Zukunft Winter: eine Frage der Regeneration
Der Begriff der Nachhaltigkeit – wie wir ihn heute so gerne verwenden – kommt aus der Forstwirtschaft: Es solle nicht mehr Holz entnommen werden, als gleichzeitig nachwächst. Sogar die drei Dimensionen „ökologisches Gleichgewicht, ökonomische Sicherheit und soziale Gerechtigkeit“ hat Hans Carl von Carlowitz bereits 1713 beschrieben. Wenn aber – um beim Bild zu bleiben – Wälder längst gerodet, Böden erodiert und ausgelaugt sind, dann muss überhaupt erst wieder eine Humusschicht aufgebaut werden. Nachhaltigkeit und Sustainable Development Goals sind die Basis, heute gehen wir jedoch (hoffentlich) in eine Ära der Regeneration.
In den letzten Jahren hat sich regenerativer Tourismus in Praxis und Wissenschaft als Fachbegriff etabliert, zum Einlesen sei auf den unlängst in Tourism Geographies erschienenen Artikel „Regenerative tourism: a state-of-the-art review“ von Loretta Bellato und Anna Pollock verwiesen:
We argue that regenerative tourism should centre place and its communities to restore harmonious and reciprocal relations between humans and the rest of nature.
Regenerativer Tourismus setzt auf einen Paradigmenwechsel von einer isolierten Analyse einzelner Teile hin zu einer systemischen Betrachtungsweise.
Zuvor hatte das Journal of Tourism Futures (JTF) bereits 2022 ein Special Issue: Transformation and the Regenerative Future of Tourism herausgebracht:
Just as the humanist renaissance movement offered new moral, cultural and civic values some 600 years ago, the current regenerative renaissance is asking us to rethink systems, reimagine production and consumption, supply chains, reevaluate how we do business and how we live.
Was bedeutet regenerativer Tourismus für den Schneesport, für den alpinen Wintertourismus wie wir ihn in Österreich praktizieren? Der Versuch einer Ableitung zu drei ausgewählten Aspekten:
1. Die besondere Funktion der Skigebiete
Skigebiete sollen auf geringer Fläche (Pisten beanspruchen in Österreich gerade einmal 237 von 54.600 km2 Alpenfläche) möglichst viele Besuche mit hohem Freizeitnutzen und Erholungswert ermöglichen! Dieses Angebot an Bevölkerung und Gäste ermöglicht umgekehrt Maßnahmen, wie sie Österreich aufgrund des Nature Restoration Law der EU in einem ,Nationalen Wiederherstellungsplan´ festlegen wird, mit höherer Akzeptanz umzusetzen.
Denn Skigebiete können grundsätzlich das ganze Jahr über besucht werden, wobei Schon- oder Übergangszeiten sinnvoll sein können. Über Besucherstromlenkung hinaus geht es da auch um Naturvermittlung im weiteren Sinne, beispielsweise darum ein Verständnis für die Bedeutung von Biodiversität oder Wassermanagement aufzubauen. Denn gerade in diesen Bereichen haben Skigebiete auch viel beizutragen.
2. Der Elektrobus als neue Eisenbahn
Der alpine Tourismus ist bekanntlich historisch gesehen zuerst entlang der Bahnstrecken entstanden. Von St. Anton am Arlberg bis zum Semmering liegen viele klingende Namen, bei denen es aus dem Bahnhof mehr oder weniger direkt zur Talstation geht. Die Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD), die EU- Taxonomie-Verordnung und andere Rechtsvorschriften zwingen uns zunehmend, sämtliche relevante Umweltwirkungen datenmäßig zu erfassen, zu beobachten und zu verbessern. Der mit großem Abstand größte Hebel ist bekanntlich die Mobilität, wobei jene am Berg bereits weitestgehend elektrifiziert ist. Um „regenerativer“ zu werden bedarf es Verbesserungen bei An- und Abreise, bedarfsorientierter Mobilität oder attraktiver Alltagsmobilität.
Die Kapazitäten der Eisenbahn können jedoch nur in den Grenzen der bestehenden Infrastruktur erweitert werden. Alles darüber hinaus ist oftmals mit großen Bauvorhaben verbunden, dauert viele Jahre. Zwischenzeitlich müssen wir alle Register ziehen, auch und gerade im Bereich des Individualverkehrs: Beispielsweise indem wir Parkraum regionsübergreifend „managen“ und Fahrgemeinschaften incentivieren. Natürlich gehört die durchschnittliche Aufenthaltsdauer möglichst verlängert. Und wir brauchen eine Renaissance der Busreisen, vorzugsweise mit Fahrzeugen ohne Verbrennungsmotoren, also Elektro- oder Wasserstoffbusse. Geh- und Radwege müssen vor Ort sowieso „alle Stückerln spielen“.
3. Die Allianz aus Umweltschutz-NGOs und Seilbahnwirtschaft
Die Interessen von NGOs im Bereich Umwelt- und Klimaschutz und jene des alpinen Wintertourismus überlappen sich weitestgehend. Alle Emissionsszenarien gehen von einem weiteren Anstieg der Temperatur an der Erdoberfläche im Verlauf des 21. Jahrhunderts aus. Leider kann der allerbeste Klimaschutz im ureigenen Bereich der Skigebiete nicht einmal ansatzweise sicherstellen, dass der Schneesport in den Alpen einfach weiterlaufen kann. Trotzdem müssen wir vorbildlich agieren, wie sonst könnten wir von anderen Klimaschutz verlangen. Selbst der beim Projekt Future Snow Cover Evolution in Austria (FuSE-AT) so bezeichnete „unvermeidliche Klimawandel“ oder auch „2-Grad-Weg“ (Klimaszenario RCP2.6) wirkt sich schon massiv auf die Wirtschaftlichkeit von Skigebieten aus. Da geht es weniger um Durchschnittstemperaturen, sondern mehr um die technische (Grund-)Beschneiung bedrohende Wetterereignisse wie Starkregen oder Föhnsturm.
In den USA haben sich die Aspen Skiing Company und Protect Our Winters in Sachen „Advocacy“ zusammengetan, um wohlhabende und einflussreiche Gäste für Klimaschutz zu mobilisieren. Wirklich bemerkenswert, wenn folgender Text als Teil einer gemeinsamen Kampagne auf einer Werbefläche am Sicherheitsbügel des Sesselliftes steht:
Sustainable business is bunk
Net zero, offsets, carbon targets, carbon neutral. Those aren’t real climate solutions—they’re like telling your doctor you’ll stop smoking by 2050, or canceling out those burgers with extra broccoli.
Proof? As more companies than ever jump on the sustainability train, planet-cooking emissions continue to rise.
What if businesses instead used power, voice, and money to drive political change?
What if you did that, too?
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