Nach dem Winter ist vor dem Winter
Die Wintersaison 2022/2023 wird für den österreichischen Skitourismus leider wieder kein „business as usual“: Ja, die Corona-Pandemie wird wohl noch eine Rolle spielen, mögen uns zumindest weitere Zoonosen dieser Tragweite erspart bleiben!
Aber die hohe Preissteigerung und eine mögliche Energieknappheit werden die Branche ebenfalls hart treffen. Denn schon bisher beherrschen zwei Erzählungen die Debatte zum Schneesport: Einerseits sei Skifahren (zumindest „für die breite Masse“) geradezu unleistbar teuer, andererseits ein von der Umweltbelastung bzw. vom Energieverbrauch her zweifelhaftes Vergnügen geworden.
Inflation ungewohnten Ausmaßes
Alljährlich wird im Herbst zur Preissteigerung bei den Liftkarten – zumeist die Erwachsenen-Tageskarte in der Hauptsaison – berichtet, traditionell mit mehr als nur einem kritischen Unterton. Die bei größeren Skigebieten gewohnten Preissprünge zwischen 1,50 und 3,00 Euro werden aller Voraussicht nach heuer nicht ausreichen. Entsprach dies bis dato (je nach Preisniveau) einer Steigerung von weniger als 5 %, so könnte jetzt deutlich mehr notwendig sein. Einerseits müssen eklatant höhere Energiepreise, andererseits z.B. auch steigende Personalkosten berücksichtigt werden. Denn Skigebiete werden zunehmend über Tarif zahlen müssen, um betriebsnotwendiges Personal an sich zu binden.
Was die Leistbarkeit des Skifahrens anbelangt, konnte die Branche viele Jahre lang auf den nachweislichen Markterfolg und geringe Preissensibilität verweisen, mehr als 50 Millionen Skier Days pro Wintersaison sprechen für sich — wurden seit der Pandemie allerdings auch nicht mehr erreicht. Die allgemeine Einkommensentwicklung wird sich hoffentlich mit der Zeit der Inflation anpassen. Zumal die für einen Skiurlaub relevante Preissteigerung mit Unterkunft & Co. sicherlich über den Verbraucherpreisindex (im April 2022 bereits 7,2 % zum Vorjahresmonat) hinausgeht.
Maßnahmen gegen gedämpfte Nachfrage: internationale Erfahrungen
Dynamische Preismodelle für Tages- und Mehrtageskarten sowie Modelle stark vergünstigter Saisonkarten werden in der Schweiz bereits seit geraumer Zeit eingesetzt. Eine im Mai 2020 publizierte, von Seilbahnen Schweiz bei der Hochschule Luzern beauftragte Studie zeigt u.a., dass im Rahmen von dynamischen Preismodellen „Tariferhöhungen (für einzelne Tickets oder für einzelne Saisonphasen) flexibler und diskreter durchgeführt werden“ können. Und auf einzelne Skigebiete bezogen: „Eine günstige Saisonkarte hat Versicherungsfunktion und stützt die Erträge in schwierigen Jahren. In guten Jahren wird jedoch das Upside-Potenzial eingeschränkt.“
In Nordamerika hat sich die Branche in den letzten Jahren strukturell stark gewandelt: Die großen Gruppen Vail Resorts und Alterra vertreiben mit Epic Pass bzw. Ikon Pass sehr erfolgreiche Saisonkartenprodukte, Auslastung und Erlöse verbesserten sich massiv (Preisentwicklung bei Parks & Trips). Im Vorwort zum 2019 erschienen, absolut lesenswerten Buch „Ski Inc. 2020 : Alterra counters Vail Resorts; mega-passes transform the landscape; the industry responds and flourishes. For skiing? A North American Renaissance.” schreibt Autor Chris Diamond dazu: „It is my view that these recent changes have rescued skiing from the trend of becoming, in effect, a rich person’s sport.“ Vail Resorts hat für die kommende Wintersaison festgelegt, dass in der Hochsaison Gäste mit Epic Pass bevorzugt aufgenommen werden.
Ausblick für Österreich
Die Rahmenbedingungen in der Schweiz oder Nordamerika sind mit Österreich nicht vergleichbar, unterscheiden sich teilweise doch sehr. Preisdumping mit günstigen Saisonkarten einzelner Marktteilnehmer scheint jedoch auch bei uns keine smarte Strategie. Am Inlandsmarkt sind Ganzjahresangebote wie das Freizeitticket Tirol bemerkenswert erfolgreich darin, der bergsportlich interessierten Wohnbevölkerung ein attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis anzubieten. Da lohnt es sich weiter und (noch) größer zu denken: Beispielsweise an ein Produkt für praktisch alle bergtouristischen Angebote in Österreich, das in Kombination mit dem Klimaticket erworben werden kann — womit auch das entscheidende ökologische Thema der An- und Abreise adressiert wäre.
Eine allfällige Energieknappheit im kommenden Herbst (Grundbeschneiung im November!) und Winter hängt wie ein Damoklesschwert über dem Skitourismus. Nur wenige Skigebiete können sich selbst mit Strom versorgen. Nicht auszudenken, wenn der Betrieb von Skigebieten generell zugunsten von „kritischer Infrastruktur“ zurückgestellt werden muss. Das hätte wohl für viele alpine Regionen einschneidende Konsequenzen, der volkswirtschaftliche Schaden wäre enorm.
Hoffentlich bleibt uns auch erspart, darüber zu entscheiden, welche Skigebiete – z.B. aufgrund ihres Wertschöpfungspotentiales und/oder ihres hohen Freizeitnutzens für die Bevölkerung – in Betrieb gehen dürfen, während andere geschlossen bleiben müssen. Eine solche Situation würde erfordern, dass die Auslastung der verbleibenden Skigebiete optimiert wird – es weder zu gefährlicher Überlastung noch zu Unterauslastung kommt. Diese Art der Besucherstromlenkung ist zwar ohnehin überfällig, möge sie jedoch nicht in einem solchen veritablen „Horrorszenario“ erzwungen werden.
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