2. Dezember 2021 | 09:40 | Kategorie:
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Lackenhof: Und wieder ein Abschied

Ende November 2021, also unmittelbar vor Start der Wintersaison wurde bekannt, dass das Skigebiet Lackenhof am Ötscher seine Pforten für immer schließen wird. Auch wenn für Beobachter der Szene die Nachricht als solche nicht unbedingt überraschend kam, der Zeitpunkt ihrer Umsetzung war doch einigermaßen bizarr.

Der Sturm der Entrüstung ließ nicht lange auf sich warten. Betroffene lancierten eine Online-Petition und Politiker anderer Couleurs übten heftige Kritik an der geplanten Schließung. Sie wurden und werden nicht müde, auf die gesellschaftliche und regionalwirtschaftliche Bedeutung dieses 19 Pistenkilometer umfassenden Skigebietes hinzuweisen.

Weiterer Puzzlestein im Rückzug der Kleinskigebiete

Wie dem auch sei! Das offensichtlich bevorstehende Ende dieses (Klein-) Skigebietes ist ein weiterer Puzzlestein einer Entwicklung, die in Österreich um die Jahrtausendwende verstärkt eingesetzt hat und sich bis heute kontinuierlich fortsetzt. Vergleichbares ist auch aus den anderen Alpenländern bekannt.

Die Ursachen dafür liegen auf der Hand, wobei in der Regel mehrere Faktoren die Abwärtsspirale antreiben: geringe Größe, niedere Lage, Schneemangel, ausdünnende Nachfrage, Konkurrenzdruck, fehlende Wirtschaftlichkeit, Investitionsstau, interne Querelen und schlussendlich Zahlungsunfähigkeit.

Studie zu aufgegebenen Kleinskigebieten

Zwei Wissenschaftler, Matthias Heise und Christoph Schuck, beide weder Alpenbewohner noch Touristiker, haben das Thema stillgelegte Skigebiete in einer umfassenden Studie am Beispiel der Schweiz aufgearbeitet. Titel ihres Werkes: „Letzte Bergfahrt – Aufgegebene Skigebiete in der Schweiz und ihre touristische Neuausrichtung“.

Da beide ihren Arbeitsplatz und Lebensmittelpunkt im Ruhrgebiet haben, war ihnen die Thematik aufgelassener Infrastrukturen vom Prinzip her bekannt: Sie hatten sich dort nämlich mit aufgegebenen Kohlenzechen und ihren Nachnutzungen auseinandergesetzt. Die Alpen und das Ruhrgebiet sind zwar grundverschieden, die Prozesse von Verfall und Erneuerung weisen aber – von der Dimension einmal abgesehen – durchaus vergleichbare Gesetzmäßigkeiten auf. So mag es sich lohnen, den Blick auf einige Kernaussagen der beiden Autoren zu lenken.

Kurzes Resümee der gewonnenen Erkenntnisse

Aufbruchstimmung in Boomzeiten: In den Boomzeiten des Pistenskilaufs, in den 1960er-, 1970er und auch noch in den 1980er Jahren, haben viele Gemeinden und Unternehmer ihr Heil in der Schaffung von Wintersportangeboten gesucht. Allerdings wurden, in Erwartung einer rosigen Zukunft, die Gewinnerwartungen oft viel zu hoch angesetzt.

Zu langes Festhalten am Bestand: Aufstiegsanlagen und Skipisten, auch wenn sie in ihrer Größe noch so überschaubar waren und sind, bieten den Standortgemeinden und der dortigen Bevölkerung eine wirtschaftliche Perspektive. Daher ist es verständlich, dass oft über lange Zeit hinweg große Anstrengungen unternommen und alle möglichen Initiativen gesetzt werden, um die Skigebietsinfrastruktur zu erhalten. Doch irgendwann verliert auch das Argument der Umwegrentabilität seine Zugkraft.

Individuelle Gestaltung des Strukturwandels: Mit der Auflassung eines Skigebietes ist die Herausforderung verbunden, für und mit den Betroffenen vor Ort neue, wirtschaftlich tragfähige Perspektiven zu entwickeln. Je nachdem, über welche Potenziale die Region, ihr Umfeld sowie die dort lebenden und arbeitenden Menschen verfügen, kann der Weg in andere Bereiche des Tourismus und / oder zu wirtschaftlichen Säulen außerhalb des Tourismus beschritten werden.

Öffentliche Hilfe plus Eigeninitiative: Für den Strukturwandel ist die Unterstützung seitens der öffentlichen Hand unabdingbar, finanziell wie fachlich und strategisch. Genau so wichtig, ja noch wichtiger im Hinblick auf eine nachhaltig erfolgreiche Neuorientierung ist aber die Eigeninitiative der Unternehmer sowie der gesamten Bevölkerung vor Ort.

