Warum alpine Freizeitparks nachhaltig sind
Wenn sich für die Zeit nach der Pandemie im alpinen Tourismus ein neues Paradigma abzeichnet, dann dass digitale Instrumente wirkungsvolle Besucherstromlenkung ermöglichen, somit eine optimale Auslastung der Infrastruktur bzw. ganz allgemein der Ressourcen. Das wiederum ist (vergleichbar zu öffentlichen Verkehrsmitteln oder verdichtetem Wohnen in der Stadt) Voraussetzung für ein höheres Niveau bei der Nachhaltigkeit – auch und gerade im Hochfrequenztourismus.
Konzentration, um Entlastung zu schaffen
Denn selbstverständlich sind es puncto Ressourcenverbrauch gute Voraussetzungen, wenn sich sehr viele Menschen auf – relativ gesehen – überschaubarer Fläche aufhalten und bewegen. In einem bemerkenswerten Interview („Warum Ski fahren besser ist als sein Ruf“) antwortete BOKU-Professorin Ulrike Pröbstl-Haider unlängst in der Süddeutschen Zeitung auf die Frage, ob „aus ökologisch-raumplanerischer Sicht die viel geächteten Bespaßungsorte oder Freizeitparks also gar nicht so schlimm“ seien, wie folgt: „Genauso ist es — wenn es uns dadurch gelingt, dort viele Menschen zu konzentrieren und den Rest der Landschaft zu entlasten.“
Dazu passend hat sich in seinem neuen Bergwelten-Newsletter Klaus Haselböck gerade zur „Zukunft des Skitourengehens“ geäußert; einige seiner Kernaussagen lauten:
- Die Grenzen [des Skitourengehens, gerade auch Aufstiegshilfen-unterstützt] zum Freeriden sind fließend.
- Die Piste [ist] der Ort, wo Tourengehen über die letzten Jahre das eigentliche Wachstum hingelegt hat.
- Ein Aspekt dieser Lenkungsmaßnahmen [Anm.: um die Konflikte zwischen Pistenskifahrern, Tourengehern und Liftbetreibern zu entschärfen] sind Skitourenparks.
- Ausrüstung als Gamechanger: „Extrem leichtes und alpin genormtes Material wird in den nächsten Jahren kommen. Die Kunden kaufen die Features zum Tourengehen einfach mit, und ihnen stehen dann beide Welten offen.“ (Dynafit-Geschäftsführer Benedikt Böhm)
- Das Pistengehen [ist] keine schlechtere Variante oder gar eine Rückentwicklung des Tourensports. Es vergrößert vielmehr das Angebot, kanalisiert das massive Interesse, entlastet damit die Natur und bietet Einsteigern eine perfekte Lernumgebung.
Ihr Autor meint daher:
Egal auf welcher Betrachtungsebene, ob jener des einzelnen Skigebietes bzw. Bergresorts oder einer ganzen Region, lautet nicht die zentrale gesellschaftliche Aufgabe des Tourismus, den Freizeit- und Erholungsnutzen für die Gäste zu optimieren – und zwar im Kollektiv und nicht für das Individuum? Also nicht das ultimative Erlebnis für einige wenige Auserwählte, sondern das aus Ressourcensicht „leistbare“ für die Massen. Der Hebel dazu ist die geschickte Nutzung bzw. möglichst gleichmäßig hohe Auslastung von Infra- und Suprastruktur.
Wobei es wahrscheinlich nicht nur um den „Erholungswert“ geht, denn mitten in der alpinen Kulturlandschaft Sport zu treiben, schafft im besten Fall emotionale Nähe und Verständnis – auch und gerade bei Menschen aus den Ballungszentren.
Digitalisierung der Kundenprozesse
Die möglichst optimale Erlebnisqualität aller Gäste zur Richtschnur des touristischen Handelns zu erklären, klingt auch betriebswirtschaftlich vernünftig. Denn natürlich werden die durchsetzbaren Erlöse mit subjektiv erhöhter Sicherheit und verbessertem Komfort mit steigen. Also konkret: Für den reservierten Sitz- oder Parkplatz, für das zwar gut gefüllte, aber eben nicht (und auch nicht vorübergehend) überfüllte Skigebiet, genauso für die Nutzung des Skitourenparks, die zur vereinbarten Zeit sofort verfügbare Leihausrüstung oder Skilehrerin werden Gäste in Zukunft ganz selbstverständlich bezahlen.
Sind die Kundenprozesse erst einmal digitalisiert, dann kann die Besucherlenkung auf einer entsprechend „dynamischen“ Produkt- und Preispolitik aufbauen. Es geht ganz klassisch darum, Angebot und Nachfrage gut zusammenzuführen. Das erklärt auch, warum „Kontingentierung“ als zahlenmäßige Obergrenze für alle Ressourcen/die einzelnen Angebotsteile bezogen auf eine sinnvolle Zeiteinheit, notwendig ist. Beispielsweise finden die von Haus aus weniger beliebten Nachmittagskarten (manchmal mangels Alternativen) auch ihre Käufer*innen, was der Entzerrung der Besucherströme nur guttut.
Die Konzentration von Wintersportaktivitäten in alpinen Freizeitparks, wie sie Markus Redl anspricht, ist ein hilfreicher Ansatz zu mehr Umweltschonung und Nachhaltigkeit im alpinen Tourismus. Allerdings ist anzumerken, dass räumliche Konzentration lediglich ein Aspekt von Nachhaltigkeit ist und daneben noch anderer Faktoren wie Sozialverträglichkeit, ökonomische Verankerung in der Region, Energieeffizienz oder Umfang und Struktur der Verkehrsflüsse eine Rolle spielen.
Das Skitourengehen ist seit Jahren ein Boom und zweifelsohne sind dabei die Pistenskitouren ein bedeutender Push-Faktor. Vermutlich würden viele mit dem Skitourengehen erst gar nicht beginnen, wenn es die Einstiegsdroge Pistenskitouren – natürlich verbunden mit einer zunehmenden Optimierung des Equipments – nicht gäbe.
Allerdings denke ich, dass das Pistentourenangebot bzw. die Skitourenparks langfristig keinesfalls zu einer Entlastung der freien Skitourenlandschaft führen. Denn früher oder später drängen diejenigen, die auf den Pisten ihre Grundlektionen im Skitourenlauf absolviert haben, auch in den freien Skiraum und die klassischen Skitourengebiete.
Lenkungsmaßnahmen, wie sie Markus Redl für die alpinen Freizeitparks anspricht, werden dann auch im klassischen Skitourenraum in vermehrtem Maße notwendig sein. Sie findet dort ja auch bereits jetzt statt, etwa durch die Verortung und Größe von Parkplätzen, Markierungen, Kontrollstellen mit LVS-Check-Geräten, die Ausweisung von Wildruhezonen oder Tourenempfehlungen in diversen Medien. Skitourengehen in der freien alpinen Landschaft ist eine komplexe Geschichte und – im Gegensatz zu alpinen Freizeitparks – wohl nur bedingt in digitalen Kundenprozessen festzumachen.
Vielmehr werden auch in Zukunft Erfahrung, alpines Wissen, Flexibilität, skifahrerisches Können, Respekt vor der Natur sowie umweltgerechtes Verhalten die Bausteine für einen erfolgreichen Skitourentag und die Grundlagen für ein der Nachhaltigkeit verpflichtetes Freizeitvergnügen sein.
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