10. Oktober 2018 | 06:19 | Kategorie:
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Dolomites Vives – wie umgehen mit Overtourism

Tourismus bringt Wohlstand und Belastung

Österreich und auch das benachbarte Südtirol leben wesentlich vom Tourismus. Beide Regionen sind gut beraten diese Quelle für Einkommen und Wohlstand auch für nachfolgende Generationen zu erhalten.  Aber 200 Millionen Menschen haben im heurigen Sommer eine Reise in Europa unternommen. Der Tourismus konzentriert sich dann immer wieder auf einige wenige Hotspots. Das sind vor allem Städte wie Barcelona, Venedig, Salzburg, Hallstadt, Krumau oder Dubrovnik. Dazu kommen einige ländliche Regionen, die aufgrund ihrer naturräumlichen Voraussetzungen und ihrer spektakulären Schönheit Anziehungspunkt für immer größere Massen von Besuchern werden.

Über das Sellajoch in Südtirol fahren an Spitzentagen bis zu 5000 Autos und das „Naturidyll“ Pragser Wildsee wird von bis zu 7000 PKW angefahren. Dazu kommen dann noch Motorradfahrer und Busse, die auf den oft schmalen Straßen das Chaos perfekt machen.

Verkehr wird beschränkt

Unter der Initiative „Dolomites Vives“ will man um Verständnis dafür werben, dass der Verkehr über die meistbesuchten Pässe starken Beschränkungen unterworfen wird. Das Projekt der Provinzen Trient und Bozen wurde ins Leben gerufen, um das Territorium der Dolomiten besser zur Geltung zu bringen und zu schützen.

An neun Tagen des Sommers 2017 zwischen dem 5. Juli und dem 30. August war der Übergang über den Sellapass von 9.00 bis 16.00 Uhr ausschließlich Radfahrern, Fußgängern, Lenkern von Elektro-Fahrzeugen und den lokalen öffentlichen Verkehrsmitteln gestattet.

Im Zeitraum von 23. Juli bis 31. August 2018, von Montag bis Freitag von 09.00 bis 16.00 Uhr, wurde um das Sellajoch der Verkehr eingeschränkt. Es wird nur eine bestimmtes Kontingent an individuellen Kraftfahrzeugen zugelassen. Stattdessen wurde der Takt des öffentlichen Verkehrs erhöht und die Gondelbahn als Alternative beworben. Nach den Experimental­phasen 2017 und 2018 wird eine längerfristige Lösung für nachhaltige Mobilität entstehen. Sie werden Regelungen für das Wochenende und die Morgen- und Abendstunden und weitergehende Beschränkungen für den Individualverkehr umfassen. Letztendlich soll die Lösung die gesamten Dolomiten und sämtliche Pässe und touristischen Konzentrationspunkte der Region umfassen.

Es ist verständlich, dass diese Initiative nicht nur Befürworter hat. Gastwirte befürchten einen Umsatzeinbruch durch weniger Tagesbesucher und Imageschaden. Die finanzielle Motivation ist verständlich gilt es doch den Tourismus als Einkommensquelle zu erhalten. Doch dafür braucht es eine unberührte Natur – deshalb kommen die Menschen letztendlich in die Berge. Weniger Verkehr auf den Pässen kann ein Risiko für den Tourismus sein aber auch eine Chance. Nachhaltigkeit steht sowohl für Naturschutz als auch für ungetrübte Erlebnisse und Erinnerungen aber ebenso das Gewährleisten von intakten Tourismuschancen in der nächsten Generation.

 

10. Oktober 2018, 11:15

Ein Facebook-Kommentar aus Salzburg zeigt die Dringlichkeit von Lösungen:

„Gut geschrieben lieber Franz!
Salzburg erstickt auch durch Overtourism, vor allem Asiaten kommen in rauhen Massen und werden für 1 Stunde durch die Altstadt getrieben, wo sie vorwiegend Selfies vor den Sehenswürdigkeiten machen…die Salzburger Politiker finden leider gar kein „Rezept“, um diese Besucherströme zu lenken und einzudämmen
Ich würde für jeden Bus mindestens € 500,- verlangen, seit heuer muss man lächerliche € 25,- berappen …“