Landschaft pur greift zu kurz: Ein reiner Landschaftsbezug, u.a. in Verbindung mit sanftem Tourismus, wie er im Umfeld von Skigebietsauflassungen gerne propagiert wird, ist in aller Regel nicht das Allheilmittel. Denn es braucht ein Mindestmaß an Nachfrage, um nicht nur den einen oder anderen Betrieb, sondern eine ganze Gemeinde bzw. Region wirtschaftlich wieder nach vorne zu bringen.

Ebenso wenig ist es zielführend aufgelassene Skipisten einfach in ökologische Ausgleichsflächen zu verwandeln, etwa zugunsten der Ausweitung eines anderen Skigebietes, von Verkehrsflächen oder Industrieanlagen. Das kann am betroffenen Ort den Verlust von Entwicklungpotenzialen nach sich ziehen sowie zu Perspektiv- und Mutlosigkeit führen.

Aufgelassene Skigebiete und Erinnerungskultur: Auch wenn Aufstiegsanlagen und viele Skipisten technische Eingriffe in die alpine Landschaft darstellen, sind sie doch Teil der alpinen Kulturlandschaft. Es sind zudem Einrichtungen, die Jahrzehnte hindurch Teil der Identität eines Ortes, einer Gemeinde oder einer Talschaft waren. So macht es absolut Sinn, das eine oder andere Objekt einer geeigneten Nachnutzung zuzuführen und als Zeuge einer vergangenen, skialpinistischen Epoche der Gemeinde für die Zukunft zu bewahren. Genauso wie es etwa im Ruhrgebiet mit Objekten aus der Zeit der Steinkohleproduktion geschehen ist.

Zurück ins Mostviertel

Die Diskussion um die Schließung oder den weiteren Betrieb des Skigebiets Lackenhof am Ötscher ist inzwischen voll entbrannt und die Petition zur Erhaltung der Lifte nähert sich der Marke von 20.000 Unterschriften.

Was dabei auch immer herauskommt: Es ist in jedem Fall eine gute Übung, sich am Ötscher über eine Zukunft ohne Pistenskilauf Gedanken zu machen. Möglicherweise resultieren daraus unerwartete Perspektiven, die den Horizont für eine neue Identität des Ortes und der Region öffnen. Und möglicherweise kommen dabei die Betroffenen zur Erkenntnis, dass es für eine nachhaltig erfolgreiche Zukunft der Region mehr braucht, als nur einige Liftsessel und Liftbügel, die den ganzen Tag im Kreis herumfahren.

7. Dezember 2021, 17:33

Für viele Menschen ist es schwer gewohnte Pfade zu verlassen und ein Geschäftsmodell radikal zu ändern, weil das unbekannte Neue Unsicherheit und Zukunftsangst mit sich bringt. Da führt man doch lieber ein bekanntes Geschäftsmodell fort auch wenn man schon ahnt, dass es längst seinen Zenit überschritten hat.

Da braucht es einen langen Diskussionsprozess und Anstoß von außen um unter Hinweis auf geglücktes Neuorientieren und -ausrichten auch die Ängstlichen und Beharrlichen mitzunehmen und auf neue Ziele einzuschwören.

Solche Anläufe zu strategischer Neuorientierung in Regionen waren in vielen Fällen nicht von Erfolg gekrönt, weil es nicht gelungen ist die wesentlichen Spieler dafür zu begeistern. Beim ersten Rückschlag – der unweigerlich kommen wird – fühlen sich dann die bestätigt die es eh schon immer gewusst haben.

Eine öffentliche Intervention kann nur dadurch argumentiert werden, dass damit Zeit für eine Neuausrichtung gewöhnen wird. Keinesfalls darf sie dazu führen, dass man alte, unrentable Geschäftsmodelle weiterführt.

8. Dezember 2021, 19:02

Obwohl ich auch zu jenen gehöre, der eine Petition für den Fortbestand des Skigebietes Lackenhof-Ötscher unterschrieben hat, sehe ich die weitere Entwicklung dieser Region sehr kritisch. Schon längst müssten Konzepte vorliegen, die Alternativen aufzeigen und in denen die Wünsche der Lackenhofner eingearbeitet werden. Da sind leider wertvolle Jahre vergangen. Entweder fehlt ein geeigneter Moderator oder es fehlt die ernstgemeinte Absicht der Lackenhofner, gemeinsame Lösungen zu finden. Die öffentliche Hand und damit die Steuerzahler oder ein privater Investor bringen keine (nachhaltige) Lösung. Die Ausführungen von Peter Haimayer finden meine volle Zustimmung. DANKE

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