Über(maß)tourismus
Aktuell gibt es eine intensive, auch mediale, Bestandsaufnahme zum „overtourism“ (Übermaßtourismus). So wurde dieses Thema in diesem Juli zum Beispiel in ServusTV, Talk im Hangar 7 am 11.07.2019 unter dem Titel „Massentourismus: Wo endet die Gastfreundschaft“, oder in 3sat, scobel am 04.07.2019 unter dem Titel „Tourismus-Kollaps“, diskutiert. Diesbezügliche Schlagzeilen in Zeitungen und Magazinen sind noch drastischer ausgefallen; als Beispiele seien erwähnt: „Wie eine Heuschreckenplage“ (Salzburger Nachrichten, 15.07.2019), „Der böse Tourist“ (Profil, 14.07.2019) oder „Grüße aus der Touristenhölle“ (trend.PREMIUM, 05.07.2019).
Daher wurde uns die Frage gestellt: Was bewirkt so eine Berichterstattung? Und zwar ganz konkret in vom Übermaßtourismus betroffenen Orten: Kommt es dadurch zu einer weiteren Veränderung der Gästestruktur und des Gästeverhaltens? Haben solche Berichte Auswirkungen auf die Tourismusgesinnung der ansässigen Bevölkerung?
Dieses Thema greifen wir sehr gerne auf und wir freuen uns auch auf Ihre interessanten Beiträge. Diskutieren Sie mit: Öffentlich hier im TP-Blog oder unter uns per E-Mail an overtourism@kondeor.at.
„Massentourismus“ & „overtourism“
Man muss sich die Frage stellen wo dieser statt findet und dort handeln. Warum nicht in diesen Zentren die Parkgebühren verdoppeln….da gibt es bestimmt kreative Zugänge. Ziel: Weniger Gäste bei gleichen Einnahmen oder höheren Einnahmen, wenn die Nachfrage soooo groß ist!! Für alle anderen Tourismus Destinationen gilt nach wie vor ein zäher Kampf um Gäste!!! Bescheide Auslastung kombiniert mit überschauen Erträgen ist wohl eher die Sorge der Orte und Betriebe, als „overtourism“.
Abgesehen von den klassischen „Nutzungskonflikten“ im unmittelbaren Lebens- und Freizeitraum scheint sich langsam, aber stetig die Vermutung zu erhärten, dass die volkswirtschaftlichen Kosten des Massentourismus seinen Nutzen durchaus übersteigen können. Viele Jahre lang war es in politischen und strategischen Runden des alpinen Tourismus verpönt, die Frage der sozialen Kosten anzuschneiden, geschweige denn, finanzielle Mittel für die Analyse und Berechnung derselben zu fordern.Der Unmut der Menschen in zahlreichen touristischen Hotspots (vor allem auch im Mittelmeerraum) rührt unter anderem daher, dass diese Form des Massentourismus für den einzlnen, aber auch für die Standortgemeinden, weit unter den ökonomischen Erwartungen bleibt. Wenn ein Kreuzfahrtschiff für wenige Stunden tausende Touristen an Land spült, die zum Abendessen wieder zurück sein sollen, ist der Wertschöpfungseffekt enden wollend.
Die Berichte, auf die Dietmar Kepplinger verlinkt, weisen auf Problemsituationen hin, die mit einem Tourismus verbunden sind, der – primär von der ansässigen Bevölkerung – als ein Zuviel empfunden wird. Sie decken die Hintergründe auf, die für das starke Wachstum des internationalen Tourismus verantwortlich sind und sie bringen Ansätze für mögliche Lösungen.
Angesichts der komplexen Problematik sind die von Dietmar Kepplinger formulierten Fragen nicht auf einfache Weise zu beantworten. Ich versuche einige Aussagen vor dem Hintergrund meiner Beobachtungen in Innsbruck zu formulieren, auch wenn sich die Geister darüber scheiden, ob wir es in Innsbruck oder andernorts in Tirol zu irgendeinem Zeitpunkt mit Overtourism zu tun haben.
