderen lockt die Wirtschaft mit Vergünstigungen, um an Information zu unseren Käufen zu kommen. Barzahlungen sollen für den Kunden möglichst unattraktiv werden, weil sie keine wertvollen Daten generieren.
Kein „big brother“
Der digitale Euro kann grundsätzlich in Form von Konten an das Publikum ausgegeben werden, oder in Form von Token. Ein Token ist zunächst nichts anderes als ein, in unserem Fall digitaler Vermögenswert. Die EZB stellt uns in Aussicht, dass künftig über die Banken sogenannte Wallets für digitale Euro eingerichtet und über Referenzkonten oder Bargeld aufgefüllt werden können. Im Sinne der Finanzstabilität soll es allerdings Beschränkungen (Höchstgrenzen) für die Nutzung des digitalen Euro als Wertaufbewahrungsmittel geben.
Zudem soll der Offline-Mechanismus für persönliche Zahlungen unterhalb eines bestimmten Schwellenwerts eine bargeldähnliche Privatsphäre bieten: das Eurosystem hätte kein Interesse an den privaten Zahlungsdaten oder den Zahlungsgewohnheiten der Menschen. Es folgt allerdings gleich eine erhebliche Einschränkung. Die Weitergabe der Daten „an Dritte“ sei erforderlich, um Fälschungen zu vermeiden oder illegale Handlungen zu verhindern.
Damit sind wir politisch an einem wesentlichen Punkt: um Geldwäschern oder Steuerhinterziehern das Leben schwer zu machen, dürfen wir alle keine Bargeldkäufe über 10.000 Euro machen. Unsere Anonymität ist schon bei einem Kauf ab 3.000 Euro nicht mehr gewährleistet. Selbst dann, wenn wir weder Geld waschen noch Terrorismus finanzieren wollen und auch brav unsere Steuern zahlen.
Datenspeicherung
In einer Stellungnahme des Europäischen Datenschutzausschusses vom vergangenen Oktober wurde kritisiert, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen des vorgeschlagenen Mechanismus durch die EZB und die Zahlungsdienstleister nicht klar definiert sei. Gefordert wird eine „Datenschutz-Schwelle“ für Online-Transaktionen, unterhalb derer weder Offline- noch Online-Transaktionen von geringem Wert im Rahmen der Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung zurückverfolgt werden.
Artikel 37 des Vorschlags für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung des digitalen Euro nennt die entsprechenden Vorschriften: Zahlungsdienstleister müssen die Daten zur Aufladung und Auszahlung speichern, darunter den ausgezahlten Betrag; die Kennung des lokalen Speichergeräts für Offline-Zahlungen in digitalen Euro; das Datum und die Uhrzeit der Aufladungs- und Auszahlungstransaktion; sowie die Nummern der zur Aufladung und Auszahlung verwendeten Konten. Allein unter diesem Titel können also Daten des Offline-Zahlungsvorganges mit Kontodaten verknüpft werden. Die Banken, die diese Konten bereitstellen, müssen als „Gatekeeper“ ihre Sorgfaltspflichten wahrnehmen und die Identität des Kontoinhabers feststellen können.
Zahlungsdienstleister sollen Daten aber nach § 34 des Vorschlags auch verarbeiten, um die Durchsetzung von Beschränkungen (Höchstgrenzen) zu prüfen, einschließlich der Überprüfung, ob potenzielle oder bestehende Nutzer des digitalen Euro weitere Konten für den digitalen Euro bei einem anderen Zahlungsdienstleister haben. Anhang IV der Verordnung verspricht in diesem Zusammenhang ein „Nutzer-Alias“.
Wir wissen, dass über die Datenverknüpfung jede Form der Identifizierung möglich ist. Selbstverständlich wird die Einführung eines digitalen Euro daher Auswirkungen haben auf das Grundrecht auf Privatsphäre gemäß Artikel 7 der Charta sowie auf das Grundrecht auf Schutz personenbezogener Daten gemäß Artikel 8 der Charta.
Der Gesetzgeber wird um keine Ausrede verlegen sein, diese Datenverknüpfung zu rechtfertigen: zur Verhütung und Aufdeckung von Betrug, zur Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, zur Erfüllung von Verpflichtungen im Zusammenhang mit Steuern und Steuervermeidung sowie zum Management von Betriebs- und Sicherheitsrisiken.
Geld ist ein Machtmittel. Und der digitale Euro stellt ein sehr flexibles, neues Machtinstrument dar. Dieses kann gebraucht oder auch missbraucht werden.
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Mini-Serie zum digitalen Euro:
Teil1: Digitaler Euro: Wird er das Bargeld ersetzen?
Teil 2: Digitaler Euro: Eine Fluchtwährung?
Danke, liebe Ulrike, für diese sehr gut strukturierte und daher äußerst informative Miniserie.
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