1. Juni 2017 | 09:04 | Kategorie:
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Positiver Klimaeffekt durch künstliche Beschneiung?

Die Reaktion meiner Tochter war sarkastisch: „…werfen die jetzt den Energieerhaltungssatz über den Haufen?“ Die Rede war von einer Untersuchung der Joanneum Research Forschungsgesellschaft zu künstlicher Beschneiung. Das erste Fazit, das auch über die Medien verbreitet wurde: „Für ausgewählte Skigebiete in der Steiermark und Tirol wurde die Klimawirksamkeit der Treibhausgasemissionen des Stromverbrauchs für die Kunstschnee-Erzeugung dem höheren Rückstrahlvermögen („Albedo-Effekt“) und der damit verbundenen Reduktion der Klimawirkung beschneiter Pisten gegenübergestellt“, hier auch in der Meldung des Forschungsinstituts nachzulesen. Die Untersuchung wurde durch Mittel des Fachverbandes der Seilbahnen und des Landes Steiermark ermöglicht.

Den Teufel mit dem Beelzebub austreiben?

Es versteht sich von selbst, dass erste Reaktionen der Fachwelt verhalten bis skeptisch ausfielen. Vor allem wird kritisiert, dass bis dato keine Detailinformation zu Methoden und erhobenen Daten vorlägen, die eine Überprüfung ermöglichen.

Viel Stoff also für eine spannende Diskussion zwischen Mutter und Tochter: Erstere seit Jahren von Berufs wegen skeptisch, was die ökonomische und ökologische Bilanz von Infrastruktur-Großinvestitionen in den Alpen anbelangt; zweitere der Schule und eines mehrmonatigen Klimaschutzprojekts in Kooperation mit der Universität Innsbruck wegen bis zu den Zähnen bewaffnet mit belastbaren Zahlen und Fakten.

Publikation auf der Website von Joanneum Research

Die Mutter warf alles auf den Tisch, was ihr so durch den Kopf ging: Energieverbrauch, Wasserverbrauch, Eingriffe in den Wasserhaushalt, Speicherteiche, Leitungskanäle bis in die entlegensten Lagen, Bodenerosion…um dann gleich noch einen Schlag Volkswirtschaft nachzulegen, und ihr Dauer-Lamento anzustimmen: „Ich würde gerne mal die Kehrseite der Bruttowertschöpfungsrechnung sehen…“

Die Tochter, fröhlich ihren Nachtisch in sich hineinlöffelnd, nahm das alles stoisch hin: „Mami, halte Dich an die Grundprinzipien – nach dem Energieerhaltungssatz ist das, was die behaupten, einfach nicht möglich“.

 

1. Juni 2017, 21:17

Kritisches Denken junger Menschen, gepaart mit konkretem Fachwissen am Beispiel der Tochter von Ulrike Reisner ist überaus erfreulich – auch wenn es manchmal etwas mühsam sein mag. Es ist sehr zu begrüßen, wenn sich die Jugend mit Medienberichten kritisch auseinandersetzt und nicht alles als bare Münze nimmt.

Ich selbst sehe das Ergebnis der angesprochenen Studie ebenfalls kritisch, auch wenn ich nicht die Kompetenz besitze, diese physikalisch-fachlich zu bewerten. Die Wirkungen des Albedo-Effekts sind mir jedenfalls seit meiner frühen Jugend vom Bergsteigen her bekannt und die Veränderungen an den Rändern der planierten Pisten in den Gletscherskigebieten liefern dafür jeden Sommer und Herbst exzellentes Anschauungsmaterial.

Vehemente und überaus hämische Kritik zu den Ergebnissen der Studie und zu den Hintergründen ihrer Entstehung kommt aus dem „Volk“ (siehe Kommentare in der Tiroler Tageszeitung vom 25.05.2017). Was die ernsthafte Kritik anbelangt, so schließe ich mich den Argumenten meines früheren Uni-Kollegen Georg Kaser an. Der weltweit anerkannte Glaziologe und Mitverfasser des UN-Weltklimaberichts sagt, dass die Ergebnisse, so wie sie vorliegen, kaum nachvollziehbar sind (siehe ORF Steiermark vom 30.05.2017). Sicher scheint, darauf lässt jedenfalls die Kurzfassung schließen, dass viele Maßnahmen und Faktoren, die dem Energieeinsatz zur Schneeerzeugung vorgelagert sind und deren Generierung eine Menge Energie erfordert, in der Studie keine Berücksichtigung finden (Bau von Speicherteichen und Pumpanlagen, Produktion von Schneekanonen etc. etc.). Eine solche Gesamtbilanz würde wohl ganz anders ausschauen als in der aktuellen Studie des Joanneum Research dargelegt.

Und wenn es um die Argumentation der Klimaeffekte des Kunstschnees geht, drängt sich noch eine weitere Überlegung auf: Besitzt bei einem Flächenanteil der Skipisten von 0,6 bis 0,7 % an der Landesfläche Tirols (in der Steiermark sind es um vieles weniger) die Frage der klimatischen Effekte des Kunstschnees überhaupt eine praktische Relevanz?

Wenn die Studie zu den Klimaeffekten der künstlichen (im Wording der Seilbahner eigentlich „technischen“) Beschneiung aber dazu beiträgt, dass sich einige hartgesottene Seilbahner dem Thema Klimawandel nähern und diesen ernst zu nehmen beginnen, haben die Mühen der Forscher des Joanneum Research allemal ihr Gutes.

2. Juni 2017, 9:08

Schrempf Ernst
Hotelier, Hoteliers-Vertreter der Schladming Dachstein Region bei Ski Amade, Umweltmissionar

Joanneum Research hat anscheinend wirklich nichts Sinnvolleres zu tun, als mit einseitig betrachteten positiven Klimaschutz-Meldungen medial zu punkten. Ohne Zweifel, ist ihnen sehr gut gelungen…

Damit berühren sie leider große Teile unserer Bevölkerung, welche durch solche Aussagen die auf uns zukommende Klimakatastrophe weiter verdrängt. Es ist keine Zeit mehr für Beschwichtigungen, es ist Feuer am Dach! Siehe Trump oder:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/stephen-hawking-gibt-menschheit-noch-100-jahre-auf-der-erde-a-1146451.html

Joanneum Research soll ergänzend die positive Reflexions-Wirkung der beschneiten (talnahen) Flächen im Größenvergleich mit der Fläche Österreichs und im Bezug mit der wirksamen Zeit (1-2 Monate) angeben. Da schwindet der positive Effekt auf Millionstel %.

Weiters sollen sie die Studie zusätzlich um die Daten der verzögerte Sauerstoffabgabe (später einsetzenden Vegetation auf den Wiesenflächen) und die damit verzögerte Aufnahme des klimaschädlichen CO2 zum Pflanzenwachstum vervollständigen.
Ach ja, da wären noch die Daten der Energieproduktion für die Beschneiung, die Verbrennung von Millionen Liter Diesel für die Pistengeräte, welche nächtlich den Kompaktschnee verteilen…
Dann kehrt es sich die Sache leider ganz schwer ins Negative um.

Gerne würde ich die vollständige Studie einsehen…

Ernst Schrempf
Schloss Thannegg
Moosheim, Schlossweg 1
8962 Gröbming
03685 232100
ernst@schloss-thannegg.at
http://www.schloss-thannegg.at

http://www.schlosshotels.co.at

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