Brauchen wir die Kleinen noch?
Kleine Unterkünfte wie Privatquartiere oder Frühstückspensionen spielten in der Aufbauphase unseres Tourismus eine bedeutende Rolle. Sie stellten Beherbergungskapazität zur Verfügung, die in einer Zeit, als es noch wenige Hotels gab, mit überschaubarem Aufwand und viel Eigenleistung geschaffen wurde. Doch schon vor Jahren hat sich das Blatt gewendet: Die Zahl der Betten in Privatquartieren und kleinen Pensionen hat seit der Mitte der 1980er Jahren stark abgenommen, bei den Privatquartieren beispielsweise um zwei Drittel. Die Ursachen dafür sind bekannt und häufig war damit auch ein Bereinigungsprozess verbunden.
In Gesprächen mit Touristikern klingt immer wieder die Sorge bezüglich einer weiteren Erosion der kleinen Einheiten durch. Das gilt besonders für jene Regionen, die zwar außerhalb der touristischen Top-Zentren liegen, die aber aufgrund ihrer Entfernung zum Arbeitsplatzangebot in den urbanen Räumen auf den Tourismus als wirtschaftliches Standbein angewiesen sind. Hier trägt jeder Gast dazu bei, dass Infrastrukturen besser ausgelastet und Nahversorger sowie À-la-carte-Restaurants stärker frequentiert werden. Kleine Beherbergungsbetriebe liefern vor allem auch einen hohen sozialen Nutzen: Sie bieten flexible Arbeitsplätze vor Ort, ermöglichen eine breitere Streuung der touristischen Wertschöpfung und tragen zur Verankerung einer positiven Tourismusgesinnung in der Bevölkerung bei.
Natürlich kann es nicht darum gehen den Ausleseprozess zu stoppen und alte Gepflogenheiten zu konservieren. Wenn es jedoch gelingt, den Nachteilen der kleinen Strukturen mit den geeigneten Mitteln zu begegnen, dann sind diese auch in unseren Breitengraden zukunftsfähig. Wohl eines der besten Beispiele dafür ist Urlaub am Bauernhof mit seinen Landesorganisationen, die dank ihres Engagements bei den Qualitätsstandards sowie mit ihren Weiterbildungsinitiativen und Vertriebsaktivitäten Maßstäbe setzen. In eine ähnliche Kerbe schlagen die Alpinen Gastgeber, denen in Salzburg, Tirol und Bayern Betriebe mit bis zu 40 Betten angehören.
Diese und ähnliche Initiativen zeigen wo anzusetzen ist, damit die Kleinen erfolgreich sein und die für ihr Angebot zweifellos vorhandene Nachfrage aktivieren können. Neben Beherbergungs- und Serviceleistungen, die den heutigen Erfordernissen entsprechen und der Einbettung in gut geführte Kooperationen sind es vor allem die Kommunikation mit dem Gast via Internet und der Vertrieb. Kommunikation und Vertrieb erfordern keine großen Investitionen sondern in erster Linie die Bereitschaft, Neues zu lernen und anzuwenden. So hat z.B. das Montafon mit seinem Programm zur e-Fitness bewiesen, dass es gelingt, die kleinen Vermieter zu aktivieren und ihnen neue Perspektiven zu öffnen. Und in Vorarlberg entsteht mit Unterstützung des Landes und im Zusammenwirken mit den Destinationen ein Apartmentpool für den professionellen Vertrieb kleiner Einheiten.
Kleine Beherbergungsbetriebe sind Teil unserer touristischen Struktur und unseres Wirtschafts- und Lebensraumes. Sie stiften einen vielfachen Nutzen und haben daher ihre Berechtigung. Damit sie aber im immer härter werdenden Wettbewerb bestehen können, benötigen sie strategische und operative Unterstützung. Diese kann und darf jedoch die eigenen betrieblichen Anstrengungen nicht ersetzen.
