Neue Methoden der Statistik – ein Gewinn!
Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) ließ vor einigen Wochen aufhorchen, als sie auf Basis von Kreditkarten-Umsätzen für den August 2021 einen Anstieg touristischer Übernachtungen um 15 Prozent (ausländische Gäste plus 27 %, inländische Gäste minus 6 %) gegenüber dem Vergleichsmonat des Vorjahres errechnet hat. Wirklich überraschend war, dass die OeNB sogar im Vergleich zum Rekordsommer 2019 ein Nächtigungs-Plus von 2 % ausgewiesen hat.
Es ist großartig, wenn zur statistischen Einordnung auch neue Quellen frühzeitig zur Verfügung stehen!
Die Sensationsmeldung wurde jetzt im Rahmen der monatlichen Nächtigungsstatistik der Statistik Austria durch die IST-Zahlen bestätigt. In Österreich wurden tatsächlich um 2,3 % mehr Nächtigungen erzielt als im Vorkrisenmonat August 2019. Nur das Verhältnis zwischen inländischen und ausländischen Gästen konnten via des bargeldlosen Zahlungsverkehrs nicht korrekt analysiert werden.
Die Übernachtungen ausländischer Gäste waren um 2,1% rückläufig. Die Nächtigungen inländischer Gäste zogen hingegen um 14,3 % an.
Im Sinne eines lebhaften Dialogs darf ich eine kritische Anmerkung zu der Prognose der OeNB machen. Denn, Sie haben Recht, Herr Reisenzahn, die Treffsicherheit ist verblüffend hoch.
Zum Nachlesen für alle hier der Link zur Presseaussendung der OeNB vom 8.9.2021:
https://www.oenb.at/Presse/20210908.html
und zur Pressemeldung der Statistik Austria vom 28.9.2021:
http://statistik.at/web_de/presse/126772.html
Tatsächlich beschleicht mich bei längerem Nachdenken ein zweispältiges Gefühl, wenn ich mich frage, was denn hier wie und wo aufgezeichnet, ausgewertet und hochgerechnet wird. Ähnlich wie im Winter, als Markus Redl im Zusammenhang mit der Kontingentierung in Skigebieten davon sprach, dass im Kurort Semmering „Kurort-Semmering auf relativ engem Raum am frühen Nachmittag bei höchstem Füllstand im Messkorridor für die anonymisierten Mobilfunkbewegungsdaten an manchen Tagen rund 3.000 Personen aufhältig, während das Skigebiet Zauberberg Semmering zur gleichen Zeit in seinem Bereich (eigener Kundenparkplatz, gesamtes Skigebiet) 1.000 Gäste hatte„.
Dieses Beispiel führt uns vor Augen, in welch disruptiven Zeiten wir leben: Während das klassische Meldewesen träge hinterherhinkt, kann die Finanzwirtschaft wesentlich unmittelbarer Auskunft über Zahlungs- und andere -ströme geben. Der Spruch „Geld regiert die Welt“ bekommt vor diesem Hintergrund neue Dimensionen.
Eine in Hamburg durchgeführte Auswertung von Kreditkarten- und Bankomatkartendaten hat ergeben, dass zusätzlich zur Zahl der offiziell gemeldeten Nächtigungen nocheinmal soviele Nächtigungen tatsächlich anfallen. Diese werden bei Freunden, Bekannten und Verwandten (oder wohl auch in nicht gemeldeten Air-B&B-Unterkünften) durchgeführt.
Zusätzliche Daten bringen auch wieder zusätzliche neue Erkenntnisse.Es ist wohl an der Zeit, dass auch die offiziellen Statistiken neue Quellen für ihre Erkenntnisse eröffnen.
Interessant dabei ist, dass diese quantitative Volumensmessung bei der Acquirer Bank (Händlerbank) stattfindet. Diese Bank hat mit den Beherbergungsbetrieben einen Abwicklungsvertrag und verlangt für ihre Dienstleistung der Abrechnung (Abwicklung) eine vom Umsatz der getätigten Zahlung abhängige Provision. Dementsprechend werden die Kreditkartenzahlungen (Ausland, Inland) und deren Volumen bei der Berechnung herangezogen. Zur erfreulichen Treffsicherheit trägt auch noch der Umstand bei, dass der bargeldlose Zahlungsverkehr dank Corona einen Hype erlebt. Und all dies wird, so ist zu hoffen, mit dem Bankgeheimnis schon irgendwie konform gehen….
Neben traditionellen tourismusstatistischen Erhebungen, insbesondere der monatlichen Nächtigungsstatistik und den vierteljährlichen Befragungen zu den Urlaubs- und Geschäftsreisen der österreichischen Bevölkerung, fließen Datenquellen, die unter dem Sammelbegriff „Big data“ bekannt sind, bereits seit geraumer Zeit in die Berechnung von Tourismus- und Reisestatistiken der Statistik Austria ein. So werden Informationen zu Kredit- und Bankomatkartentransaktionen zur Erstellung der Reiseverkehrsbilanz und des Tourismus-Satellitenkontos seit 2006 genutzt, die in bereinigter Form für Zuschätzungen, Plausibilisierungszwecke und die Erstellung detaillierter Herkunfts- und Ziellandgliederungen verwendet werden. Dabei erfolgt auch eine laufende Evaluierung der Entwicklung von Qualität, quantitativer Bedeutung und Erschließung von Zugangsmöglichkeiten der Datenquelle, was mit einer im Jahr 2022 in Kraft tretenden Verordnung der Europäischen Zentralbank (EZB) weitere Chancen eröffnet. – Neben diesen Zahlungsinformationen werden seit 2021 auch Mobilfunkpositionsdaten für die Gewichtung der Stichprobenerhebung zu den Urlaubs- und Geschäftsreisen herangezogen.
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