7. Februar 2012 | 08:56 | Kategorie:
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Tourismusstimme der Woche: Michael Anfang

Seit Wochen wird hitzig über die zum Teil empfindlichen Erhöhungen der Kommissionen bei den führenden Buchungsplattformen diskutiert, Hoteliers rufen zum Boykott auf. In der „Tourismusstimme der Woche“ kritisiert Michael Anfang, Marketingleiter des Ötztaler Hotels „Edelweiss&Gurgl“, die Abhängigkeit der Hotellerie von externen Vertriebskanälen, die über viele Jahre kultiviert wurde. Im Gegensatz wurden die Hausaufgaben in Bereich der direkten Vermarktung und Buchbarkeit vernachlässigt, eine Tatsache, die sich nun vielfach rächt, so Anfang. Nach eigenen Angaben vermarkte sich das Hotel „Edelweiss&Gurgl“ sowohl im Winter als auch im Sommer erfolgreich eigenständig – ohne Buchungsplattformen und Sonderrabatte – dafür aber mit internem Anfragemanagement, professionell geschulter Verkaufsabteilung und optimierter aktiver Selbstvermarktung.

https://vimeo.com/36304219

Das Procedere der Buchungsplattformen beschreibt Anfang im Gespräch mit dem TP-Blog so: „Buchungsplattformen bringen nicht nur eigene Gäste bzw. User sondern haben erkannt dass es viel einfacher ist, den Hoteliers die Stammgäste wegzunehmen (speziell in der Ferienhotellerie). Viele Hoteliers haben die Plattformen dabei noch kräftig unterstützt – mit Topkonditionen. Im Gegensatz zu einem einzelnen Hotel können Buchungsplattformen höchst effizient Google Adwords schalten, denn die Plattform verdient immer, egal in welchem Hotel der Kunde bucht. Der Hotelier verdient nur dann wenn sein Hotel gebucht wird. Ein Vertrag mit einer Buchungsplattform ist ein Vertrag zwischen David und Goliath! Beispiel: Ein Freund erzählt von seinem tollen Urlaub in Ihrem Hotel. Der interessierte Zuhörer googelt Ihr Hotel mit Ihrem Hotelnamen und Ort. Sie haben brav Ihre Homepage optimiert und erscheinen an 1. Position. Hurra! Leider verliebt sich der Neue Gast in die Anzeige am Obersten Rand. Jetzt „Ihre Hotel-Marke“ -20% buchen. Das ist eindeutig günstiger…“

Wer vor allem auf Buchungsplattformen setzt, warnt Anfang, begebe sich mit seinem Angebot vorsätzlich in eine Spirale nach unten. „Die Zeit“, so fordert Anfang eindeutig, „schreit nach einem eigenen Vertrieb (entweder alleine oder in Allianzen).“ Und der Marketingfachmann zieht an dieser Stelle einen Vergleich mit der Industrie: „Es gibt viele Firmen die „nur“ einen Vertrieb aber kein Marketing haben, aber nur sehr wenige die ein Marketing haben aber keinen Vertrieb. In der Hotellerie gibt es kaum Hotels die einen aktiven Vertrieb haben – Plattformen hingegen sind Vertriebs-Spezialisten, die von den Provisionen gut leben können. Für den sogenannten Leistungserbringer bleiben nur die berühmten 80% übrig, und davon kann leider fast kein Hotel dauerhaft leben. Dazu kommt noch der Verlust der eigenen Internet Identität und eine Verwässerung der Hotel-Marke!“

8. Februar 2012, 16:08

Österreichs Tourismus gibt pro Jahr mehr als 350 Mio. Euro für Marketing aus. Umgelegt auf die Zahl der Ankünfte (im Vorjahr waren das 34,6 Mio.) sind das mehr als 10 Euro pro Gast. Warum die ÖW und einzelne LTOs für die Abwicklung von Buchungen, die aus diesen Marketingausgaben resultieren, ständig steigende Kommissionen an Buchungsplattformen abliefern anstatt in eine günstigere Alternative zu investieren, muss zur Diskussion stehen, wenn landauf, landab über Sparpakete und Mehrbelastungen diskutiert wird. Um einen Branchenexperten zu zitieren: „Hier sind mittel- und langfristige Strategien gefragt.“

Umso mehr, als die neuen AGBs – in dem Fall von HRS – noch lange nicht das Ende der Fahnenstange sein werden: Wenn die Hotellerie das einfach akzeptiert, werden die nächsten Belastungspläne aus der Schublade geholt. Das ist nicht unser Zugang: Wir setzen uns für einen fairen Wettbewerb ein.

Dass das notwendig ist, liegt auf der Hand. Denn die systematische Benachteiligung der Hotellerie (Raten-, Verfügbarkeits- und Konditionsparität, vorgegebene Zahlungsbedingungen, nachteilige Stornobedingungen und automatischer Content-Austausch zwischen den marktführenden Plattformen) geht mit weiteren Marktanteilsgewinnen einher. Viele Hoteliers sehen sich nicht imstande, ihren Vertrag einfach zu kündigen. Daher gehen wir gegen die Vertragsänderung vor und zeigen das bei der Wettbewerbsbehörde an. Denn dass HRS die „Eckpunkte fairen Verhaltens von Hotel- und Buchungsplattformen“ aber sowas von egal sind, steht spätestens seit der Änderung der AGBs zu Lasten der Hotellerie fest.

