Digital Disruption – alle sind betroffen
Die Revolution geht an keinem Wirtschaftszweig vorbei
Wer einmal Stifter’s gesammelte Werke von rund 5000 Buchseiten um 99 Cent heruntergeladen hat merkt plötzlich, dass im Buchhandel offenbar längst nichts mehr ist wie früher. Aber so geht es vielen Wirtschaftszweigen. Die Banken verlieren einen Geschäftszweig nach dem anderen, zuerst das Bezahlen, dann das Wechselstubengeschäft, jetzt das Veranlagen. Sogar die Macht der Zentralbanken wird durch die Erfindung der Bitcoins vor neue Herausforderungen gestellt. Die Versicherungsmakler kämpfen einen aussichtslosen Kampf gegen Online-Plattformen, die in ihr Geschäft einbrechen. Aber über kurz oder lang werden immer mehr Versicherungsprodukte im Online-Vertrieb beim Kunden landen.
Aber auch Branchen, die bisher mit dem digitalen Vertrieb ganz gut zurechtgekommen sind wie die Hotellerie oder die Gastronomie finden sich vor unerwarteter Konkurrenz. Da gibt es neue Anbieter durch Plattformen wie AirBnB, da sind hohe Provisionen an booking.com & Co zu zahlen und die Bewertungsplattformen machen Druck auf die Qualität des Angebots. Die für den Kunden enorm verbesserte Preistransparenz lässt gleichzeitig die tatsächlich erzielten Preise schrumpfen.
Unternehmer sind ständig gefordert
Die Digitalisierung macht viele Unternehmer zu ständig Lernenden und neue Begriffe wie Online Marketing, Big Data, SEO, Facebook, Google Plus, GPS, Meta-Buchungssysteme, Gästekarteien, Channel Manager Programme, W-LAN-Systeme und Augmented Reality führen zur Überforderung. Auch die Investitions- und Schulungskosten für e-tourism Systeme lassen viele Unternehmer spüren, dass die Komplexität ihre Kompetenz und Leistungsfähigkeit übersteigt.
Der digitale Sturm hat schon vor einiger Zeit eingesetzt und ist dabei traditionelle Geschäftsmodelle endgültig über den Haufen zu werfen. Kein Unternehmer kommt daran vorbei, sich ernsthaft mit diesem Thema auseinander zu setzen. Kein Wirtschaftszweig wird von sich sagen können, dass ihn das alles nichts angeht. Es mag nur unterschiedliche Wege geben damit umzugehen.
Die Österreichischen Tourismustage haben sich kürzlich mit dem Thema auseinandergesetzt. Fest steht wohl, dass das von Minister Mahrer geforderte Hochgeschwindigkeits-Breitbandnetz eine bald dringend erforderliche Basisinfrastruktur für Österreich darstellt. Damit kann der Inhalt rasch zum Nutzer gebracht werden. Über die notwendigen Strategien auf nationaler und Destinationsebene wird noch einiges zu diskutieren sein.
Unternehmen haben unterschiedliche Strategien
Die einiger Zeit stattgefundene Veranstaltung des Travel Industry Clubs hat auch gezeigt, dass heimische Unternehmen eine höchst unterschiedliche Vorgangsweise an den Tag legen. Das Verkehrsbüro ist früh und entschlossen auf den Digitalisierungszug aufgesprungen. Über Hofer-Reisen werden Produkte vor allem digital angeboten. Wer das traditionelle Reisebüro sucht, wird nach wie vor über Ruefa bedient. Die Europäische Reiseversicherung will sich vor allem gemeinsam mit ihren Vertriebspartnern weiterbewegen und die Richard Verkehrsbetriebe wollen bewusst nicht zu den ersten gehören aber dann mit einer qualitätsvollen Lösung punkten.
Man muss nicht unbedingt zu den ersten gehören, die etwas entwickeln oder ausprobieren und dabei viel Lehrgeld zahlen. Auch die Strategie des Aufgreifens von bewährten Lösungen kann sich bewähren. Aber auch das langsame Hineinwachsen in die neue Situation kann erfolgversprechend sein. Da gibt es keinen Königsweg der immer richtig ist. Falsch aber ist es sich damit überhaupt nicht auseinander zu setzen in der Hoffnung das Internet wäre ohnedies nur eine kurzzeitige Modeerscheinung.
…..sehr gute Analyse & Empfehlungen unaufgeregt und pragmatisch auf den Punkt gebracht, Chapeau und vielen Dank
Perfekt geschrieben. Danke.
Ein Zusatzgedanke: Unsere Branche lebt von persönlicher Dienstleistung und persönlicher Gastfreundschaft. Alle notwendigen und wichtigen Digitalisierungsmaßnahmen können nur „Tools“ im Hintergrund sein, um das Geschäft der persönlichen Dienstleistung noch besser und noch individueller zu gestalten. „Digtal disruption“ darf nicht „Analog disruption“ zur Folge haben. Ein sehr erfolgreicher Hotelier hat mir kürzlich gesagt: „Wenn alle digital ticken, dann ticken wir analog. Wir sind ein analoges Hotel.“ Dass dieses Haus bei der Digitalisierung voll drauf ist, ist klar. Aber: Es wird mehr mit den Gästen telefoniert (sie wechseln von online zu offline), mehr mit ihnen geredet, mehr Aufmerksamkeit, ja Achtsamkeit. Wo stand der Spruch?: „Digitalisierung schön und gut, aber hat noch jemand Zeit, 5 Minuten mit mir zu reden?“ Neben der Digitalisierung der Branche könnten wir auch über die Analogisierung reden.
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