Wird Corona die Tourismuskommunikation verändern?
Die letzten Wochen haben das Leben von Unternehmer*innen, Mitarbeiter*innen und Gästen enorm herausgefordert. Viele kurzfristig notwendige Maßnahmen wurden umgesetzt, die Gesellschaft zeigt sich solidarisch, hält zusammen.
Aktuell spür ich die Sehnsucht nach Antworten. Von irgendwem. Wann es weitergeht. Wie es weitergeht. Wann Grenzen aufgehen.
Dass wir uns schon länger in einer größeren Veränderungsphase befinden, war vor Corona vielen Menschen nicht so ersichtlich. Veränderung, zum Beispiel durch diese Digitalisierung. Von manchen verherrlicht wie ein goldenes Kalb. Von anderen verteufelt und als Gefahr für die sozialen Bindungen der Gesellschaft bezeichnet. Und manche haben die technologische Entwicklung einfach benutzt, damit sie die Arbeitsprozesse optimieren.
Veränderungen lösen oft ein Gefühl der Unsicherheit aus. Daher auch die Suche der Menschen nach Antworten, um die Komplexität und Ungewissheit zu reduzieren.
So paradox es klingen mag – die Zeiten, in denen wir leben erfordern aber genau das Gegenteil von Unternehmer*innen und Mitarbeitern. Wir sollten Komplexität steigern, also konkret die Zahl der Möglichkeiten erweitern anstatt auf einfache Antworten zu reduzieren.
Dazu müssen wir: Selber Denken.
Und Denken bedeutet: Fragen stellen.
Gute Fragen, die völlig neue Dimensionen & Horizonte eröffnen.
In einer spontanen Webkonferenz mit einigen Touristiker*innen durfte ich letzte Woche solche Beispiele erfahren und diskutieren:
Beispiel DMO:
Wolfgang Breitfuß, Geschäftsführer TVB Saalbach-Hinterglemm
Wie kann man Teile von Events in die virtuelle Welt verlagern?
Die White Pearl Mountain Days https://www.wpmdays.at/ bringen seit 4 Jahren zum Frühlingsskilauf zusätzlich feinen „DJ-Sound“ in die Region Saalbach Hinterglemm – Leogang – Fieberbrunn. Mehr als 30 Top DJs spielen für 2 Wochen live an unterschiedlichen Hotspots im Skigebiet.
Aufgrund der aktuellen Situation musste diese Veranstaltung abgesagt werden.
Was haben Sie gemacht, Herr Breitfuß?
- Virtual Sunset Sessions
Gemeinsam mit dem Veranstalter wurde vereinbart, die DJs via Livestream von Zuhause auftreten zu lassen - Täglich um 18:00 h wurde dieser Stream über die Social Media Kanäle der Veranstalter & offiziellen Partner gestreamt Link: https://www.facebook.com/pg/wpmdays/posts/
- Jeder teilnehmende DJ hat an seinem Wohnort ein Set gebaut und von dort LIVE eine Stunde mit seinem eigenen Equipment übertragen.
Learnings?
- Täglich mehrere tausend Zuseher und mehrere hundert Kommentare zu den Videos
- Technischer Aufwand der Home Sessions war relativ überschaubar, meist reichte den DJs ein Mobiltelefon
- Wichtig: Niederschwellige Unterhaltung und keine werblichen Botschaften vermitteln
Beispiel Kultureinrichtung:
Florian Waitzbauer, Head of Digital Belvedere
Wenn die Gäste nicht zu uns kommen, wie können unsere Kunstwerke zu den Gästen kommen?
Das Belvedere in Wien ist eines der führenden Museen weltweit. Die berühmte Kunstsammlung umfasst Werke vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Bereits seit zwei Jahren mehreren Jahren macht es sich das Museum zur Aufgabe, den Vorteil der Digitalisierung für sich zu nutzen und neue Formate & Erzählweisen zu entwickeln. Derzeit sind auch im Belvedere alle Türen geschlossen.
Was haben Sie gemacht, Herr Waitzbauer?
- Via Instagram, Twitter, Youtube und Facebook kommt das Belvedere mittels Online-Kurzführungen Stream zu den Gästen Besucher*innen nach Hause
- Aktuell wird täglich um 15 Uhr wird ein Kunstwerk durch einen Kunstvermittler / Kurator vorgestellt.
