Die Zukunft der Wintersaison
In der vergangenen Woche hat sich eine Veranstaltung an der IMC Fachhochschule Krems mit der Zukunft des Wintertourismus auseinandergesetzt. Der alpine Schilauf ist eine der tragenden Säulen unseres alpinen Winterangebotes und verschafft uns eine Beinahe-Alleinstellung wie sie selten in einem anderen Wirtschaftszweig vorliegt: Mit mehr als 50 Mio. Skiertagen liegen wir weltweit an dritter Stelle und von den drei attraktivsten Skidestination in Europa liegen zwei in Österreich und von den attraktivsten zehn Destinationen liegen sieben innerhalb unserer Landesgrenzen.
Die globale Erwärmung ist allerdings ein Faktum, das wir nicht mehr länger ignorieren dürfen: Seit 1980 ist 30 % der alpinen Gletschermasse verloren gegangen und in den Alpen liegt die Jahresmitteltemperatur um 2 Grad über den Werten vor 100 Jahren. Allein seit 1980 betrug der Anstieg 1,5 % und hat sich damit rapid beschleunigt. Laut einer Klimastudie der OECD sind 76 % der Skigebiete Vorarlbergs noch natürlich schneesicher, bei einer weiteren Erwärmung um zwei Grad gilt das nur mehr für 48 %. Mehr als die Hälfte der Skigebiete können dann nur mehr mit künstlicher Beschneiung die Schneesicherheit garantieren. Der Aufwand dafür würde beträchtlich steigen und damit das Skifahren weiter verteuern.
Auf rund 250 Seilbahnunternehmen aber auch auf die Hotelbetriebe und Destinationen kommen da erhebliche Herausforderungen zu. Die Größe eines Skigebietes, dessen Schneesicherheit und die Qualität von Pisten und Schnee sind die hauptsächlichen Entscheidungskriterien für Skifans. Der Zusammenschluss von Skigebieten wird also weitergehen, weil damit deren Attraktivität steigt, aber auch Größenvorteile der Liftunternehmen verwirklicht werden können.
Dazu kommt ein absehbarer gesellschaftlicher Wandel. Der Urlaub im Winter wird nicht mehr zwangsläufig nur als Skiurlaub wahrgenommen, sondern als „Erholungsurlaub“ und „Urlaub im Schnee“. Darüber hinaus wird auch die Reisegemeinschaft bunter: Immer öfter fahren mehrere Generationen einer Familie oder größere Freundeskreise gemeinsam auf Urlaub, die neben dem Skifahren auch alternative Winter-Urlaubsangebote suchen.
Für die Regionen bedeutet das, nicht nur perfekte Skiinfrastruktur zu bieten, sondern auch zusätzliche Angebote wie Wanderwege, Rodeln oder Langlauf-Loipen – aber natürlich auch Wellness-, Gesundheits- und kulinarische Angebote. Skidestinationen haben schon in der Vergangenheit einen guten Teil ihres verdienten Geldes für das weitere Attraktiveren ihrer Destination eingesetzt. In Zukunft geht es allerdings weniger um die Nutzung noch höher gelegener alpiner Gebiete oder eine völlige Abdeckung der Pisten mit Beschneiungsanlagen sondern auch um den Ausbau der bisher weniger beachteten Sommersaison etwa durch Errichtung von thematisierten Wanderwegen in alpinen Höhen, der Einrichtung von Bikeparks und des Mountainbike-Wegenetzes oder das Forcieren der Herbstsaison für Wanderungen.
In der Vergangenheit hat die Tourismuswirtschaft die Sehnsucht der Mitteleuropäer zum Meer als ständige Bedrohung wahrgenommen und die Alpenseen hatten aufgrund mangelnder Sonnengarantie bei der Urlaubswahl oft den Kürzeren gezogen. Die Zeiten ändern sich. Es gilt einen kühlen Kopf zu bewahren und Angebote zu entwickeln, die alpine hitzefreie Höhenlage, allergenarme Umgebung und kühlendes Nass als die ultimative Verlockung erscheinen lassen. Nutzen wir die Zeit um die Basis für die Zukunft zu legen; sie ist voller Chancen.