Für die „Kleinen“ gelten dieselben Spielregeln wie für die „Großen“: unternehmerisches Engagement, Kooperationswille und Pioniergeist sind unbedingt zu fördern und zu unterstützen, um die familiäre Atmosphäre unseres Tourismusprodukts auch in Zukunft zu sichern. Neben den von Peter Haimayer angesprochenen betrieblichen Anstrengungen braucht es daher tourismuspolitische Rahmenbedingungen – für den Aufbau, aber (und darauf ist explizit hinzuweisen) auch für den Aus- oder Umstieg. Solange letztere für die Unternehmer im Tourismus wirtschaftlich unattraktiv (oder sogar unmöglich) sind, wird „Marktbereinigung“ ein Schlagwort bleiben. Dann müssen wir uns aber auch klar darüber sein, dass es für die „Kleinen“ immer schwieriger wird…
Wer braucht die Kleinen?
ich möchte den Ausführungen von Peter Haimayer und Ulrike Reisner – die ich voll unterstreiche – noch einen Gedanken anfügen:
Wer sind die Gäste, die in einem durchschnittlichen österr. Tourismusort durch die Straßen flanieren, beim Lebensmittelhändler einkaufen, ab Abend im Gasthaus essen? Es sind zum Großteil die Gäste der kleinen und mittleren Betriebe, die zur sozialen und wirtschaftlichen Belebung des Ortes und der Region beitragen und damit auch zur Sicherung der Infrastruktur für die Einheimischen. Große Top-Hotels mit umfassender eigener Infrastruktur versuchen – betriebswirtschaftlich logisch – ihre Gäste „im Haus zu behalten“. Die Gratis-Kaffeejause oder die inkludierte Nachmittags-Suppe nach dem Schitag sind ja schon beinahe Standard geworden.
Die kleinen und mittleren Betrieben brauchen natürlich den Ort und die Infrastruktur in der Destination. Für das derzeitige und bei den Gästen beliebte, häufig mit „österreichischer Stimmung und Lebensgefühl“ etikettierte Tourismusangebot vor allem auf der Ortsebene braucht aber auch „der Tourismus“ (wen immer wir damit bezeichnen wollen) die Kleinen. Ein Tourismusort „nur“ mit 3-4 großen, hoch professionellen Hotelbetrieben anstatt der häufigen gemischten Struktur wäre (auch bei angenommener gleicher Gesamt-Bettenzahl) definitiv anders. Man kann die Vor- und Nachteile diskutieren, meines Erachtens würde aber viel vom Charme und von der Bodenständigkeit des österr. Tourismusangebots verloren gehen. Bei aller Professionalität in vielen Bereichen … Fazit: ja, die „Kleinen“ sollten unterstützt, die Rahmenbedingungen für solche Betriebe optimiert werden, aber nicht als „gute Tat an den armen Kleinen“, sondern sehr wohl im eigenen Interesse von Tourismus, Ort und Region! Ich möchte daher die Aussage von Peter Haimayer, die Kleinen hätten „ihre Berechtigung im österr. Tourismus“ in Frage stellen: meiner Meinung nach braucht der österreichische Tourismus in seiner jetzigen Form die Klein(st)- und Mittelbetriebe!
PS. für die Kleinstbetriebe, also für die Privatzimmervermieter, UaB und FeWo-Anbieter, die gemeinsam immerhin ca. 2/3 der österr. Tourismusbetriebe und 1/3 der Ö-Bettenkapaziät anbieten, ist der Ausstieg (wenn eine alternative Einkommensquelle vorhanden ist) relativ einfach. Diese Form der „Strukturbereinigung“ passiert daher geräuschlos. Hier wäre sicher Untersuchungsbedarf bzwl. Motiven, Auswirkungen auf Orte und Regionen, etc.
Alle Kommentare richtig, nur diese Erkennnisse sind nicht neu. Im Gegenteil: Mitte der 90er Jahre setzte der damalige Bundeskanzler Vranitzky erste Schritte einer österreichischen Regierungsspitze zur Anerkennung und Hebung dieses bedeutenden Tourismuspotenzials. Ich habe in zahlreichen Publikationen und Vorträgen auf diese Zusammenhänge hingwiesen. Heute setzt Mitterlehner diesen richtigen Weg fort. Gut so.
