China und Indien – Chancen für den ländlichen Raum?
Beim European Rural Tourism Congress vorige Woche in Litauen wurden die Chancen für den ländlichen Tourismus auf neuen Märkten wie China oder Indien diskutiert.
China und Indien – ein Hoffnungsmarkt?
Von den Chinesischen Experten wurde dem ländlichen Tourismus in Europa gute Chancen attestiert, die chinesischen Gäste reisen zunehmend in kleineren Gruppen, sie suchen „ländliche“ Erlebnisse wie z.B. Gartenanlagen (damit ist vermutlich noch nicht der Hofgarten der Bäuerin gemeint) und „Fresh Air-Tourism“ ist für Chinesen aus Ballungsräumen ein Lifestyle-Produkt. Unbedingt geraten wird, es nicht auf eigene Faust zu versuchen, sondern sich einen (Reisebüro-)Partner mit China-Know How zu suchen. Für den Indien-Markt werden unbedingt Familienorientierung und Angebote mit Goodies, Schnäppchen o.ä. empfohlen.
Resumé: die Marktchancen scheinen gegeben zu sein, es wird für diese Märkte mit riesigen Zahlen argumentiert. Aber obwohl wir vereinzelt Gäste aus beiden Ländern auf unseren Höfen haben, ist mir doch die Vorstellung, dass in größerem Umfang Chinesen oder Inder mit unseren ländlichen Gastgeberfamilien vertraut am Stubentisch sitzen, noch etwas fremd. Gibt es dazu bereits Erfahrungen, dass Gäste aus diesen Märkten „Urlaub am Land“ (abseits von Hallstadt, Salzburg oder Innsbruck) machen?
Hier einige Gedanken zur Frage Ländlicher Raum bzw. Urlaub am Bauernhof und asiatische Gäste.
Die touristische Nachfrage aus asiatischen Ländern (Süd-, Ost- und Südostasien) wird zweifelsohne weiter wachsen. Das hat mehrere Gründe und dazu tragen auch die immer intensiveren Werbemaßnahmen der österreichischen und europäischen Tourismusverantwortlichen bei (siehe dazu z.B. die jüngsten Berichte der Österreich Werbung und der Außenwirtschaft Austria).
Urlaub am Bauernhof ist in hohem Maße Familienurlaub (Eltern, Kinder, Großeltern, Enkelkinder) und er zeichnet sich durch überdurchschnittlich lange Aufenthaltsdauern aus. Und dem entsprechen jedenfalls die derzeitige (und wohl auch absehbare) Struktur sowie das Reiseverhalten der asiatischen Gäste nicht. Das wird auch dann der Fall sein, wenn die Menschen statt in riesigen Busladungen in kleineren Gruppen reisen.
Es kann sicher bereichernd sein, Gäste aus Asien auf unseren Urlaub am Bauernhof Betrieben zu empfangen. Die gute Aufbereitung der Produkte in den digitalen Medien erlaubt es interessierten Gästen denn auch, geeignete Angebote zu finden, was immer wieder einmal zu konkreten Buchungen führt. Für mich stellt sich angesichts der Dimension und der Struktur des Angebots sowie der sehr guten Auslastung der Urlaub am Bauernhof Betriebe allerdings die Frage, ob es notwendig und zielführend ist, den Fokus verstärkt auf die asiatischen Märkte zu richten.
Die Vorstellung vom Sitzen am Stubentisch bei der bäuerlichen Familie ist wohl als bewusst pointierte Darstellung von Hans Embacher zu verstehen. Meinen Erfahrungen zufolge besteht auch beim Urlaub am Bauernhof heute eine strikte Trennung zwischen privatem Wohnraum und Gästebereich. Das gilt jedenfalls für all jene – durchwegs mit vier Blumen ausgezeichneten – Betriebe, die ich kenne. Die Gefahr, dass die Gäste auf dem privaten Sofa der Vermieter sitzen und in deren Suppentopf hineinschauen, ist damit wohl als gering einzustufen.
Und zu guter Letzt ein ökologischer Aspekt: „Fresh Air-Tourism“ ist gut und recht, und dass sich Menschen aus großstädtischen Agglomerationen danach sehnen, nur zu verständlich. Es stellt sich jedoch die Frage, wie die Philosophie der gesunden ländlichen Welt, wie sie tatsächlich besteht und von Urlaub am Bauernhof vermittelt wird, mit den CO2 Bilanzen von Flugreisen und der kurzen Aufenthaltsdauer asiatischer Gäste vor Ort zusammenpassen.
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