Kuratieren – unterschätzte Praktik im Contentmarketing?
Die Technik des Kurartierens wird im Tourismusmarketing sehr sparsam eingesetzt. Überwiegend konzentrieren sich Destinationen, Bergbahnen und Hotels auf die Produktion von Inhalten. Dabei wird oft “mehr“ von ohnedies schon vorhandenen Inhalten erstellt.
Nahezu jede Kirche, jede Almhütte, jede Sauna und jede Skipiste findet man in der Google Bildersuche oder bei Youtube.
Die 3 Gründe sind bekannt:
- Preisverfall bei den Kameras, jedes Smartphone ist eine gute Foto-/Video Kamera.
- Einfacher Zugang zu Verbreitungsplattformen wie Youtube, FlickR, Instagram & Co.
- Talente – die in ihrem Brotberuf irgendeiner Tätigkeit nachgehen, demonstrieren in ihrer Freizeit ihre unglaublichen, erzählerischen Fähigkeiten mittels Text, Bild und Video.
Wie kann der Tourismus vorhandene Inhalte für sich nutzen?
Kuratieren bedeutet auswählen. Verbindungen schaffen, zwischen Dingen die nicht ursächlich zusammenhängen. Die großen Attraktionen sind bekannt und ausreichend beschrieben. Was dazwischen ist, will entdeckt werden.
3 Methoden fürs Kuratieren
Aggregieren von Inhalten
Inhalte die auf verschiedenen Plattformen in ihrer Tiefe vorhanden sind, werden auf einer eigenen Webpräsenz zu einer “neuen” Geschichte mit Link zum Originalartikel zusammengestellt.
Beispiel:
- eine “Orientierungs Karte” mit den Ausgangsparkplätzen für Wander- und Skitouren
- eine “Liste der Experten” z.B. Haubenlokale oder Bio-Produzenten
- Übersicht der wichtigsten Veranstaltungen im Monat
Mashup von Inhalten
Unterschiedliche Medientypen werden zusammengemischt.
Beispiel:
- ein Textartikel wird mit passenden Videos von Dritten angereichert
- die ausgezeichneten Lokale einer Destination aus dem Tripadvisor Award auf einer Map darstellen,
Chronologische Abfolge von Inhalten
“Der perfekte Sporttag in der Destination” oder “Ein Kreativ-Wochenende in Innsbruck” kombinieren kulinarische, sportliche, erholsame und sinnliche Aktivitäten in einer zeitlichen Abfolge.
Nachdem in der TP-Blog Umfrage Best Practise Beispiel gewünscht wurden, hier eines vom Salzburger Hof.
Der Salzburger Hof hat eine komplette Wand in der Hotellobby als Stadtkarte von Salzburg gestaltet. Daneben gibt’ es einen QR Code zum Download einer selbst kurartierten Google Maps Karte. Neben Bars und Restaurants findet der Betrachter auch Sound of Music Locations, Ausflüge außerhalb der Stadt, Besonders schöne Aussichtspunkte usw…
Diese Karte wurde in Google Maps vom Hotel erstellt. Die Inhalte stammen aus den Google My Business Einträgen der einzelnen Betriebe ergänzt um eigene Tipps und Fotos.
Ein perfekter Reiseführer in der App, die von den Gästen standardmäßig genutzt werden. Verbreiten kann man dieses kurartierte Karte auf der eigenen Webseite, im Newsletter oder in einem persönlichen Mail vor der Anreise als Service.
Kuratieren ist, in einem von Überfluss geprägten Umfeld, eine spannende Kommunikationstechnik. Tourismus Marketer sollten recherchieren, welche bereits vorhandenen Inhalte genutzt werden können. (Fremdsprachen, Social Media Plattformen, etc… )
- Welche Themen wären in einer Destination besser zu kurartieren als zu produzieren?
- Empfehlungen der DMO können zu Konflikten mit anderen Leistungsträgern führen. Wie gehen man mit der Situation um? (Den Gast und andere Plattformen interessiert das nämlich gar nicht)
- Welchen Mehrwert erhalten die Betriebe der Region durch kurartierte Inhalte?
Ideen dazu gerne hier im Kommentar.
PS: Das wäre vielleicht auch ein Session Thema beim Castlecamp in Kaprun. Interessierte Touristiker, Berater und Unternehmer könnten in 1-2 Stunden eine Checkliste erstellen und dann
das Resultat bitte unter “Creative Commons” allen zur Verfügung stellen 🙂
Danke für die wertvolle Anregung, untermauert mit einem guten Beispiel. Letzteres veranschaulicht m.E. recht gut, was die Aufgabe einer Kuratorin bzw. eines Kurators ist, die bzw. den wir ja auch aus Kunst, Film und anderen Wirkungsbereichen kennen. Es geht darum, so wie von Reinhard Lanner beschrieben, bereits vorhandene Inhalte aus einem bestimmten Bereich nach Relevanz zu ordnen und zu attraktiven Programmen zusammenzuführen. Rein inhaltlich wird also nichts Neues produziert, vielmehr wird aus Bestehendem etwas attraktives Neues generiert und zu einem Themenkomplex zusammengefügt.
Kuratieren ist demzufolge mit mehreren Herausforderungen verbunden. Beispielsweise mit der klaren Definition der Zielgruppe, der Formulierung der Themen, der Auswahl der relevanten Informationen, der Verknüpfung der Inhalte zu einem neuen Ganzen mit entsprechender chronologischer und räumlicher Ordnung.
