7. Mai 2020 | 14:26 | Kategorie:
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Schafft Post-Corona neue Tourismus- und Arbeitswelten?

Allen österreichischen Wirtschaftsforschungsinstituten zufolge ist der größte Verlierer der Covid-19-Krise die Beherbergung und Gastronomie. Unglaubliche Prozentsätze von Betriebspleiten schwirren durch die Gegend. Richtige Prognosen werden kaum aus Rücksicht auf die „Stakeholder“ öffentlich gemacht. Die ökonomische Betroffenheit von der Covid-19-Krise mit hohen Anteilen an Erwerbstätigen im Tourismus ist in Tirol und Salzburg am größten, aber auch in Wien durch die Internationalität stark.

Werden die verantwortlichen Politiker, Funktionäre, Unternehmer, ja alle Stakeholder, als Folge davon eine neue nachhaltige Vision des Tourismus und komplementärer, vielleicht auch zukunftsträchtiger innovativer Branchen entwickeln? Und hier neben dem Klimawandel, neuen Angeboten für veränderte Motive der Reisenden vor allem den Mitarbeiter ins Zentrum rücken? Ein Land sollte in erster Linie Arbeitsplätze für seine Bürger, vor allem auch die junge Generation schaffen. Im Tourismus ist dies schon lange nicht mehr. Händeringend werden je nach Saison Fach- und Hilfskräfte aus dem Ausland gesucht, um den Betrieb überhaupt in Schwung zu bringen. Ist diese Post-Corona Krise in der Beherbergungswirtschaft nicht auch dazu angetan, diesen Aspekt zu berücksichtigen? Ein gewisses Gesundschrumpfen der Hotellerie und Gastronomie wird ohnedies unausbleiblich sein. Es müssen jedoch Rahmenbedingungen für Alternativen geschaffen werden, und das ist die größte gesellschafts- und wirtschaftspolitische Herausforderung. Ein heißes Eisen: wie bereiten wir uns darauf vor? Diskutieren Sie mit.

8. Mai 2020, 11:38

Sehr geehrte Frau Mag. Danler, liebe Renate,
ich beglückwünsche dich zu deinen Kommentaren, mit denen du gerade jetzt in dieser Situation Alternativen für den Tourismus aufzeigst. Zu deinem heutigen Kommentar bringe ich zwei Punkte in die Diskussion ein:
1. „Händeringend werden je nach Saison Fach- und Hilfskräfte aus dem Ausland gesucht, …“ Das trifft zu und gute Gastronomen wissen, wie wichtig es ist, neben der Bezahlung auch für entsprechende Rahmenbedingungen wie adäquate Unterkünfte etc. zu sorgen, um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben.

Dennoch ist es so, dass Gastronomieberufe nun mal Arbeitszeiten mich sich bringen, die auch Abend- und Wochenenddienste inkludieren. In der Gastronomie tätig sein bedeutet auch vielfach, zu einem gewissen (saisonalen) Ortswechsel bereit zu sein. Und, wie ich wiederholt aus der Hotellerie höre, bestehen diese Bereitschaften bei inländischen Arbeitskräften teilweise nicht. Man braucht ja auch nur einen Urlaub in Österreichs Ferienhotellerie zu verbringen, um festzustellen, dass dort viel Personal aus dem Ausland ist – meist hervorragend geschult und motiviert, sei hier dazu gesagt.

Ich frage mich also: Sind wir hierzulande schon so verwöhnt, dass wir es nicht mehr nötig haben, ungewöhnliche Arbeitszeiten oder (saisonale) Ortswechsel auf uns zu nehmen? Bei den Fach- und Hilfskräften, die wir aus anderen Ländern „importieren“, ist das offenbar nicht der Fall. Wird die Post-Corona Krise mit den zahllosen Menschen ohne Arbeit hier vielleicht eine Änderung in der Einstellung bringen?