Frage 1: „Kommt es dadurch zu einer weiteren Veränderung der Gästestruktur und des Gästeverhaltens?“ Natürlich kommt es dazu, da Overtourism u.a. deshalb entsteht, weil große neue Herkunftsmärkte auf den Plan treten (z.B. China, Indien, arabische Länder) und die Gäste aus diesen Ländern ihren kulturellen Hintergrund sowie alles was damit zusammenhängt in der Zieldestination nicht einfach abschütteln können bzw. wollen. Dass eine zunehmend breitere Mittelschicht an den Auslandsreisen teilnimmt, erkennt man u.a. daran, dass nicht (nur mehr) hochwertige Markenware gekauft wird, sondern dass Chinesen, Inder und Vertreter anderer Nationen mehr und mehr in Geschäften des täglichen Bedarfs zu finden sind. Damit kommt es zumindest tendenziell zu einer etwas breiteren Streuung des wirtschaftlichen Nutzens vor Ort, womit wir uns schon dem Thema Tourismusgesinnung nähern.
Diese wird in Frage 2 angesprochen: „Haben solche Berichte Auswirkungen auf die Tourismusgesinnung der ansässigen Bevölkerung?“ Dass aus Sicht der Tourismustreibenden die Tourismusgesinnung verbesserungswürdig ist, hat zunächst einmal nichts mit Berichten über Overtourism zu tun. Sie wird von den täglichen Erfahrungen in den Destinationen, dem Lebensraum der dortigen Bevölkerung, bestimmt. Selbstverständlich können solche Berichte – soweit sie die tatsächlich Betroffenen überhaupt anschauen bzw. lesen – dazu beitragen, die jeweils eigene Situation zu reflektieren. Das mag insbesondere dann Wirkung zeigen, wenn konkret vergleichbare Beispiele vorgestellt werden.
Mein Resümee: Ich denke, dass der Einfluss des Overtourism auf die Gästestruktur und das Gästeverhalten auf der Hand liegt, die Wirkung von Overtourism-Berichten auf die Tourismusgesinnung hingegen eher marginal sein dürfte. Wesentlich prägender und nachhaltig wirksamer hinsichtlich der Tourismusgesinnung sind konkrete Aktionen vor Ort: Seien es solche, mit denen den Menschen diskussionswürdige Entwicklungen vor Augen geführt werden oder seien es Projekte, die konkrete Verbesserungen der Lebensqualität der Menschen in Tourismusdestinationen zum Ziel haben (z.B. „Lebensqualität am Wilder Kaiser“)
Vielen Dank für die sehr interessanten Kommentare und E-Mails!
Den Link zu einem Beitrag darf ich nachreichen, der – wenn auch nicht aus der Perspektive des Ortes, sondern aus jener der Reisenden – in einem engen Zusammenhang zur Frage 1 steht: „Wie Urlauber auf Overtourism reagieren“ (IUBH; https://www.iubh-university.de/wp-content/uploads/IUBH_Themenmappe-Overtourism_web.pdf).
Daraus ergeben sich auch Hinweise für die Beantwortung der Hypothese, die am emotionalsten diskutiert wird: „Verstärkt die Berichterstattung über den Übermaßtourismus seine negativen Auswirkungen?“. Die oben angesprochenen Berichte sind ja hierzulande erschienen (leider weiß ich noch nichts darüber, ob zum Beispiel auch in den von Peter Haimayer angesprochenen Herkunftsmärkten China, Indien und arabische Länder über den „overtourism“ in Europa berichtet wird). Werden deshalb die Übernachtungsgäste und die individuellen Tagesbesucher aus den Nahmärkten (beides Zielgruppen mit höheren Ausgaben), insbesondere in der Hochsaison, weniger? Wird hier das Feld also zunehmend den von Ulrike Reisner angesprochenen Reisegruppen mit geringen Wertschöpfungseffekten überlassen?
Kommentieren