26. Februar 2018 | 11:58 | Kategorie:
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Overtourism

Als einer der wenigen Wirtschaftszweige ist die Tourismuswirtschaft gut durch die Krisen der vergangenen Jahre gegangen. Die Zinsen waren niedrig und die Gäste suchten in schwierigen Zeiten lieber Nah- als Fernziele auf. Dem aufmerksamen Zeitungsleser entgeht dabei nicht, dass sich an manchen Orten der Tourismus seiner Belastungsgrenze annähert: Da zeigt sich ein Bundesland, das wesentlich vom Tourismus profitiert nicht mehr bereit, sich den Olympiastress anzutun, da werden sogar Reifen von Reisebussen zerstochen und gästefeindliche Aufschriften an Häuserzeilen gemalt oder Anrainer wehren sich gegen die Eröffnung einer Gastwirtschaft.

Einem Bericht des World Tourism Trend Reports zufolge sind derzeit 19 % der Wintertouristen und 25 % der international Reisenden von zuviel Touristen beeinträchtigt und gleichzeitig ist ein neuer abschreckender Begriff entstanden, der mit „Overtourism“ bereits signalisiert, dass es da irgendwo ein zuviel des Guten gibt, das vermieden werden sollte.

Die touristische Überlastung hat bei näherer Betrachtung viel mit Konzentration zu tun – und zwar in zeitlicher und räumlicher Hinsicht. Hat etwa Österreich eine Tourismusintensität von 18, liegt etwa Sölden bei 790 und Ischgl bei 950. Global gesehen erzielen die Top 20 Destinationen 70 % der Gästeankünfte. Wenn sich dann zu den in den jeweiligen Destinationen wohnenden Gästen noch die Tagesgäste gesellen, dann wird es etwa in Venedig, Salzburg oder Dubrovnik in der Hauptsaison tatsächlich ungemütlich, weil sich alle Besucher in einem sehr eingeschränkten Raum bewegen und sich dort sprichwörtlich auf die Zehen steigen.

Wenn man das Problem erkannt hat wird ersichtlich, dass es viel mit mangelnder Steuerung zu tun hat. Man hat sich einfach zu wenig über Besucherleitung den Kopf zerbrochen und sich allenfalls über den Ansturm beschwert. Dass es funktionieren kann, zeigt etwa das Schloss Schönbrunn, wo mittlerweile auch Führungen in den Nachtstunden angeboten werden oder der Besucherstrom nach Schloss Hof in Niederösterreich umgeleitet wird. Das hat auf diese Weise im vergangenen Jahr einen Besucherzuwachs von 24 % erreichen können. Salzburg will seine jährlich 50.000 Busse in den Griff bekommen und geht daran den Busreiseveranstaltern kostenpflichtige Zeitslots für die Benützung der Parkplätze zuzuweisen und ansonsten die Zufahrt zur Innenstadt zu verweigern.

Besucherlenkung, Parkplatzbewirtschaftung, Regelungen für Zweitwohnsitze und ähnliches werden immer auch die Interessen der Wohnbevölkerung betreffen und da ist es erforderlich sie einzubeziehen und sowohl die Interessen der Tourismuswirtschaft als auch der Bewohner zu berücksichtigen und Lösungen im Konsens herbeizuführen. Denn in den meisten Fällen, wo der Tourismus als Beeinträchtigung empfunden wird, liegt kein OVERTOURISM vor sondern UNDERMANAGEMENT.

 

27. Februar 2018, 13:15

Dem Kommentar von Franz Hartl ist auf jeden Fall zuzustimmen – Overtourism hat ganz viel mit Management oder fehlendem Management zu tun.