- Die Filme wirken real – keine aufwendigen Werbeclips sondern ein Look & Feel wie wenn sich der Kurator ein Handy schnappt und vor dem Bild steht.
Learnings?
- Streaming Look & Feel anstelle von klassischen Social Media Postings haben sich bewährt, erzeugt bei Betrachter ein Gefühl von „jetzt, gleichzeitig dabei zu sein“ auch wenn Teile vorproduziert sind.
- Kompetenzaufbau im Bereich „Inhouse Produktion“ hat Geschwindigkeit gebracht, die Präsentationskompetenz unserer Kunstvermittler sind von großem Vorteil
- Die Herausforderungen waren weniger technischer Natur, vielmehr ging es um Fragen wie Bildrechte & Formatentwicklung.
Beispiel Fitnessstudio
Philipp Wöhrle, Founder The COI Vienna
Wie können wir mit unserem Crossfit Angebot unsere Community Zuhause erreichen?
The COI Vienna ist ein Crossfit & Fitnessstudio in Wien. Das umfangreiche Fitness- und Coachingangebot ist bei den Mitgliedern fixer Bestandteil des täglichen und wöchentlichen Tagesablaufs. Durch die aktuelle Situation ist es der Community nicht möglich, diesen Ablauf beizubehalten. Gleichzeitig ist die Fitnesscommunity mit einer Vielzahl an virtuellen Sportangeboten via Internet konfrontiert.
Was haben Sie gemacht, Herr Wöhrle?
- Wir haben sehr rasch begonnen, für unsere Mitglieder Gruppenstunden 3x am Tag live zu übertragen https://www.instagram.com/thecoivienna/
- Wir haben uns die Frage gestellt: „Wie schaffen wir es bei der Community das Gefühl zu wecken, nicht nur passive Mitturner zu sein?
- Daher sind wir dazu übergegangen, die Videos zu professionalisieren und einen stärkeren Fokus auf persönliches Coaching der Teilnehmer während der Einheiten zu legen
Learnings?
- Wir sind stolz, dass wir alles schnell umgesetzt haben. Wir hätten aber noch schneller sein können.
- Wir haben uns neue Skills zugelegt, z.B. Einsatz von Zoom und wie wir das Tool immer besser nutzen können, wie wir besser präsentieren können, wie wir besser sprechen können
- Wir kommen als stärkeres und effizienteres Team aus dieser Krise heraus
Drei schöne Beispiele, wie durch die permanente Bearbeitung von zentralen Fragestellungen, Neues entstanden ist. Videotelefonie, Chatsysteme usw.. wurden früher überwiegend von jungen Menschen benutzt. Aufgrund von Homeoffice sind diese neuen Instrumente nun auch für viele unserer Gäste zu Standard-Tools geworden. Daher ergeben sich völlig neue Chancen der Kommunikation mit unseren Gästen.
Fragen, die wir uns alle stellen sollten:
Wie kann ich die Ideen von oben (weiter)entwickeln, um durch Einsatz von Technologie
- …zukünftig die Vorfreude bei meinen Gästen zu steigern?
- …nach dem Urlaub ein regelmäßiges Stammgäste-Club-Treffen zu organisieren?
- …upselling zu betreiben oder neue Erlöskategorien zu entwickeln?
Gemeinsam statt einsam
Die Ergebnisse beim Denken verbessern sich enorm, wenn man diese mit jemandem teilt!
Daher- wenn jemand andere gute Kommunikations – Beispiele kennt oder eigene Ideen weiterentwickeln möchte, im Kommentar ergänzen, mit Freunden oder Kollegen diskutieren und einfach ausprobieren.
Die Krise hat es möglich gemacht: Seit zwei Wochen bin ich regelmäßiger Teilnehmer von Online-Veranstaltungen, die jetzt anstelle von Präsenzveranstaltungen stattfinden und stelle fest: Das hat schon was. Kein Zeitverlust für An- und Abreise, kein Hotelaufenthalt. Ich sitze eine Stunde vor dem Laptop und kann mit Menschen in anderen Erdteilen kommunizieren und deren Meinungen erfahren. Also wenn es um den reinen Wissenstransfer geht und die Zeit knapp ist – perfekt.