Ja, die Veranstaltung Zukunftsperspektiven und Alternativszenarien für den Wintertourismus war inhaltlich gut besetzt und auch in der Diskussion sehr interessant. Wichtig erscheint mir, was man grundsätzlich diskutieren will und von welchen Annahmen man ausgeht.
Häufig werden bei den Zukunftsperspektiven Alternativen zum Schitourismus diskutiert und man redet über sanfte Winteraktivitäten im Schnee (Winterwandern im Schnee, Roden, etc.). Also die Annahme ist auch hier, dass ausreichend Schnee liegt. Zum Thema „Schneesicherheit“ wurde von (vor allem größeren) Schigebieten glaubwürdig argumentiert, dass für die Präparierung der Schipisten vieles technisch möglich erscheint. Es wurden auch – durchaus gute – Beispiele gebracht, wie man (zB in den Weihnachtsferien) einige schneelose Tage für die Gäste gestaltet (bis dann der Schnee fällt).
Die Frage bleibt nach den Alternativen für Regionen ohne oder mit wenig Schnee (als mögliches Zukunftsszenario). Hier werden häufig Varianten wie Wellnessoasen u.ä. als Möglichkeiten aufgezeigt. Diese Wege scheinen möglich, sind aber in der Regel – um im Winter wirklich zugkräftig zu sein – mit hohen Infrastrukturinvestitionen verbunden.
Sehr interessant erschien mir das Beispiel der Nordseeinsel Sylt: hier ist es anscheinend gelungen, eine früher ausschließliche Sommerdestination auch für Winterurlaube emotional aufzuladen und zu präsentieren. Das heißt Urlauber fahren jetzt auch im Winter nach Sylt, um dort einen Winterurlaub auf einer Nordseeinsel (ich vermute u.a. mit Stürmen etc., aber auch mit gesunden Aspekten wie frische Winterluft) zu erleben und zu genießen. Kann uns ähnliches auch für Winterurlaube in Regionen ohne oder mit wenig Schnee(sicherheit) gelingen?
Für die Diskussion und Entwicklung sind viele kleine, funktionierende Beispiele wertvoll, um Wege aufzuzeigen. Bei der Diskussion wurde (richtiger weise) eingebracht, dass „keine alternativen Lösungen für die großen Zahlen von Winterurlaubern“ erkennbar sind. Beim Schiurlaub hat Österreich europaweit einen USP. Bei alternativen Angeboten müssen wir uns wohl auch mit „kleineren Lösungen“ beschäftigen – und daraus für die Zukunft des Wintertourismus lernen.
Lieber Herr Dr. Hartl,
herzlichen Dank für den sehr spannenden, fundierten Bericht. Verbunden mit den MEGARENDS stehen uns ja große Herausforderungen bevor. Was würden Sie sich als Geschäftsführer der Österr. Hotel- und Tourismusbank angesichts dieser Zukunftstrends wünschen? Vielleicht können Sie 3 Wünsche definieren, die für ihre/unsere Klientèle gut nachvollziehbar sind.
Im Folgenden einige Gedanken zum Beitrag von Franz Hartl und den eingebrachten Kommentaren zum Thema „Die Zukunft der Wintersaison“.
1. Die Problematik des Klimawandels und dessen Auswirkungen auf die Skigebiete sind inzwischen offenkundig, und was den Grad der Betroffenheit anbelangt, auch die Differenzierung nach Höhenlagen. Früher gerne in Abrede gestellt, befasst sich nun auch die Seilbahnwirtschaft mit diesem Phänomen, wobei mit Nachdruck darauf verwiesen wird, dass man in Bezug auf die Schneeerzeugung die Sache technisch im Griff hat und im Griff haben wird. Damit sind die Pisten weiß, aber nicht unbedingt deren Umfeld, was nicht ohne Belang für alternative Winterangebote ist.
