Raumordnung und Tourismus: Klimawandelanpassung konkret
Immer neue sommerliche Hitzerekorde verdeutlichen die Chance für alpine Destinationen, sich noch stärker als ganzjähriges Ausflugs- und Urlaubsziel zu profilieren. Klimawandelanpassung bedeutet vielfach schneeunabhängige Produkte und Angebote zu forcieren, die Infra- und Suprastruktur entsprechend weiterzuentwickeln – soweit dies von der Raumordnung her unterstützt wird.
Der Aktionsplan der Österreichischen Strategie zur Anpassung an den Klimawandel spricht im Aktivitätsfeld Tourismus u.a. die Handlungsempfehlung „Stärkung des alpinen Sommertourismus“ mit der Zielsetzung aus, die alpine Infrastruktur zu schützen und klimawandelbedingte Chancen im Sommertourismus zu nützen. Das Konfliktpotenzial in Bezug auf Flächeninanspruchnahme bei der Schaffung von neuen Angeboten wird dabei offen angesprochen.
Folgerichtig wird im Aktivitätsfeld Raumordnung die „verstärkte Zusammenarbeit von Raumordnung und Tourismus zur Förderung einer klimawandelangepassten nachhaltigen touristischen Infrastruktur“ gefordert. Tourismus „raumverträglich“ zu gestalten ist jedoch wahrlich keine leichte Aufgabe, zumal bei Themen wie Verkehr, möglichen Umweltbelastungen oder Schutz vor Naturgefahren zahlreiche Wechselwirkungen bestehen.
Insbesondere für Regionen mit (potentiell) sinkender touristischer Wertschöpfung seien im Zusammenhang mit der „raumstrukturellen Dimension von Tourismusaktivitäten“ und dem „Klimawandelbezug in Raumordnungsinstrumenten“ – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – folgende Arbeitshypothesen formuliert:
1. Verdichten statt verhütteln: Attraktive Projekte in wiederbelebter dörflicher Struktur können sehr wohl mit der romantischen Vorstellung des Urlaubsdomizils in Einzellage konkurrieren. Ein gutes Beispiel dafür, Leerstand im Ortszentrum zu revitalisieren, ist der Fernblick in St. Corona am Wechsel, ein Folgeprojekt zur Villa Antoinette am Semmering.
2. Kombinieren statt trennen: Nutzungen als Haupt- und Zweitwohnsitz sowie für den Urlaub stärker zu mischen, macht krisenresistenter; vor allem, wenn auch der Aspekt der Pflege mitgedacht wird. Vorbildlich sind das Ensemble Krumbach Dorf samt Mehrgenerationenhaus und das vielseitig nutzbare Pfarrhaus Krumbach.
3. Menschen zur Arbeit statt Arbeit zu den Menschen: Periphere Regionen mit Abwanderung und Überalterung der Bevölkerung träumen davon, dass sich im Tourismus tätige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – im Idealfall junge Familien – direkt vor Ort niederlassen. In einer durch die Planungsgemeinschaft Ost beauftragten Studie wird hingegen empfohlen, stärker auf sogenannte Kristallisationskerne zu setzen; das sind kleinere Städte, die in Sachen Bildungsangebot, Kinderbetreuung etc. mit urbanen Zentren eher mithalten können. Verkehrslösungen vorausgesetzt könnten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus diesen Kristallisationskernen anstatt in die Großstadt auch verstärkt in die Tourismusorte zur Arbeit pendeln.
4. Kanalisieren statt ignorieren: Klassische Wanderwege und in zunehmenden Maße auch Klettersteige und Mountainbike-Trails sind vielfach eigentlicher Besuchsgrund und sollten samt damit verbundener Verkehrs- und sonstiger Infrastruktur – wie z.B. Schutzhütten oder Naturparkzentren – noch viel mehr Aufmerksamkeit genießen. Die Grundeigentümer wollen ja ebenfalls die Besucherinnen und Besucher lenken können, um so ihre forstlichen und jagdlichen Interessen besser durchzusetzen.