Parallel dazu muss die Performance der österreichischen Hotellerie im Online-Bereich verbessert werden. Bei Leitfäden und Seminaren ist speziell darauf zu achten, dass sie den Fokus auf die Stärkung des Direktvertriebs legen! Auf http://www.oehv.at finden sie ein whitepaper zum e-commerce.

8. Februar 2012, 17:44

Best practice aus Obergurgl – lösungsorientiertes Denken und umsetzen von Massnahmen, anstatt jammern und streiken!

Bravo Mike, Bravo Edelweiss&Gurgl!

9. Februar 2012, 14:38

Nur zur Erinnerung: als es sich abzeichnete, dass Tiscover zur Disposition stehen wird, haben wirklich alle – mit rühmlicher Ausnahme von Initiativen aus OÖ -den Kopf in den Sand gesteckt.

11. Februar 2012, 12:19

Sehen Sie auch die Neuesten Entwicklungen zu diesem Thema.
Meistbegünstigungsklausel HRS
http://www.nikos-weinwelten.de/home/beitrag/archive/2012/february/10/abmahnung_fuer_hotelvermittler_hrs_vom_bundeskartellamt/index.htm

11. Februar 2012, 14:00

Portale fischen Buchungen ab!
http://www.ahgz.de/marktdaten/portale-fischen-buchungen-ab,200012187229.html

12. Februar 2012, 20:58

Bravo Michael,
ich kann zu 100% zustimmen! Man sollte nicht vergessen, dass wir in Tirol vor ca. 20 Jahren weit voraus waren: Damals wurde TIS (Tiroler Informations System) gegründet. Tirol stand im Mittelpunkt und es wurde viel Zeit und Know How von Touristikern eingebracht und schließlich auch mit viel Tiroler Geld ein zukunftsweisendes neuartiges System entwickelt. Plötzlich hieß dann TIS Tourismus Informations System und ganz Österreich konnte mitmachen! Usw., usw., bis dann TIScover kam und erfolgreich wurde und letztendlich an HRS verkauft wurde. Und jetzt fällt uns das auf den Kopf!

Wir können ja wieder etwas Neues erfinden, nur sollten wir dann richtig damit umgehen! Besten Gruss aus dem PillerseeTal, Toni

13. Februar 2012, 10:11

Schön, dass endlich jemand den Schritt wagt und die Worte Abhängigkeit und „selbst kutiviert“ verwendet!
Es war schon immer das Wichtigste selbst aktiv zu sein und sich nicht nur auf andere zu verlassen – da sind viele leider etwas zu bequem geworden – Themen die meine Arbeit täglich beeinflussen!!! Vielen Dank Michael, dass du mit deinem Fachwissen und Weitblick sicherlich auch in Zukunft punkten kannst und Erfahrungen weitergeben kannst!!! Liebe Grüße Thomas

13. Februar 2012, 12:14

Bei der Präsentation der „Tourismusanalyse 2012“ von der FH Salzburg und der Stiftung für Zukunftsfragen letzter Woche, hat FH-Prof. Dr. Ulrich Reinhardt (Institut für Zukunftsforschung) gemeint, dass (deutsche) Gäste es bevorzugen würden direkt bei der Destination zu buchen. Auch aus dem einfachen Grund, dass sie dann direkt vor Ort die Möglichkeit haben persönlich mit dem Verkäufer in Kontakt zu treten, falls es Probleme oder Fragen gibt.

Dies muss sich nicht nur auf die Buchung der Unterkünfte beziehen sondern auch auf alle anderen touristischen Angebote.

Daher sehe ich persönlich ein großes Potenzial wenn sich der Vertrieb weg von großen Buchungsplattformen und sich in Richtung von Destinationen, LTOs und eigenen Homepages bewegt.

18. Februar 2012, 19:53

Best practice aus Obergurgl – lösungsorientiertes Denken und umsetzen von Massnahmen, anstatt jammern und streiken!

Bravo Mike, Bravo Edelweiss&Gurgl!

20. Februar 2012, 12:46

Ich habe Michael Anfang auf einer Firmenveranstaltung bei Physiotherm kennengelernt, auch Herr Scheiber ist mir bestens bekannt. Anstatt, wie in vielen Bereichen des Tourismus üblich, zu jammern, gehen diese frischen Kräfte einen konstanten und mutigen Weg. Gratulation von meiner Seite!
In meiner Rolle als Entwickler und Clustermanager für den Standort Tirol laden wir Tourismusbetriebe ein, ebenfalls diesen Weg zu beschreiten. Mit März dieses Jahres veröffentlichen wir einen „Innovationswegweiser“, der den Betrieben bei der Formulierung eines konkreten Maßnahmenpakets unter die Arme greifen wird. Auch Coachings und Vor-Ort-Maßnahmen sind möglich. Ich freue mich über Rückmeldung!

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