Was Motel One und ich gemeinsam haben
Der Wirtschaftsteil der ZEIT interessiert mich als selbstständige Unternehmerin und Wirtschaftstreibende besonders. Beim Schmökern durch diesen Teil bin ich neuerlich auf einen interessanten Artikel gestoßen. Motel One CEO Dieter Müller wurde zur aktuellen Corona Lage befragt und wie er sich mit seiner Hotelkette für zukünftiges Reisen wappnen wird.
„Jemand muss den Preisverfall stoppen“
Herr Müller sagt dem hochpreisigen Hotellerie-Segment eine schwierige Zeit voraus, falls weiterhin nur Algorithmen den Preis am Markt bestimmen. Dem stimme ich absolut zu, denn seit ich im Tourismusmarkting tätig bin, vertrete ich die Position, dass semi-automatisches Pricing ein Erfolgsgarant ist. Besonders in der Ferienhotellerie war und ist es unerlässlich, Preisentscheidungen nicht nur von einer Maschine treffen zu lassen, sondern hier immer auch den individuellen, nachgefragten Zeitraum detaillierter von einer Fachperson zu durchleuchten.
In Zeiten von Corona trifft dies nun natürlich (und besonders) die Stadthotellerie, wo Maschinen keinen vergleichbaren Fall aus deren Datenarchiv zaubern können, um mittels Analyse den „perfekten“ Preis für diese Situation zu ermitteln. Die Situation gestaltet sich für Revenue-Systeme ganz klar: die Auslastung ist niedrig bis nicht-existent, daher Preis runter. Doch so einfach ist das nicht – und so sieht das auch der Motel One CEO.
Dieter Müller sagt im Interview, dass „diese Algorithmen gestoppt gehören, damit Preise nicht allzu sehr verfallen.“ Wenn ein 5-Stern Hotel in guter Stadtlage plötzlich € 60,00 für ein Zimmer verlangt, dann „war künstliche Intelligenz am Werk“. Er bezweifle, dass „so ein Preis vernünftig ist“ und behauptet, „dass 60 Euro dem 5-Stern Hotelier kaum helfen werden“.
Preishoheit muss beim Hotelier sein, nicht in der Software
Die Corona Pandemie konnte niemand vorhersehen. Umso mehr versagen nun zahlreiche Business Intelligence Tools und Yield & Revenue Management Systeme, wenn diese auf Basis dieser Situation und im Hinblick auf die Vergangenheitsdaten eines Hotels, den „perfekten“ Preis generieren sollen. Diese Software-Systeme können sich ausschließlich an Parametern wie Vorjahres-Auslastung, Pickup und Mitbewerb festhalten – Vergangenheitsdaten vergleichbar mit einer Pandemie gibt es schlicht und einfach nicht und auch künstliche Intelligenz, die Auslastung und Preis voraussagen sollte, weiß nun nicht mehr weiter, wie es CEO Dieter Müller so treffend beschreibt.
Feingefühl im Vertrieb ist gefragt
Jetzt ist Markt-Know How und Feingefühl gefragt. Die Revenue Mitarbeiter im Hotel müssen nun Ihre Ohren nah am Gast haben, das Gespräch suchen, auf Sorgen, Ängste und Fragen eingehen können. Fakt ist, dass ein automatischer Preisnachlass allein keinen Gast in eine Region oder Stadt lockt, in der steigende Covid-19 Fälle auftreten. Vielmehr braucht dieser nun das Gefühl, einen sicheren Urlaub verbringen zu können – und das vermittelt keine Maschine, sondern nur ein aufmerksamer und verständnisvoller Gastgeber.
Bezugsquelle: DIE ZEIT, 2020, „Wir verlieren eine Menge Geld“, Ausgabe vom 30. Juli, Seite 19.
Sehr geehrte Frau Ruppe-Senn,
ich danke Ihne für Ihren Beitrag, dem ich voll zustimme. Insbesondere hebe ich Ihr abschließendes Fazit hervor:
„Jetzt ist Markt-Know How und Feingefühl gefragt. Die Revenue Mitarbeiter im Hotel müssen nun Ihre Ohren nah am Gast haben, das Gespräch suchen, auf Sorgen, Ängste und Fragen eingehen können. Fakt ist, dass ein automatischer Preisnachlass allein keinen Gast in eine Region oder Stadt lockt, in der steigende Covid-19 Fälle auftreten. Vielmehr braucht dieser nun das Gefühl, einen sicheren Urlaub verbringen zu können – und das vermittelt keine Maschine, sondern nur ein aufmerksamer und verständnisvoller Gastgeber.“
Aus Sicht der PR-Beraterin, die sich beruflich mit dem Thema befasst, und aus Sicht der Reisenden ergänze ich hierzu ein Erlebnis, das ich kürzlich hatte: Auf der Reise von einer Destination zu nächsten machte ich zwei Tage in einer deutschen Großstadt halt. Da ich hier niemanden anprangern möchte, nenne ich keinen Namen, ebensowenig den des Vier-Stern-Hotels, das ich über eine Buchungsplattform gebucht hatte. So viel aber doch: Es war nicht Motel One.
Fakt war: Bei meiner Ankunft wurde mir ein Zettel im A 10-Format (also ziemlich klein) hingelegt. Dazu sagte mir der Rezeptionist, wegen Corona gebe es kein Frühstücksbuffet und ich solle mich für eines von drei vorgebenen Zeitfenstern und eine von drei Frühstücksvarianten entscheiden. Die Schrift war so klein, dass ich sie auch mit Lesebrille kaum entziffern konnte. Zudem: Ich war gerade angekommen und hatte anderes im Sinn, als mich sofort für Frühstückszeit und Frühstücksart zu entscheiden.
Es war 15 Uhr nachmittags, also keine unbedingte Notwendigkeit, sofort das Frühstücksthema zu erörtern. Auf meine Bitte hin wurde die Frühstücksentscheidung dann auf später vertagt. Beim Frühstück selbst herrschten trotz Vorbestellung lange Wartezeiten. Jedes Brötchen und jedes Stück Butter musste extra angefordert werden usw.
Dass in der gewählten Großstadt das Zentrum eine einzige Baustelle war, die S-Bahn nicht fuhr und die vier (!) im über 100-Zimmer-Hotel zur Verfügung stehenden Fahrräder längst vergeben waren, trug nicht dazu bei, den Aufenthalt zu genießen. Ich habe übrigens um einiges mehr als 60 € pro Nacht bezahlt.
Das ist aber nicht der Punkt, auch nicht die Baustellen und die S-Bahn. Dafür kann das Hotel nichts. Der Punkt ist aber, dass hier genau das Feingefühl, das Ohr am Gast und das Verständnis für Sorgen und Nöte der Gäste gefehlt haben. Genau diese/r aufmerksame, verständnisvolle Gastgeber/in wiegt zehnmal mehr als Preisnachlässe. Die Herausforderung ist es aus meiner Sicht, genau das künftig verstärkt zu kommunizieren. Damit Reisen wieder zum Genuss wird und nicht auf die Jagd nach dem besten Preis beschränkt bleibt.
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