Wie schaut es mit der Regionalität unserer Lebensmittel im Tourismus tatsächlich aus?
Der Feinkostladen oder das Genussland Österreich und einige wohlklingende Initiativen mehr erfreuen uns mit Stolz und Qualitätsbewusstsein. Unsere Bauern, Bioproduzenten, ländlichen Genossenschaften und sonstigen Erzeuger zu stärken und damit auch Landschaftspflege zu betreiben, ist der Bevölkerung gemeinhin ein Anliegen. Dass diese heimischen Erzeugnisse etwas mehr kosten als beispielsweise Produkte aus dem Ausland, wird unter dem Aspekt gewisser Qualitätssiegel akzeptiert, so man es sich leisten kann/will.
Wie fit sind jedoch diese regionalen Produzenten für eine kontinuierliche Lieferkette, wie sie in touristischen Betrieben notwendig ist? Wo funktioniert der Direktvertrieb oder läuft es vielfach über den Großhandel (Spar, Rewe, Metro etc.)? Wir lesen häufig in den Restaurants und Hotels, dass die Zubereitung der Speisen mit regionalen Produkten erfolge. Wir in Österreich nehmen es nicht so genau wie die Schweizer. Dort muss das Herkunftsland/die Region explizit in der Speisekarte angegeben werden. Unsere Erfahrung mit der genauen Provenienz-Bezeichnung haben wir mit dem „Tirol Berg“ bei der Ski–WM in St. Moritz machen „müssen“. Bekanntlich wurde dort Seefelder Wildragout aus Ungarn und Innsbrucker Gröstl aus Deutschland kredenzt. Unter vielen Erfahrungen möchte ich nur eine aus meiner touristischen Praxis schildern. Ein Reiseveranstalter wollte mit einem schmucken Tiroler Bergdorf ein besonderes attraktives Package mit Produkten vom Bauernhof, wohlgemerkt nur für das Frühstück, schnüren. Einbezogen werden sollten nicht nur die Gastgeber in Bauernhöfen, sondern Privatunterkünfte, Apartments und Pensionen, die durchwegs eine Verkaufsunterstützung benötigten. Der lokale Lebensmittelhändler hätte für die Distribution ein Regal in seinem Laden zur Verfügung gestellt. Das Paket scheiterte leider, weil die örtliche Landwirtschaft nicht die laufende Belieferung der Gastgeber und Gäste gewährleisten konnte. Vielleicht mag dies in Niederösterreich mit einigen Großbauern besser gelingen als in den kleinstrukturierten bäuerlichen Betrieben Westösterreichs, wo zudem eine höhere Tourismusintensität herrscht. Jedenfalls drängt sich aber die Frage auf: Ist überall Österreich drin, wo Österreich draufsteht?
Welche Erfahrungen machen Sie dabei, was können wir daraus lernen?
Gastronomen haben wiederholt geklagt, dass kleine Landwirtschaftsbetriebe es nicht schaffen kontinuierlich und verlässlich zu liefern. Es ist auch verständlich, dass da bei Gastronomie und Hotellerie wenig Freude entsteht, das Angebot nicht verlässlich auf der Karte stehen zu haben. Bestenfalls kann dieses Manko aber auch als Vorteil herausgekehrt werden, weil es ein Hinweis auf ebendiese kleinen bäuerlichen Produzenten sind, die wir – wenn sie qualitätsvoll liefern – auch suchen. Dann kann man unter Hinweis auf den kleinen Spezialisten auch einmal mit Überzeugung darauf verweisen, dass der Käse zurzeit nicht zur Verfügung steht, weil die dafür notwendige Reife seine Zeit braucht und dafür höchste Qualität gewährleistet wird.
Die Erfahrungen, von denen Renate Danler berichtet, kann und muss man leider immer wieder machen. Es gibt aber auch gegenteilige Beobachtungen und die werden selbst in Westösterreich immer häufiger.
Zunächst aber kurz zum Tirol Berg bei den Alpinen Skiweltmeisterschaften in St. Moritz. Das mit der Herkunft der Produkte war zweifellos eine unglückliche Geschichte, aus der die Verantwortlichen vermutlich ihre Lehren gezogen haben. Nach meinem Wissensstand war die Verwendung ausländischer Produkte auf Sponsorenverträge zurückzuführen und nicht darauf, dass die Tiroler Land- und Jagdwirtschaft nicht in der Lage gewesen wäre, in ausreichendem Umfang und in bester Qualität zu liefern.