2. „Ein gewisses Gesundschrumpfen in der Hotellerie und Gastronomie wird ohnedies unausbleiblich sein.“ Ich gebe dir recht, dass es ein Post-Corona bedingtes Schrumpfen geben wird, wenn nicht endlich die versprochenen Hilfen der Regierung dort ankommen, wo sie gebraucht werden, nämlich bei den Betrieben.
Das „Gesund“ würde ich in dem Fall aber weglassen. Denn es spielt jenen in die Hände, die meinen, Betriebe, die jetzt zu Grunde gehen, wären ohnehin á la longue nicht überlebensfähig gewesen. Angesichts des unermüdlichen Engagements gerade unserer Familienbetriebe in Hotellerie und Gastronomie halte ich das für eine zynische Betrachtungsweise (ich beziehe dies auf diverse Aussagen der jüngsten Zeit, nicht auf deinen Kommentar). Natürlich ist es oft so, dass diese Betriebe wenig Rücklagen haben und sie die Post-Corona Krise wahrscheinlich am ehesten trifft. Doch ob das gesund für die Hotellerie, die Gastronomie und vor allem für das Tourismusland Österreich ist, bezweifle ich. Wenn die Vielfalt verschwindet und nur noch die übrig bleiben, die genügend Kapitalreserven haben, dann wäre das ein großer Verlust für den österreichischen Tourismus und würde genau das zerstören, was aus meiner Sicht zu unserem Markenkern gehört: die familiäre, persönliche, vielfältige Gastlichkeit.

11. Mai 2020, 9:40

Als nicht aus der Branche kommende befürchte ich, dass es nach der Krise zu keiner Änderung in der Haltung der Tourismusbetriebe und deren Arbeitswelt kommen wird. Wenn, müssten gesetzliche Regelungen implementiert werden. Ich vergleiche dies mit der Finanzkrise 2008, kaum war diese überstanden, sind auch wieder riskante Kapitalmarktprodukte auf den Markt gekommen und wurden investiert. Geld regiert halt die Welt…

11. Mai 2020, 11:16

Liebe Sigrid,
Dein Kommentar ist derart treffend, dass ich mich für Deine scharfe Sichtweise bedanken möchte. Schön, wie Du Dich als PR-Expertin mit dem Tourismus identifizierst!

11. Mai 2020, 11:30

Im Folgenden einige Gedanken zu den von Renate Danler aufgeworfenen Fragen.

Neue Visionen für den Tourismus. Ob nach Corona viel Neues kommt, bleibt abzuwarten. Zum einen, weil maßgebliche Akteure die Entwicklung der letzten Jahrzehnte als Erfolgsgeschichte betrachten und sich in ihrem Tun bestätigt fühlen. Zum anderen, weil die geschaffene Infra- und Suprastruktur das Beschreiten grundlegend neuer Wege erschwert. Möglich ist jedoch, dass aufgrund der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bruchlinien, die Post-Corona entstehen, unkonventionelle Denkprozesse unumgänglich werden.

Veränderte Motive der Reisenden: Da ist zu unterscheiden zwischen Motiven, die unmittelbar aus den Erfahrungen mit den Corona-Einschränkungen resultieren und solchen, die längerfristigen Trends zuzuordnen sind. Bereits angelaufene Werbekampagnen zeigen, wie das Angebot auf kurzfristig entstandene bzw. verstärkte Motive reagiert. Auf längere Sicht werden die Corona-Erinnerungen jedoch verblassen und Gewohntes wird wieder die Oberhand gewinnen.

Mitarbeiter im Zentrum: Die Mitarbeiterfrage im Tourismus ist aus den bekannten Gründen herausfordernd. Jedoch haben vor der Krise auch solche Branchen händeringend Mitarbeitende gesucht, die all jene Vorzüge aufweisen, die bei Beherbergung und Gastronomie vermisst werden. Auch ist nicht zu übersehen, dass sich seit Jahren die Schere zwischen der Ausweitung des touristischen Angebots und der Zahl der einheimischen Bevölkerung immer weiter auftut. Selbst touristische Hochburgen sind inzwischen Abwanderungsgemeinden. Das wirft die Frage auf, wieviel Tourismus zur Versorgung der eigenen Bevölkerung mit Arbeitsplätzen und Wohlstand denn überhaupt notwendig ist.

Alternativen zum Tourismus: Generationen von Forschern sowie Praktiker und Politiker haben sich darüber den Kopf zerbrochen. Auf den sprichwörtlichen grünen Zweig sind sie nur sehr bedingt gekommen. Es ist nichts in Sicht, was in der Peripherie den Tourismus mit seinen vor- und nachgelagerten Wirtschafsbereichen ersetzen und eine ausreichende Bevölkerungsdichte gewährleisten könnte. Natürlich gibt es Unternehmen, die selbst von entlegenen Standorten aus selbst europa- und weltweit agieren. Die sind aber die Ausnahme, nicht die Regel.

Kleines Resümee: Wie aus früheren Krisen so werden wir auch diesmal neu Gelerntes mitnehmen. Manches wird sich verstärken, manches verändern. Die touristische Welt werden wir aber nicht neu erfinden. Die einen werden nach wie vor die intakte Natur suchen, die anderen sich am dicht belegten Strand pudelwohl fühlen und wieder andere können das nächste Winter-Opening und die belebte Skipiste kaum erwarten.

