25. August 2024 | 12:00 | Kategorie:
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Es wird ein Wein sein

Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil schreibt in seiner Autobiografie über die Gründung einer Task Force Neusiedler See nach der Landtagswahl 2020: „Die Konsequenzen des fortschreitenden Wasserschwunds und einer möglichen Austrocknung brauchen wir uns nicht schönzureden. Die Menschen, die um den See herum wohnen, würden in einer Staubwüste leben, denn eine dicke Staubschicht wäre alles, was übrigbliebe, wenn nicht nur das Wasser verschwindet, sondern auch die Schlammbasis des Sees ihre Feuchtigkeit verliert. Im Norden bläst immer der Wind. […] Eine solche Umweltsituation könnte die Region nahezu unbewohnbar machen. Dass dies eine wirtschaftliche Katastrophe für die Region wäre, muss nicht extra betont werden, zumal Touristen ausblieben und der Weinbau nicht mehr möglich wäre.“

Momentan hat sich der Wasserstand des Neusiedler Sees wieder erholt. Betriebe wie das NILS am See in Weiden, gleichermaßen bekannt für elegant-frischen Stil und hohen Anspruch bei der Nachhaltigkeit, florieren. Die Notwendigkeit der Klimawandelanpassung, von Umstellungen in der Landwirtschaft bis zur diffizilen Zuleitung von Wasser in den See, bleibt in der Region natürlich bestehen. In Mörbisch steht der erste Olivenhain Österreichs. Im Weinbau geht es seit geraumer Zeit um angesichts des Klimawandels sinnvolle Unterlagen und Lagenwahl, bis hin zu neuen Rebsorten. Da kommt eine Zeile aus einem Wienerlied-Refrain in den Sinn:

Es wird a Wein sein, und mir wer’n nimmer sein,
D’rum g’niaß ma ’s Leb’n so lang’s uns g’freut.

Erstmals 1931 von Willi Forst aufgeführt, schwingt da mehr als nur ein Schuss Eskapismus mit, der bei der aktuellen weltpolitischen Lage, dem Krieg in Europa und nicht zuletzt auch schlechten Nachrichten im Zusammenhang mit dem Klimawandel wieder en vogue werden könnte.

Katastrophen über Katastrophen

In den letzten Wochen jagte tatsächlich eine Katastrophenmeldung die nächste: Von Hitzewellen, kenternden Yachten im stürmischen Mittelmeer bis zu Murenabgängen und Überschwemmungen in den österreichischen Alpen. Da wirkt sich der Klimawandel unmittelbar negativ auf den Tourismus aus, wird u.a. Verkehrsinfrastruktur zerstört – eine Kaskade an Problemen losgetreten: Wie mit einer apokalyptischen Berichterstattung umgehen, Infrastruktur wie Passstraßen kurz-, mittel- und langfristig wiederaufbauen?

Die abstrakte Bedrohung wird konkret, gefühlt kommen die „Einschläge“ der Klimakatastrophe, des Verlustes an Biodiversität und Überschreitens der planetaren Grenzen näher und nehmen an Heftigkeit zu. Wir sind als Gesellschaft jetzt schon stark gefordert, teilweise auch überfordert, wobei das breite Thema Klimawandelanpassung zu unseren Lebzeiten nicht mehr weggeht (und schon gar nicht der unserer Kinder), sondern überhaupt alles bestimmen wird. Der deutsche Soziologe Philipp Staab spricht und schreibt treffenderweise von Anpassung als Leitmotiv der nächsten Gesellschaft.

Von Zukunftswut zum Zukunftsmut

Wer das Buch Verkaufte Zukunft eines anderen deutschen Soziologen, Jens Beckert, liest („Warum der Kampf gegen den Klimawandel zu scheitern droht“) der bekommt es mit der Angst zu tun, könnte wütend und schließlich fatalistisch werden. Beckert will natürlich genau das Gegenteil bewirken, plädiert für eine „realistische Klimapolitik“.

Was können wir in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft konkret tun? Natürlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit drei Ansätze:

  1. An den grundsätzlichen Debatten beteiligen: Wenn beispielsweise heute im Rahmen des Europäischen Forum Alpbach mit einem hochkarätig besetzen Panel über den Pfad hin zu einer klimapositiven Wirtschaft diskutiert wird (To Grow or Not to Grow), dann sollten wir dabei sein: zuhören, mitreden, die Perspektive von erholungsuchenden Menschen einbringend …
  2. Auf gelingende Entwicklungen schauen: Wenn beispielsweise in Oslo (herrlich selbstironisch: Is it even a city?) der Hafen soweit regeneriert wird, dass dort diverse schwimmende Saunen und andere Freizeitangebote entstehen, dann ist das ermutigend. Wir brauchen attraktive urbane Räume, statt ungezügelter Freizeitflucht aufs Land.
  3. Die Expertise zur Klimawandelanpassung ausbauen: Wenn beispielsweise im Mölltal flächenwirtschaftliche Projekte zur Wiederherstellung der Objektschutzwälder nach Borkenkäferkalamität umgesetzt werden, dann lässt sich viel lernen – auch für andere Regionen. Wir müssen uns an solchen Lernprozessen aktiv beteiligen, wenn es um Besucherstromlenkung und ähnliche Themen geht, den Lead übernehmen.

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