2. Ein weiterer Aspekt in diesem Zusammenhang sind Skigebietszusammenschlüsse. Sie führen nicht nur zu mehr Pistenkilometern, sondern häufig auch zu einer Differenzierung des Pistenangebots in Bezug auf die Exposition der Skipisten, was ebenfalls der Schneesicherheit dienlich ist. Zusätzliche Höhe lässt sich aber bei so manchem der anstehenden Projekte bzw. Projektideen nicht mehr gewinnen. Zudem stellt sich die Frage, ob denn alles, was da so an Zusammenschlussideen am Tisch liegt oder in den Köpfen herumgeistert, Sinn macht.
3. Bergbahnunternehmen haben in Wintersportdestinationen eine Leader-Funktion. Leader zu sein bedeutet Verantwortung zu tragen, und das nicht nur im Hinblick auf das traditionelle Kerngeschäft, die Beförderung von Menschen auf den Berg und die Ermöglichung des Gleitens ins Tal auf perfekten Pisten. Zahlreiche Seilbahnunternehmen bemühen sich seit Jahren mit Erfolg, mehrere Elemente der touristischen Wertschöpfungskette abzudecken, sodass sie breiter aufgestellt sind und von den positiven Multiplikatoreffekten, die von ihrem eigentlichen Kerngeschäft ausgehen, unmittelbaren Nutzen ziehen können. Auch ist es in den letzten Jahren gelungen, mit attraktiven themen- und erlebnisorientierten Angeboten das Sommergeschäft der Bergbahnen zu beleben und damit auch für die Betriebe im Tal und die Destination insgesamt einen Nutzen zu stiften. Angesichts dieser Innovationsfreude und Umsetzungskompetenz drängt sich die Frage auf, ob es nicht auch Aufgabe eines Bergbahnunternehmens sein könnte, den Blick weiter zu fassen und gemeinsam mit anderen Leistungsträger in der Destination vorausschauend Produkte zu kreieren, die angesichts möglicher Auswirkungen des Klimawandels das künftige touristische Geschehen absichern, nicht nur das der Destination sondern auch das des eigenen Unternehmens.
4. Wenn es um alternative Angebote zum alpinen Wintersport geht, so beziehen sich die Diskussionsbeiträge – von Wellness und Gesundheit einmal abgesehen – in aller Regel auf den Schnee. Das greift zu kurz und führt nicht zum Ziel, wenn wir damit rechnen müssen, dass es in Zukunft in bestimmten Lagen nur mehr phasenweise oder unzureichend oder überhaupt keinen Schnee gibt. Hier wird es im wahrsten Sinne des Wortes notwendig – will heißen „die Not wendend“ – sein, ums Eck zu denken und sich aus dem Erfahrungsgefängnis zu befreien, das ein bekanntes Sprichwort so beschreibt: „Wer nur einen Hammer kennt, für den ist jedes Problem ein Nagel“. Denn wenn es darum geht, angesichts des Klimawandels an die Zukunft zu denken und diese inhaltlich vorwegzunehmen, kommen wir nicht weiter, wenn wir darauf beharren, dass Winterurlaub in den Alpen mit Schnee gleichzusetzen ist bzw. ohne Schnee alles nichts ist – und in logischer Konsequenz eine Diskussion abseits davon als vergebliche Liebesmüh abgetan wird.
5. Was könnte nun angesichts dieser Herausforderungen eine Denkrichtung sein? Das von Hans Embacher in seinem Kommentar angesprochene Beispiel Sylt weist in eine mögliche Richtung. In Sylt wird in erster Linie auf das verwiesen, was man im Winter und Sommer gemeinsam hat: Das ist das Meer, das ist der Wind, das ist die gesunde Luft – und natürlich sind es auch jene touristischen Einrichtungen, die ganzjährig zur Verfügung stehen.