11. Mai 2020, 15:50

Als PR-Beraterin mit Kunden aus dem Tourismus beschäftige ich mich sehr intensiv mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Als Privatperson verfolge ich die aktuellen Regelungen, Bestimmungen etc. mit großem Interesse und mache mir persönlich Gedanken über meinen nächsten Urlaub. Daher bringe ich sowohl berufsbedingt als auch als privater Gast noch folgende Aspekte in die Diskussion ein:

1. Kommunikation mit dem Gast

Die Bundesregierung beschwört uns gebetsmühlenartig, in Österreich zu konsumieren und natürlich auch zu urlauben. Einzelne Bundesländer und Regionen überbieten sich schon in ihrem „Kampf“ um den Gast. Hinzu kommen Aufrufe, Gutscheine zu kaufen, an Gewinnspielen teilzunehmen u.ä. Täglich versichern mir mehrere Häuser per e-mail und in den sozialen Medien, wie sehr sie sich schon darauf freuen, mich endlich wieder begrüßen zu dürfen.

Diese Anstrengungen in allen Ehren, aber als Gast interessiert mich vor allem: Wie werden sich die neuen Corona-Bestimmungen auf meinen Aufenthalt in einem Hotel und in einer Ferienregion auswirken? Werde ich meinen fixen Sitzplatz im Restaurant haben und im Rahmen der Essenszeiten kommen und gehen können, wann ich will, oder wird es Schichtbetrieb geben? Welche Wartezeiten im Restaurant und welche Veränderungen im Menü muss ich in Kauf nehmen, wenn Speisen inklusive des Frühstücks nur noch serviert werden dürfen? Muss ich mich für den Besuch der hoteleigenen Wellnessanlage vorher anmelden, mich in die Warteschlange stellen oder wie wird dies sonst gelöst? Wenn ich eine Ferienwohnung buche: Wie sieht es mit den Kapazitäten der örtlichen Gastronomie aus?

Genau diese und weitere Fragen des persönlichen Komforts haben sich bisher einfach nicht gestellt. Nun ist deren Beantwortung im Zuge der Marketingaktivitäten aus meiner Sicht spielentscheidend. Teilweise ist von „viel Platz“ die Rede. Aber diese Aussage ist relativ. Es gibt also in der Kommunikation mit dem Gast noch viel Luft nach oben. Konkrete Maßnahmen einzelner Destinationen und Regionen sollten hier den Vorrang vor Allgemeinplätzen haben.

2. Reduktion der Auslastung und deren Finanzierung

Hinzu kommt: Wenn die Corona-Bestimmungen eingehalten werden sollen, ohne den Komfort der Gäste allzu sehr zu beeinträchtigen, dann ist dies nur mit einer Reduktion der Auslastung möglich. Das wiederum bedeutet für die ohnehin schon leidgeprüften Hoteliers weitere Einbußen, die sie wohl nur mit höheren Preisen ausgleichen können. Was wiederum zur Folge hätte, dass sich viele Menschen den Urlaub in der Form, wie sie ihn bisher gewohnt waren, nicht mehr leisten können.

In Deutschland gibt es in einigen Bundesländern bereits Verordnungen, wonach Hotels nur 60 bzw. 50% der Betten vermieten dürfen:
https://www.businessinsider.de/wirtschaft/hotels-60-prozent-der-zimmer-vermieten-welche-buchungen-storniert-werden/

Die Frage „Schafft Post-Corona neue Tourismus- und Arbeitswelten“ wäre dann dahingehend zu beantworten, dass gleichbleibender Raum und die gleichbleibende Anzahl an Personal auf weniger Gäste aufgeteilt wird. Anders sind die geforderten Abstandsregeln und das Mehr an Service (z.B. keine Buffets) wohl kaum zu bewältigen, ohne dass erhebliche Einbußen im Komfort in Kauf genommen werden müssten. Bleibt offen, wie dies zu finanzieren ist. Vielleicht sollte die Bundesregierung beim Schnüren ihrer Pakete auch einmal darüber nachdenken.