Aber wir sollten uns auch fragen: Warum ist in den vergangenen 15 Jahren in dieser Hinsicht nichts passiert, was Erkenntnisumsetzung, Verbesserung der Rahembedingungen, Unterstützung dieser so wichtigen tourismuswirtschaftlichen Basis betrifft? Warum sind die Interessensvertretungen in diesem Zusammenhang so zögerlich? Warum kümmern sich die großen Tourismusberater nur um die ebenso großen Betriebe (best practise…)?: Kleinbetriebe aller Tourismuregionen vereinigt euch….
….da haben Sie, lieber Herr Zellmann, sicher nur die wirklich ganz großen (Tourismus)Berater gemeint 😉
Alpine Gastgeber, Urlaub am Bauernhof, Privatzimmerverbände, Qualifizierungsoffensive Carnuntum, Idee zur Qualitätsoffensive Kärnten für Kleinvermieter….Ein kleiner Auszug aus unserer Referenzliste. Getreu unserem Motto „Qualität im Tourismus“. Auf allen Ebenen.
Meine Masterarbeit, die ich erst kürzlich am MCI für Tourismus & Entrepreneurship abgegeben habe, handelt von genau diesem Thema „Qualitätsmangement in privaten Beherbergungsbetrieben“.
In Tirol ist jedes zweite von 340.000 Gästebetten in der Hotellerie zu finden, 30 % in Ferienwohnungen, 15 % in Privatquartieren. Die privaten Unterkünfte können
diesen relativ hohen Marktanteil jedoch nicht bei den Nächtigungen aufweisen.
Im Tourismusjahr 2008/09 können die privaten Ferienwohnungen 15,8 % (+ 2,8 % zum Vorjahr) Marktanteil an Nächtigungen erzielen. Die Privatquartiere verlieren 5,8 % Nächtigungen gegenüber dem Vorjahr und machen 6,5 % der Nächtigungen aus. Den größten Anteil (33 %) an den Gesamtnächtigungen in Tirol können die 4* und 5*-Hotels verzeichnen, gefolgt von den 3* Hotels mit 20 % Marktanteil.
Die Tourismusbranche ist mit einigen Herausforderungen konfrontiert. So zeigt die touristische Entwicklung der letzten Jahre eine zunehmende Internationalisierung des Marktes. Die Ursache hierfür liegt vor allem in der Entwicklung des Luftverkehrs, wodurch die Entdeckung neuer Destinationen und Fernreisen in den Augen der Urlauber stark an Bedeutung gewonnen hat. Diese Internationalisierung führt zu einer Steigerung der Anbieterzahl am Verkäufermarkt und somit zu einer intensivierten internationalen Konkurrenz sowie zu einem steigenden Wettbewerb am Tourismusmarkt. Dabei kommt noch hinzu, dass die Beurteilung der angebotenen Qualität stets aus Kundensicht erfolgt, und der Kunde somit eine zentrale Rolle im Überleben des Hotelbetriebs einnimmt.
Nur durch Qualitätsstrategien und Differenzierung können sich die Dienstleister im Tourismus, somit auch die Beherbergungsbetriebe, behaupten. Denn nur jene Tourismusbetriebe können wettbewerbsfähig sein bzw. bleiben, die den stetig steigenden qualitativen Ansprüchen der Konsumenten gerecht werden und sich als Ziel setzen die Erwartungen der Kunden positiv zu erfüllen.
Eine nicht zu unterschätzende Herausforderung ist der Umgang mit den neuen Medien. 1999 erreichen rund 10 % der Anfragen den Vermieter via E-Mail. Heute kommen Gästeanfragen zu 63 % über das Medium Nummer eins – das Internet (Kohl, 2009).
Jedoch haben private Beherberger als Unternehmer meist nicht den gleichen Bildungsstandard wie z. B. Führungs- und Fachkräfte in Hotels. Ebenso finden wir bei den Kleinstvermietern teilweise auch eine Altersschicht, die ihre Ausbildung und Haupterfahrung noch lange vor der Zeit des Internets gemacht haben. Hinzu kommt noch das Problem, dass gerade die älteren Vermieter sich scheuen Seminare zu besuchen, um diesem Nachholbedarf zu begegnen und Wissen aufzuholen . Die Schwierigkeit bei derartigen Ausbildungen oder Qualifizierungsprogrammen ist, dass sich die Vermieter häufig die Frage stellen, „ob sie das brauchen“, und meinen sie „wissen ja wie es geht“.
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