Die Frage nach der Regionalität der Lebensmittel im Tourismus begleitet uns seit Jahren. Obwohl bereits viel geschehen ist, besteht nach wie vor Handlungsbedarf, und zwar auf beiden Seiten: Bei den Gastronomen und bei den regionalen landwirtschaftlichen Produzenten. Es ist aber nicht nur die richtige Einstellung nötig, sondern es braucht angesichts des Kleinstrukturiertheit von Tourismus und Land-wirtschaft vor allem eines: Plattformen, die Mittler sind und die Koordinationsfunktion übernehmen.
Um ganz im Westen zu beginnen. Der Vorarlberger Tourismus und die Vorarlberger Landwirtschaft leisten in Sachen regionale Lebensmittel seit Jahren Pionierarbeit und der Bregenzerwald gilt mit seinem Käse als exzellentes Beispiel für den Einsatz regionaler Produkte im Tourismus. Aber auch hier ist der eigentliche Durchbruch erst erfolgt, als mit der Bregenzerwälder Käsestraße eine Plattform zur Koordination nach innen und für die Kommunikation nach außen geschaffen wurde.
In Kals am Großglockner gibt es bei 2.200 Gästebetten wohl kaum einen Beherbergungs- und Gastronomiebetrieb, der nicht den Kalser Ziegenkäse auf seiner Speise- bzw. Frühstückskarte hat. Das ist zum einen darauf zurückzuführen, dass in der Gemeinde ein leistungsfähiger Ziegenbauer absolut professionell agiert, und zum anderen sind dafür das Selbstverständnis und der Zusammenhalt im Ort ver-antwortlich, wo alle wissen, dass sie im gleichen Boot sitzen.
Der Talmarkt in Matrei in Osttirol, der landwirtschaftliche Produkte aus dem oberen Iseltal anbietet, besteht seit Dezember 2014. Schon im zweiten vollen Betriebsjahr schreibt er schwarze Zahlen, wobei rund 60 % des Umsatzes an die Lieferanten ausbezahlt werden. Zudem und unabhängig vom Talmarkt beliefern dieselben Produzenten auch die heimische Hotellerie und Gastronomie, deren Spitzenbetriebe sich bei den Grundprodukten durch ein Höchstmaß an Regionalität auszeichnen. In direktem Zusammenhang damit ist die Inbetriebnahme der Almsennerei Gschlößtal ab dem Sommer 2017 zu sehen, welche die gesamte Milch des Tauerntals zu Butter und Käse für den regionalen Bedarf verarbeiten wird.
Dass die Sache auch unmittelbar mit der Hotellerie funktioniert, selbst bei einer größeren Zahl an Betten im obersten Qualitätssegment, beweist das Gradonna Mountain Resort, ein 4*S Betrieb mit nahezu 500 Gästebetten in Kals am Großglockner. Den Ziegenkäse und die gesamte Milch liefern zwei örtliche Bauern, Butter, Joghurt und Graukäse kommen von Bauern aus der Nachbargemeinde. Brot, Fleisch, Marmelade, Säfte und zahlreiche andere Produkte bezieht das Hotel aus dem übrigen Osttirol und damit aus einem Umkreis von maximal 70 Kilometern.
Die Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen, auch und gerade für die kleinteiligen Strukturen des alpinen Westösterreich. Gemeinsam ist nahezu allen Erfolgsmodellen, dass Tourismus und Landwirtschaft alte Pfade verlassen, die Nachteile ihrer Kleinstrukturiertheit umschifft und die Voraussetzungen für die organisatorische Abwicklung professioneller Lieferanten-Kundenbeziehungen geschaffen haben.
Es muss nicht alles jederzeit zur Verfügung stehen. Natürlich ist es einfach, wenn ein Angebot geschrieben wird und dieses die ganze Saison lang nicht geändert werden muss. In kleinen Strukturen ist das nicht bei allen Artikeln möglich. Und ich denke, dass gerade das den Unterschied ausmacht. Jeden Tag eine kleine Überraschung – das ist doch nett!
Solange es einen gewissen Preisdruck bei den Tourismusangeboten gibt (Last-Minute, Schnäppchen über diverse Onlineplattformen, etc.) wird beim Essen wohl auch an der Kostenschraube gedreht.
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