Darüber hinaus ist auch mein Betätigungsfeld der Lehre an Hochschulen in die digitale Welt gerutscht. Ich bin plötzlich gefordert mich mit neuen Oberflächen anzufreunden und stellt fest, dass es ganz gut möglich ist, wenn auch der direkte Kontakt und das unmittelbare Feedback fehlen. Aber künftig eine Mischung aus beiden Welten würde für mich viel Sinn machen.
Ja, manches Mal ist es so: Man muss zu seinem Glück gezwungen werden.
Lieber Franz, mir geht es ähnlich 🙂
Ich hab zwar schon einige Zeit immer wieder solche Konferenzen, aber diese Selbstverständlichkeit wie jetzt hat sich noch nie eingestellt. Und der Einsatz mit den Studierenden ist für mich mindestens so lehrreich, wie für diese.
Ich hoffe, wir nehmen uns alle die Zeit, diese Mischung beider Welten zu konzipieren und entwickeln reflektiert, welches Kommunikations-Instrument für welche Situation einen Mehrwert darstellt. Das wäre dann schon was, auch betriebswirtschaftlich….
Lieber Reinhard,
herzlichen Dank für Deinen interessanten Blog. Es wird sich nicht nur die Tourismuskommunikation verändern, sondern die Kommunikation überhaupt. Natürlich wird immer ein Bedürfnis nach einem persönlichen Treffen sein.
Ich komme gerade von einem Interview mit einer Master-Studentin, das wir virtuell über Video führten. Früher hätten wir uns getroffen. Von den vielen virtuellen Geschäftskonferenzen ganz zu schweigen.
Heute war ich sehr angetan, von einem langjährigen Hofburg-Kongressveranstalter, der schon zum 41. Male den Internationalen Motoren-Kongress mit 1.500 TeilnehmerInnen, quasi das Who is Who der Motorenbranche anzog, vom 22-24. April 2020, wie schnell er sich den Gegebenheiten der Covid-19 Pandemie anpasst und eine virtuelle Teilnahme ermöglicht, anstelle abzusagen. Chapeau!
Beispielhaft/
Wir bedauern sehr, dass die Veranstaltung heuer nicht wie geplant vom 22. bis 24. April 2020 in der Hofburg stattfinden kann, hoffen aber, mit der virtuellen Teilnahme eine neue interessante Möglichkeit anbieten zu können, um die Inhalte dieser Veranstaltung auch entsprechend kompakt und persönlich zu verbreiten.
Virtuelle TeilnehmerInnen erhalten ab Donnerstag, 23. April 2020:
● die komplette Kongresstasche mit allen Inhalten und Unterlagen inklusive der 2 Tagungsbände samt Extraheften mit allen verfügbaren Vorträgen in gedruckter Form auf postalischem Weg
● USB-Stick mit allen verfügbaren Vorträgen auch auf Englisch
● Zugang zum Teilnehmerbereich auf der Homepage des Wiener Motorensymposiums http:\\wiener-motorensymposium.at mit weiteren Informationen und Downloadmöglichkeiten (Vorträge, Lebensläufe der Vortragenden)
● Exklusiver Zugang zu allen Videos der Vortragspräsentationen, die von den Vortragenden zur Verfügung gestellt wurden (ca. ein Drittel aller geplanten Vorträge)
● Virtuelle Teilnehmer erhalten darüber hinaus – und damit als Besonderheit – Zugriff auf die Vorträge vergangener Motorensymposien (zu finden über die Literatursuche der Webseite)
Die Anmeldung zur „Virtuellen Teilnahme“ ist auf der Webseite des Wiener Motorensymposiums ab sofort möglich, weiterführende Informationen finden Sie ebenfalls unter: https://wiener-motorensymposium.at/anmeldung/.
Liebe Renate,
danke für dieses schöne Beispiel aus dem Geschäftstourismus. Gerade hier tun sich viele neue Chancen auf, vor allem in dem man die Präsenzveranstaltungen nach vorne und hinten noch besser durch digitalen Dialog verlängern kann. Dialogisches vor- und nachbereiten zwischen Veranstalter, Referenten & Publikum haben großes Potenzial zur Vertiefung von Beziehungen und Steigerung des Lerneffektes.
Lieber Markus,
danke für diese schöne Geschichte, ich mag es sehr, wenn es menschelt…
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