Eine entsprechende Maßnahme für eine alpine Destination wäre etwa die Zusammenstellung attraktiver Wander- und Tourenprogramme, so wie wir es ansatzweise von verschiedenen Plattformen her kennen. Hier geht es jedoch um eine destinationsspezifische Verknüpfung und Darbietung der Inhalte zu einem Wander- und Tourenprogramm für klar umrissene Zielgruppen, wofür diverse Plattformen wie bergfex.at, bergsteigen.com, outdooractive.com, tourentipp.de und wie sie alle heißen mögen wertvolle Bausteine liefern können. Natürlich sind bei allen Übernahmen auch die rechtlichen Fragen zu klären.
Ein weiterer Ansatz wäre es, einzelne Bausteine zu erarbeiten, aus denen sich erfahrene oder stärker individuell orientiere Gäste ihre eigenen Programme komponieren können,
Für Betriebe und Destinationen resultiert daraus, wenn gut gemacht, ohne Zweifel ein Mehrwert. Dieser reicht von der perfekten und problemlosen Informationsvermittlung über die Kundengewinnung und die Kundenbindung bis hin zur Unterstützung der Positionierung des Hauses bzw. der Destination.
Betrachtet man den mit dem Kuratieren verbundenen Anspruch, so drängt sich die Frage auf, ob diese Form des Content-Managements wirklich nur unterschätzt wird, oder ob man sich an diesen Zugang deshalb zu wenig heranwagt, weil reines Addieren und Kopieren doch viel leichter fällt und zudem zeitsparender ist.
Lieber Reinhard,
ich bin ein Liebhaber von kuratierten Inhalten – vor allem für Destinationen. Die größten Widerstände kommen meist von den Regionen selbst – und hier geht es um das „MEINS“ Problem. Kennst du das auch? Alles was nicht MEINS ist, hat keinen Wert. Und wenn es keinen Klick auf die eigene Website bringt – na dann erst recht nicht. Immer noch. Leider.
Ich bin auch immer wieder begeistert, was Gäste und Besucher einer Region an wertvollen Inhalten hinterlassen. Warum also das nicht nutzen?
Was ist nun der Mehrwert für die Betriebe und die Region selbst? Gute Frage. Ich denke aber, es ist falsch hier von Mehrwert zu sprechen. Es geht um den Perspektivenwechsel, den wir immer noch nicht vollzogen haben. Wir alle möchten einen begeisterten Gast. Dieser lässt sich schon lange nicht mehr nur von Hochglanzprospekten und designten Websites hinter dem Ofen hervorlocken. Und genau da kann kuratierter Inhalt meiner Meinung nach „Mehrwert“ schaffen – um wieder dieses Wort herzunehmen.
Warum noch mehr Inhalt selbst produzieren, um den ich mich dann ressourcenmäßig gar nicht mehr gut kümmern kann? Ich sehe immer mehr Webseiten, die im Zuge von „Content Marketing“ (-> wir brauchen mehr Content!) erschaffen wurden und mit zwei Zeilen nichtssagendem Text und einem bereits zum 100sten mal verwendeten Fotografenfoto ein Thema/Ausfulgsziel/Ort/Tipp (nicht) darstellen.
Du hast hier ein sehr interessantes Thema angesprochen, danke!
Hallo Reini,
wie immer ein sehr spannendes und wichtiges Thema. Wir werden das auf alle Fälle als Session beim Castlecamp vorschlagen.
@Evelyn: Deine Anmeldung zum #cczk16 vermisse ich noch 😉
lg
Rainer
WOW – endlich wird das mal offen angesprochen!
Finde die Idee – speziell vom Salzburgerhof – genial. Der Gast will ja meist eh nicht mehr die Unmenge an Prospekten mit sich herumtragen wenn es alles auch digital gibt. Wird am CC sicher eine gute Diskussionsrunde abgeben… 🙂
Combining businesses – so nenne ich es, die Verknüpfung von attraktiven Teilaspekten zu einer spannenden Geschichte, die so noch nicht gesehen und erlebt wurde. – gerne auch bereichert und ergänzt mit aktuellen Einträgen aus dem www. Oftmals auch nur kurzfristig verfügbar, dafür umso interessanter.
Auch wir würden uns sehr über kuratierten Inhalt freuen. Wir erleben das andauernd. Wir sind in einer Destination und liefern bekanntermaßen in dieser Woche viele viele Inhalte und die werden in den seltensten Fällen beachtet geschweige denn weiter verbreitet. Das wäre das einfachste, weil man ja weiß, dass wir gerade in der Region unterwegs sind. Darüber hinaus gibt es kaum Monitoring. Wenn mal ein tweet oder ein fb-Eintrag entdeckt wird, dann wird der gerade mal geliket. Auch hier wird nicht die sharing-Funktion genutzt. Oder – falls sie ausnahmsweise mal genutzt wird – dann ohne weiteren Kommentar. Hier gibt es noch sehr sehr viel Potential, was brach liegt. Das witzige ist ja, das oft mit Ressourcen-Mangel argumentiert wird (Personen, Zeit) und gerade dabei würde das Kuratieren ja helfen. Eine Strategie braucht es natürlich immer noch… Aber das ist eine andere Geschichte und eine andere Session?!?
Schade, dass wir beim Castlecamp nicht dabei sind. Ich wäre sofort mit in der Session…
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