Ziel muss dabei ein sich gesund entwickelnder Tourismus sein, der auch einen wesentlichen Beitrag für das Gemeinwohl leistet. Professionelles Management der touristischen Attraktionen und Destinationen beinhaltet auch gezielte Besucherlenkung und ein strategisches Management der Reiseströme, um die Produktqualität nicht zu gefährden bzw. optimal zu entwickeln. Beispiele dazu finden sich insbesondere in den stark frequentierten Tourismusattraktionen, aber auch in Regionen die sich gezielt mit Standortqualität oder Lebensraumkonzepten beschäftigen.
Über eine hohe Qualität des Lebensraums der Einheimischen wird in der Regel auch ein hochwertiger Erlebnisraum für den Gast erreicht.
Was sind nun die Faktoren, die die Verträglichkeit bzw. Aufnahmefähigkeit einer Destination beein-flussen und damit auch die Qualität des Produkts mit beeinflussen?
– Tragfähigkeit und Aufnahmefähigkeit von Attraktionen und der Infrastruktur
– Tourismusart und Saisonalität (z.B. Tagestourismus, Eventtourismus, Ferienzeiten, Wochen-end- und Kurzurlaubstourismus..)
– Sensibilität der Umwelt
– Soziale Aspekte (z.B. Belastung der Lebensqualität der Einheimischen, ungerechte Einkom-mensverteilung, steigende Grundstückspreise und Lebenshaltungskosten, Kulturunterschiede zwischen Reisenden und Einwohnern etc.)
– Wirtschaftliche Stabilität
– Mitbewerbersituation
Gefahr droht aber auch durch eingeschränkte Dienstleistungsqualität und in der Folge durch die reduzierte Kontaktmöglichkeit mit dem Gast. Fehlende Zeit am Kunden führt zu Anonymisierung und Verlust an Individualität im Gästekontakt.

Individualität und Qualität in der Masse – ein Widerspruch?

Bei hoher Nachfrage nach einer Destination ist auch das Spektrum an Kaufkraft bzw. die Breite des Kundeninteresses größer. Mehr Nachfrage bedeutet nicht nur die Zunahme von Abnehmern von Bil-ligangeboten sondern auch eine gestiegene Chance, hochwertige Qualitätsprodukte abzusetzen. Aus der Sicht des Anbieters gilt es die Grundsatzentscheidung zu treffen: Qualitäts- und Preisführer (vielleicht auch in einer Nische) oder Kostenführer am Massenmarkt? Beides hat nebeneinander Platz, Gefahr droht vor allem bei Mittelmaß und Austauschbarkeit. Hohe Nachfrage erlaubt auch eine höhere Varianz an Angeboten.

Wie kann höhere Qualität erreicht und gesichert werden?

1. Strategische Planung und Regelungen
(Masterpläne, Zonierungen, klare ökologische Konzepte, Monitoring und Evaluierung, Marketing bzw. Preispolitik)

2. Attraktionsmanagement und Produktentwicklung
(Entwicklung neuer (regionaler) Produkte und Dienstleistungen, die der Strategie folgen und neben lokalen Produzenten auch neue Technologien einbinden. Qualität über Spezialangebote und spezielle Dienstleistungen steigern. Qualität kann auf verschiedene Art erreicht werden. Auf der Betriebsebene finden sich gerade in touristischen Hochfrequenz-Destinationen viele hochwertige Angebote. Sowohl bezogen auf die Kategorie, aber auch hinsichtlich einer klaren Profilierung über spezielle Leistungen für bestimmte Zielgruppen)

3. Visitor Management und Besucherlenkung
(Besuchermanagement-Konzepte zur zeitlichen und geografischen Steuerung der Besucherströme verbunden mit professioneller Besucherlenkung über Beschilderung, Besucherinformation (von der Webseite bis zu elektronischen Hinweistafeln, Broschüren etc.), Ticketing-Prozesse etc.

4. Optimierte Infrastruktur
(dem Mengengeschäft angepasste, optimierte Infrastrukturen schaffen. Engpass-Situationen entschärfen, mehr Qualität im öffentlichen Raum)

5. Lebensraumkonzepte
(mit den Einheimischen ein Konzept für die Gestaltung des Lebensraums in der Region erarbeiten, dabei die Tourismusgesinnung ansprechen und durch die Hebung der Lebensqualität für die Einheimischen die Erlebnisqualität für die Gäste verbessern)

Und da schließt sich der Kreis wieder – gesunder Tourismus geht nicht ohne ein starkes Agreement der „Bereisten“ und strategisches Destinationsmanagement muss darauf Rücksicht nehmen.

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