11. Oktober 2018, 9:49

Das Schlagwort „Overtourism“ boomt wie noch nie – das Phänomen ist allerdings dem Tourismus immanent, denn es liegt in der Natur des Tourismus. Alle Menschen wollen bei bestem Wetter in ihrer freien Zeit die bekanntesten Plätze besuchen und alle haben zu Mittag Hunger – das führt zwangsläufig zu Überlastungen.
Die Marktwirtschaft hat dafür eine einfache Lösung: der Preis regelt Angebot und Nachfrage. Wenn wir davon ausgehen, dass die Zahl der Touristen weiter zunimmt, werden/müssen auch die Preise für touristische Güter steigen. Damit können nicht nur die touristischen Ströme gesteuert werden, mit den höheren Einnahmen können auch Maßnahmen zur Erhöhung der Nachhaltigkeit gesetzt werden. Das können Investitionen in die öffentliche Infrastruktur sein, aber auch höhere Löhne oder die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter. Damit wäre doch allen geholfen!

12. Oktober 2018, 16:20

Die Dolomiten zählen zweifelsohne zu den attraktivsten Gebirgen der Erde. Dass eine derart großartige Landschaft einen enormen touristischen Zuspruch erfährt, liegt auf der Hand. Damit verbunden ist speziell im Sommer ein extem starker Kraftfahrzeugverkehr auf den Dolomitenpässen. Angesichts dieser Tatsache hat Reinhold Messner, das alpinistische Aushängeschild Südtirols, schon vor Jahren Verkehrsbeschränkungen auf den Dolomitenpässen gefordert.

Mit der 2009 erfolgten Auszeichnung der Dolomiten als „Welterbe der Menschheit“ durch die UNESCO ist aber nicht nur viel Ehre verbunden, sondern auch eine besondere Verantwortung. Dieser Verantwortung nimmt sich nun die von Franz Hartl angesprochene Initiative DolomitesVives („Lebendige Dolomiten“) an und forciert Maßnahmen zur nachhaltigen Sicherung des Welterbes. Das erfolgt nicht zuletzt auch im Bewusstsein, dass die Dolomiten Lebens- und Wirtschaftsraum der einheimischen Bevölkerung sind, dessen Qualität es zu verbessern und langfristig zu gewährleisten gilt.

Die von Kultur-, Kulinarik-, Sport- und Erlebnisangeboten begleiteten Testphasen waren offensichtlich vielversprechend – und meinen Informationen zufolge hat die lokale Bevölkerung die damit verbundenen Maßnahmen akzeptiert. Sicher hat der eine oder andere Gastronom, dessen Betrieb direkt an der Straße liegt, keine Freude mit den Verkehrsbeschränkungen. Doch zum einen geht es ja nicht darum, den Individualverkehr auf Dauer auszuschließen, und zum anderen ist festzuhalten, dass – einige Schutzhütten und Berggasthöfe ausgenommen – die meisten gastronomischen Betriebe im Bereich der Dolomitenpässe sehr gut vom Wintergeschäft leben.

Die Reduktion des motorisierten Individualverkehrs auf den Dolomitenpässen bringt auf Dauer wohl mehr Chancen als Risiken, nicht zuletzt auch wirtschaftlich. Natürlich werden einige Betriebe gefordert sein, sich umzustellen bzw. sich neu zu orientieren. Auch mit dem Imageschaden, den die betroffenen Gastwirte befürchten, ist eher nicht zu rechnen. Vielmehr dürfte das Gegenteil der Fall sein, so wie bei Qualitätsprodukten, die umso mehr Begehrlichkeit wecken, je knapper das Angebot ist.

So wie die Dinge jetzt stehen, ist davon auszugehen, dass die Initiative DolomitesVives weiterentwickelt wird, wie immer diese Weiterengwicklung auch aussehen mag. Denkbar wären z.B. Bemautung, zeitliche Beschränkungen, Kontingentierung, Pkw-freie Tage, spezielle Regelungen für Einheimische – und was auch immer.

Die Region Trentino-Südtirol hat die Initiative DolomitesVives lanciert und die Aktivitäten sind derzeit auf Südtirol und das Trentino beschränkt. Die Geschichte wird aber erst dann rund, und sie erfährt erst dann ihre volle Wirksamkeit, wenn auch die Region Venetien, zu der große Teile der Dolomiten gehören, für die Sache gewonnen werden kann. Und das ist vermutlich die weit größere Herausforderung als die konzeptionelle Weiterentwicklung und künftige operative Umsetzung von DolomitenVives in der Ursprungsregion.

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