12. Dezember 2024 | 08:53 | Kategorie:
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Lassen sich Nächtigungsrekorde mit Nachhaltigkeit verbinden?

Einerseits ist es ja durchaus erfreulich, wenn der österreichische Tourismus sich nach Corona offensichtlich, zumindest was die Nächtigungszahlen betrifft, nicht nur erholt hat, sondern auch bereits neue Rekorde erreicht.

Soweit die eine Seite der Medaille; andererseits wird aber auch das Thema Nachhaltigkeit mit einer wahren Welle an Maßnahmen und Aussendungen in der Vordergrund gerückt, um Österreich als Musterschüler in dieser Kategorie anzupreisen….vom Nachhaltigkeitsbeauftragten in Tiroler Tourismusverbänden bis zum österreichischen Umweltzeichen u.v.m.

Doch wie passt das zusammen?

Nächtigungsrekorde sind wohl mehr oder weniger zwangsläufig mit zahlreichen negativen Aspekten verbunden, wie ausuferndem Verkehr und damit verbundenen Emissionen, überfüllten touristischen Hotspots (Overtourism), steigenden oder teils für Einheimische immer weniger erschwinglichen Immobilienpreisen. Mehrfach wurde die Abkehr von der Kommunikation reiner Nächtigungsrekorde angekündigt, ebenso wiederholt straft man sich selbst Lügen, wenn genau das ( wie in den letzten Tagen zu lesen ) jubelnd der Öffentlichkeit verkündet wird.

Wie glaubwürdig sind die zweifellos zahlreich vorhandenen Bestrebungen, den Tourismus so sozial- und umweltverträglich wie möglich zu gestalten, wenn dies gleichzeitig mit immer mehr Verkehr, verstopften Strassen und überfüllten Sehenswürdigkeiten und Freizeitangeboten verbunden ist?

Weniger ist….mehr?

Im internationalen Vergleich sind wir in Österreich sicher auf einem guten Weg – es darf dabei jedoch nicht die Stimmung in der Bevölkerung außer Acht gelassen werden, und auch die Glaubwürdigkeit der touristischen Kommunikation. Denn wird einerseits über eine Vielzahl an Belastungen und Bedrohungen – von Preissteigerung bis Mitarbeiternot – geklagt, scheint das in der öffentlichen Wahrnehmung wenig plausibel, wenn kurz darauf bereits wieder neue Rekorde eingefahren werden können?

Somit bewahrheitet sich einmal mehr das Sprichwort: „Jede Medaille hat bekanntlich 2 Seiten“, und im Sinne eines wirklich nachhaltigen Tourismus, der die Interessen, Befürchtungen und Erwartungen der in Österreich wohnenden Menschen ernstnimmt, wäre hier wohl „etwas weniger vielleicht manchmal doch viel mehr“…..?

Die Geister , die ich rief….

International gibt es ja schon ausreichend (und abschreckende) Beispiele, wie es läuft, wenn der Tourismus von einem beträchtlichen Teil der Bevölkerung nicht mehr als „Heilsbringer“, sondern als Bedrohung des täglichen Lebens, der sozialen Kontakte gesehen wird. Wenn die Bevölkerung beinahe (ökonomisch oder mangels leistbarem Angebots) gezwungen wird, aus den (touristisch) attraktiven Gebieten abzuwandern, weil der Wohnraum nicht (mehr) vorhanden, lukrativer (touristisch) vermietet oder leistbar ist.

Im Sinne der wirklichen, menschzentrierten Nachhaltigkeit sollten wir im Tourismus daher, frei nach dem Spruch „Die Geister die ich rief, ich werd sie nicht mehr los“, jedenfalls alles dransetzen, den (teils fortgeschrittenen) Anfängen zu wehren, ohne die Fehler anderer Länder gleichfalls zu machen. Schlussendlich gehört auch Glaubwürdigkeit zur Nachhaltigkeit, und ohne Selbstbeschränkung kann es hier, wie auch hinsichtlich der Klimakrise, wohl kaum gehen.

Was meinen Sie?

12. Dezember 2024, 10:19

Lieber Gernot,
ich war auch verwundert. Dann hab ich geschaut, wer diese Meldung veröffentlicht hat.
Es ist eine Presseaussendung der Statistik Austria die beschreibt, dass sie noch nie so viele Nächtigungen gezählt haben. Und sie machen sich auch die Mühe, ihre Zählarbeit sehr detailliert zu beschreiben.

Während die Tourismusbranche seit Jahren versucht, andere KPIs als relevant zu etablieren, kommen solche Zahlenmeldungen von politischen oder statistischen Institutionen – oft ohne Einbettung in größere Zusammenhänge.
Es wäre dringend nötig, Steuerungsmechanismen zu schaffen, die solche Botschaften in den Kontext aktueller strategischer Ziele setzen. Momentan scheint niemand zuständig zu sein, diese Diskrepanz zu moderieren.

14. Dezember 2024, 7:33

Lieber Gernot, lieber Reinhard!
Wenn das die Branche selbst regeln soll, dann heißt das Motto wohl Preisdurchsetzung: insgesamt besser bzw. vernünftig kalkulieren, also wahrscheinlich teurer, bei geringeren Saison unterschieden. Auch wenn man das den Medien und Gästen erklären wird müssen.
Bei den sog. Hotspots (Overtourismus) wird es grosso modo ohne Zutrittsbeschränkungen (slots) und Zutrittspreisen nicht gehen.
Weniger Moral, mehr Markt?

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