Bei uns sind der gemeinsame Nenner für den Winter und den Sommer die Berge, und aus unserer Fähigkeit, mit den Bergen umzugehen und daraus etwas zu machen, resultiert unsere Bergkompetenz. Und diese kann nicht allein auf den alpinen Wintersport reduziert werden, schon gar nicht angesichts der Bedürfnisse und Fähigkeiten der einheimischen Bevölkerung sowie der vielfältigen Ansprüche der Gäste. Bergkompetenz ist weit mehr, sie beinhaltet die unberührte Naturlandschaft ebenso wie die traditionell gewachsene und die modern gestaltete Kulturlandschaft (z.B. Architektur), sie umfasst die ansässigen Betriebe aus Landwirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Industrie und Handel und sie schließt die Kultur, die Sitten und die Bräuche mit ein. Bergkompetenz beinhaltet auch den Lebensraum der hier wohnenden und arbeitenden Menschen, von denen sie getragen, repräsentiert und weiterentwickelt wird. Es sollte also darum gehen, den Gästen den Berg in seinen verschiedensten Facetten näher zu bringen und schmackhaft zu machen. Ziel für die Zukunft müsste es sein, dass die Berge im Winter selbst dann Begehrlichkeit wecken, wenn sie nicht tief verschneit sind. Das ist nicht zuletzt auch eine Frage der Kommunikation und der Imagebildung, und das benötigt Zeit. Aber es geht ja nicht um das Heute oder das unmittelbare Morgen. Es geht vielmehr um die vorausschauende Gestaltung einer möglichen touristischen Zukunft, und dazu sollte das Zeitfenster genützt werden, das der in Gang befindliche Klimawandel noch offen lässt.
6. Natürlich sind auch – wie Franz Hartl bereits mehrfach eingemahnt hat – die Chancen wahrzunehmen, die der Klimawandel für den Sommertourismus in den Alpen bietet. Und möglicherweise entsteht aufgrund des Klimawandels in Zukunft ein zeitliches Kontinuum, auf dem Infrastrukturen und Themenangebote in einem fließenden Übergang vom Winter in den Sommer hineinreichen und umgekehrt. Auch können wir nach den bisherigen Erfahrungen damit rechnen, dass so manches Produkt bzw. Angebot, das zunächst die Funktion einer Nische hat, sich im Laufe der Jahre zu einem Kernangebot mit starker Nachfrage entwickelt.
7. Zur erfolgreichen Zukunft des alpinen Raumes gehören auch die Weiterentwicklung und nachhaltige Sicherung von nichttouristischen Betrieben, selbst in den Seitentälern. Dafür gibt es bereits zahlreiche ausgezeichnete Beispiele. Auch das, was in diesen Sektoren bereits besteht und noch entstehen wird sollte ein integrierter Bestandteil der Bergkompetenz sein, die damit auf einem breiten, tragfähigen und krisenresistenten Fundament basiert.
Die Fakten zum Winter und zum Thema Klima wurden in den Beiträgen bereits angesprochen. Diese sind in der Destinationsentwicklung ernst zu nehmen. Derzeit geht es bei den Winter-Geschäftsfeldern in vielen alpinen Destinationen um Standbeine (Urlaub im Schnee) und Spielbeine (schneeunabhängige Themen).
Für den Winter braucht es (wie auch für den Sommer) mehrere Geschäftsfelder in der Destination. Urlaub im Schnee ist ein zentrales Standbein und wird weiterhin das zentrale Reisemotiv im Winter bleiben. Dabei geht es um Skifahren PLUS. Das PLUS gewinnt an Bedeutung (ähnlich wie im Sommer beim Urlaub am See: Auch hier gewinnt das Aktiv-Angebot wie Wandern, Biken und/oder Genuss-, Kultur-Angebote in Verbindung mit dem See an Bedeutung – entsprechende Produkte werden entwickelt). Der Schulterschluss der Bergbahnen, Betriebe, weiteren Leistungsträgern, TVBs, Gemeinde muss dazu verstärkt werden.
Zum Standbein „Urlaub im Schnee“ müssen in den Strategien der Destinationen auch weitere Spielbeine (die schneeunabhängig laufen können) entwickelt werden. Als Ergänzung zum „Urlaub im Schnee“ und als Beitrag dazu, auch in Zukunft auf guten Beinen zu stehen.
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