12. Mai 2020, 10:08

Lieber Peter,
vielen Dank für Deinen analytischen und klugen Kommentar. Ich hoffe sehr, dass Du in Tirol in zukunftsorientierten Arbeitskreisen und Projekten mitwirkst. Ich denke aber, dass diese Corona-Krise eine Disruption auch für den Tourismus bedeutet, viele Betriebe nicht überleben werden, und dies auch als Chance für eine Neuausrichtung der Wirtschaft zu sehen ist. Ein Land, das jedes Jahr von neuen Rekorden im Tourismus spricht, die Einheimischen aber darin nicht arbeiten wollen, bietet keine zukunftsträchtige Lebens- und Arbeitsgrundlage. In Tirol kommt ja sicher noch dazu, dass der Tourismus ganze Täler besiedelt hält. Ich freue mich schon auf einen persönlichen Austausch mit Dir!

12. Mai 2020, 21:10

Nicht so weit in die Zukunft des Tourismus gedacht, sondern bezogen auf die Fragen, die die Hotellerie aktuell beschäftigen, ist mir heute diese Kommentar von Klaus Ennemoser im Trend.at aufgefallen. Ich meine, er bietet eine gute Ergänzung zu den bisher hier geäußerten Expertisen und Meinungen:

https://www.trend.at/branchen/tourismus-reise/viele-fragen-hoteliers-wiedereroeffnung-11474441?utm_source=Newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=trend-Newsletter+-+12.05.2020&utm_content=https%3A%2F%2Fwww.trend.at%2Fbranchen%2Ftourismus-reise%2Fviele-fragen-hoteliers-wiedereroeffnung-11474441

Liebe Renate, mit deinem Impuls hast du ein Thema angesprochen, das offenbar sehr bewegt und genau am Punkt ist. Vielen Dank!

14. Mai 2020, 10:04

Danke für diese Einladung zur Diskussion. Ein spannendes Thema mit unterschiedlichen Sichtweisen, wovon ich hier eine hervorheben möchte: die Kommunikation.

Zitat: „Werden die verantwortlichen Politiker, Funktionäre, Unternehmer … eine neue nachhaltige Vision des Tourismus entwickeln?“

Die erfolgte Krisenkommunikation hat in den ÖsterreicherInnen starke Emotionen geweckt. Wenn ich mich so umhöre, klingen Angst, Sorge und Trotz häufig hervor. Einige davon haben ihren gesunden Optimismus bewahrt. Die ersten Wochen haben wir uns noch „sicher“ gefühlt. Es ist jetzt schlimm, doch „Gemeinsam schaffen wir das“. Doch wie weit geht dieser Zusammenhalt „Gemeinsam schaffen wir das“?

Wir können ja nicht von heute auf morgen den Schalter wieder umlegen.
Wenn ich Sorge habe, mich im Urlaub anzustecken, dann werde ich einfach nicht auf Urlaub fahren.
Wenn ich es mir aufgrund der finanziellen Einbußen nicht mehr leisten kann, auf Urlaub zu fahren, dann kann ich einfach nicht auf Urlaub fahren.
Wenn die Bedingungen im Tourismusbetrieb, aufgrund der Vorschriften so unangenehm für die Gäste sind, dann werden sie das Angebot nicht nutzen.

Große Unternehmen In Wien empfehlen ihren Mitarbeitern öffentliche Verkehrsmittel zu meiden, sondern auf Rad, Roller, AUTO umzusteigen. Denn die MitarbeiterInnen haben Sorge, sich am Weg in die Arbeit anzustecken.

Der Abstand des Babyelefanten und das Tragen der (Baumwoll)Maske als „Sicherheits“faktoren waren wirksam. Sie haben uns zu einem anderen Verhalten bewegt.

Social Distancing bringt kurzfristige Lösungen hinsichtlich der Eindämmung des Corona Virus, mittel- und langfristig jedoch persönliche und wirtschaftliche Katastrophen. Schließlich ist nicht nur der Tourismus in Gefahr, sondern viele weitere Geschäftszweige, die im Zusammenhang mit ihm am seidenen Faden hängen.

Für mich stellt sich eher die Frage:
Wie muss die Kommunikation von Presse, PR, Politik gestaltet sein, dass jeder Einzelne wieder Vertrauen gewinnt, sich quer durch die eigene Region, durch Österreich und zu den Arbeitsplätzen zu bewegen?

Oder anders gefragt:
Welche Horrormeldungen müssen wir jetzt in die Zeitung bringen, damit die ÖsterreicherInnen ganz zu Hause bleiben und sich ein“igeln“?
Welche Massnahmen müssen wir im Betrieb so strikt umsetzen, damit uns die Kunden weiterhin fernbleiben?
Aus diesen negativen Antworten, gilt es spannende und interessante Lösungen zu spinnen.

Das geht. Jedoch nur miteinander. Mit einer anderen Art der öffentlichen Kommunikationskultur.

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