5. Vorbeugend anpassen statt hinterher sanieren: Die alpine Infrastruktur wird – insbesondere auch in touristisch intensiv genutzten Regionen – für die klimawandelbedingte Häufung z.B. von Starkregenereignissen oder das teilweise Auftauen von Permafrostböden zu wappnen sein, sodass diese möglichst nicht im Nachhinein teuer wieder aufgebaut werden muss.
Der Weg hin zu Ganzjahresdestinationen wird aus gesellschaftlichen und ökonomischen Gründen bereits seit Jahren gegangen, die notwendige Anpassung an den Klimawandel liefert nun aber zusätzliche Impulse. Allerdings ist dieser Weg gerade in höheren alpinen Lagen nicht so ohne weiteres zu bewerkstelligen.
Klimawandelanpassung im Tourismus bedeutet zweifelsohne, Produkte und Angebote zu forcieren, die schneeunabhängig sind. Auf der anderen Seite geht es in höhergelegenen Skigebieten, die noch längerfristig mit ausreichend tiefen Temperaturen rechnen können, darum, geeignete Maßnahmen zu setzen und z.B. in die effizientere Schneeerzeugung oder die GPS-unterstütze Pistenpräparierung zu investieren.
Dennoch: Die Stärkung des alpinen Sommertourismus ist ein Gebot der Stunde. So haben viele österreichische Seilbahnen – nicht nur klimawandelbedingt – die Sinnhaftigkeit von Investitionen in Sommerangebote erkannt und arbeiten konsequent daran. Beispielgebend sind die „Besten österreichischen Sommerbergbahnen“ denen rund ein Drittel der gut 200 Bergbahnunternehmen mit Sommerbetrieb in Österreich angehören.
Hier noch einige Anmerkungen zu zwei Arbeitshypothesen von Markus Redl.
Kanalisieren statt ignorieren: Wanderwege, Mountainbike-Trails und Klettersteige tragen per se zur Lenkung der Besucherströme bei, wobei in dieser Richtung sowie mit Blick auf den Natur- und Umweltschutz und die Vermeidung sonstiger Interessenkonflikte mehr getan werden kann. Dazu kommt das Kostenargument bei der Pflege und Erhaltung dieser Einrichtungen. Weniger kann auch hier mehr sein, falls die verfügbaren Ressourcen in die Qualität und nicht unbedingt in periphere Kilometer investiert werden, auf denen sich ohnehin nur Einzelne bewegen.
Vorbeugend anpassen statt hinterher sanieren: Dazu ist zu festzuhalten, dass ein großer Teil der touristischen Infrastruktur in alpinen Regionen in einer Zeit entstanden ist, in der das Auftauen von Permafrost kein Thema war. Die ältesten Schutzhütten sind rund 150 Jahre alt und die ersten österreichischen Gletscherskigebiete haben ihren Betrieb in den 1960er und 1970er Jahren aufgenommen, in einer Zeit, in der man sich noch Sorgen um die im Winter in Richtung Parkplätze und Restaurants vorstoßenden Gletscher machen musste. Inzwischen hat sich das Blatt gewendet. Allerdings hat auch die Technik die eine oder andere (wenn auch kostenintensive) Antwort auf den Permafrost gefunden, wie etwa die James-Bond-Erlebniswelt auf dem 3.000 m hohen Gaislachkogel in Sölden bestätigt.
Starkregen, Überschwemmungen und Muren waren immer schon da. Dass jetzt offenbar eine Intensivierung stattfindet, mag zu einem guten Teil dem Klimawandel geschuldet sein. Zum anderen wird die Lage dadurch verschärft, dass Siedlungen und Infrastrukturen in gefährdete Gebiete vorgedrungen sind und die Berichterstattung in den Medien das Bewusstsein der Menschen für solche Ereignisse schärft.
Kleines Resümee: Der Klimawandel ist unbestritten ein Faktum, Anpassungen an ihn sind unerlässlich. Der Tourismus in alpinen Regionen ist da besonders gefordert. Wie die von Markus Redl zitierte Studie zur Anpassung an den Klimawandel jedoch verdeutlicht, sind davon aber alle Höhenlagen sowie sehr viele Lebens- und Wirtschaftsbereiche betroffen.
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