10. Dezember 2024 | 21:30 | Kategorie:
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Über kleine Skigebiete

Die Kronen Zeitung betitelt gestern in Vorarlberg einen Beitrag mit Kleine Skigebiete kämpfen ums Überleben, das Thema ist derzeit medial omnipräsent. Grund genug um hier einerseits mögliche Gründe für dieses Phänomen und andererseits Wege aus der Misere auf den Punkt zu bringen. Schließlich sollen auch noch lohnende Forschungsthemen benannt werden

 

Warum ist das so?

  1. Mangelnde Skalenerträge: Kleine Skigebiete, die über zumindest eine (vielleicht sogar kuppelbare) Seilbahn und nicht „nur“ über Schlepplifte verfügen, sind besonders von sprungfixen Kosten betroffen: Das entsprechend qualifizierte Personal in der Betriebsleitung könnte z.B. auch mehr Anlagen abdecken. Bei vielleicht nur einem oder zwei Pistengeräten braucht es trotzdem eine entsprechende Infrastruktur mit Betriebstankstelle, Hebebühne etc. wie bei größeren Betrieben. Umgekehrt ist es bei Skigebieten strukturell schwer, Synergien zu heben — das geht noch am ehesten bei Themen wie Marketing, Gästemobilität oder IT.
  2. Hyperkompetitives Umfeld: Etliche österreichische Skigebiete gehören zu den besten der Welt. Das generelle technische Niveau von Aufstiegshilfen und Beschneiung ist international führend, genauso das Preis-Leistungs-Verhältnis; die Preissensibilität insbesondere bei kurzfristigen Käufen ohnehin sehr gering. Apere Stellen oder gar Steine auf der Piste, wie das früher durchaus üblich war, sind heute schon ein Malheur. Erwartet wird die perfekt präparierte Piste bis in den Nachmittag, dazu das komplette Umfeld mit komfortablen Parken, Ausrüstungsverleih, Schneesportschule oder Berggastronomie.
  3. Dominanz der Tagesgäste: Kleinere Skigebiete haben oft viel mehr Tages- als Nächtigungsgäste, weil sie tatsächlich oder vermeintlich für einen mehrtägigen Aufenthalt zu wenig Abwechslung bieten und/oder in der Nähe der Ballungszentren gar keine Betten zur Verfügung stehen, die Gäste ohnehin lieber gleich wieder nachhause fahren. Also wird die Kaufentscheidung meist nur für einen einzigen Skitag getroffen. Die Zielgruppe wohnt irgendwo bis 120 Minuten Anfahrt mit dem PKW entfernt. Einige Millionen sind da ohnehin schon viel; trotzdem kein Vergleich mit dem Potenzial von Urlaubsgästen aus aller Herren Länder.

 

Was kann getan werden?

  1. Neue Einkunftsquellen: Kleine Skigebiete müssen ihr Geschäftsmodell verändern, beispielsweise ganzjährig – heißt im Winter sogar parallel zum Schneesport – auch Angebote für „Nicht-Skigäste“ bieten. Gleichzeitig sollen sie auch Kundenbeziehungsmanagement betreiben, so den Wiederbesuch forcieren oder anderes Upselling erreichen. Auch eine Funktion als „Feeder“-Skigebiet für größere Partner oder die Teilnahme an überregionalen Saisonkarten kann etwas bringen — und sei es eine Reduktion des Risikos durch garantierte Erlösanteile.
  2. Konzentration auf das Wesentliche: Damit ist sowohl die tendenzielle Reduktion der beschneiten Fläche (und damit Erhöhung der relativen Schlagkraft der Beschneiungsanlage) gemeint, als auch das Ausrichten an den Bedürfnissen der eigenen Zielgruppe: also z.B. eher einfache blaue bis hellrote Pisten — oder ganz im Gegenteil mit Sprühbalken präparierte, somit harte und steilere Pisten für den Trainings- und Rennbetrieb. Ist das Must-have mit der höchsten Beschneiungspriorität geklärt, dann macht das andere Flächen frei für alternative Nutzungen.
  3. Urbane Sportkultur: Wir brauchen zur Nachwuchspflege Angebote unmittelbar bei den Ballungszentren, auf Trockenpisten könnten die ersten Rutsch- und Gleiterfahrungen gemacht werden. Kleine, stadtnahe Skigebiete sind dann für die nächsten Schritte da. Urbane Bewegungskultur kann als Katalysator für den Schneesport dienen, der Sprung von Pumptracks auf Funslopes gelingen. Dabei gilt es Erfahrungen der alpinen Vereine zu nutzen, die ihre Mitglieder sprichwörtlich aus der Kletterhalle zum Bergsport in all seinen Facetten führen.

 

Was lohnt sich zu erforschen?

  1. Angebot und Nachfrage: Bei Schleppliftgebieten ist es bisher trotz aller Bemühungen kaum gelungen, die realisierte Nachfrage in WEBMARK von MANOVA einpflegen zu lassen. Es wäre durchaus möglich für alle Skigebiete in Österreich das Angebot (Pisten mit Charakteristik und Fläche, Aufstiegshilfen mit Förderleistung) zu erfassen, auch deren Öffnung vom Tages- bis zum Saisonverlauf zu beschreiben. Dieses Angebot könnte (auch kumuliert) der realisierten Nachfrage mit Daten wie Skier Days und Fahrten sowie Erlösen gegenübergestellt werden.
  2. „Lost Ski Area Project“: Für unterschiedlichste Märkte und Regionen bestehen Zusammenstellungen von nicht mehr existenten, zumeist rückgebauten Skigebieten. Christoph Schuck, Professor für Politikwissenschaft an der TU Dortmund, hat ein Lost Ski Area Projekt für die Schweiz lanciert (Artikel baublatt und NZZ). Eine systematische Aufarbeitung dieser Art gibt es bisher für Österreich nicht, jedenfalls nicht in der Gesamtschau: Wie haben sich Angebot und Nachfrage korrespondierend zur technischen Infrastruktur historisch entwickelt?
  3. Eigentümerstruktur: Auch die Eigentümerstruktur der heimischen Skigebiete ist bisher nicht wissenschaftlich untersucht worden. Vom Wirtshaus- oder sogenannten Bürgermeisterlift bis zu den von T.A.I. im Bergbahn-Ranking unlängst wieder aufgelisteten Top 40-Branchengrößen wäre es interessant, die jeweiligen Eigentümer in bestimmte Gruppen zusammenzufassen — um dann die Rolle der öffentlichen Hand (von einzelnen Gemeinden bis zur Republik Österreich) oder auch von Grundeigentümern bzw. Hoteliers zu untersuchen.

 

P.S. Online findet sich ein interessantes Dokument: Projektbericht: Klein- und Kleinstskigebiete in Tirol: Positionierung im Spannungsfeld zwischen Existenzberechtigung und nachhaltiger Angebotsentwicklung – Februar 2022

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