Vitalpin – Wir dürfen gespannt sein!
Hannes Parth ist uns als überaus erfolgreicher Bergbahnunternehmer und Skigebietsbetreiber bekannt, der mit seinem Team die Silvrettaseilbahn AG Ischgl in die Top-Liga der Skiresorts geführt hat, und das weit über die Alpen hinaus. Seit Beginn dieses Jahres ist er im „Ruhestand“ und hat damit die Möglichkeit, einerseits etwas leiser zu treten und zum anderen seinen reichen Erfahrungsschatz und seine vielfältigen Kontakte in neue Aufgaben einzubringen.
Vitalpin – Wir leben Alpen
So hat er denn auf der ITB Berlin 2019 ein perfekt vorbereitetes Projekt, dessen Kopf er ist, der breiten Öffentlichkeit vorgestellt: Die Initiative Vitalpin – Wir leben Alpen. Vitalpin versteht sich als gemeinnützige, nicht gewinnorientierte, unpolitische und international agierende Organisation mit primärem Wirkungsbereich im deutschsprachigen Alpenraum. Vitalpin will Menschen und Unternehmen vereinen, die von und mit dem Tourismus leben. Gemeinsam sollen Brücken in eine Zukunft gebaut werden, in der Mensch, Wirtschaft und Natur in den Alpen zueinander im Gleichgewicht stehen. Den angestrebten Zielen und den geplanten Maßnahmen zufolge hat sich Vitalpin die Latte sehr hoch gelegt. Um dieses Programm ernsthaft anzugehen, braucht es wohl ein schlagkräftiges, interdisziplinäres Team sowie die Zusammenarbeit mit Universitäten und Fachhochschulen.
Vitalpin – Bündnis zahlreicher touristischer Branchen
Die Presseaussendung verweist auf 25 Gründungsmitglieder aus vier Alpenländern. Zu ihnen zählen Destinationen und Tourismusverbände, touristische Sparten der Wirtschaftskammern, die Seilbahnen Schweiz, der Hotelier- und Gastwirteverband Südtirol, der Südtiroler Bauernbund, der Österreichische und der Deutsche Skiverband und – last but noch least – der PistenBully-Produzent Kässbohrer. Die Vitalpin-Website selbst listet im Moment lediglich die Branchen auf, nennt aber keine konkreten Namen von beteiligten Organisationen oder Unternehmen.
Bemerkenswerte Zielsetzung: NGO-Status für Vitalpin
Angesichts dieser Mitgliederliste ist es bemerkenswert, dass – laut Tiroler Tageszeitung vom 08.03.2019 – Vitalpin einen NGO-Status anstrebt, um bei verschiedenen Verfahren Parteistellung zu erhalten. Das hängt zweifelsohne damit zusammen, dass sich Vitalpin auch als Antwort auf die immer professioneller agierenden NGO’s versteht, welche die Verteidigung der Interessen von Natur, Landschaft und Umwelt in den Alpen auf ihre Fahnen geschrieben haben.
Grundsätzlich ist Vitalpin als eine positive Geschichte zu betrachten, geht es doch darum, für Lobbying und Meinungsbildung im Tourismus die Kräfte zu bündeln und mit einer Sprache zu sprechen.
Ein wenig Skepsis lässt sich nicht vermeiden
Das Studium der Website und der Presseausendungen von Vitalpin lässt jedoch einige Skepsis aufkommen.
Da ist einmal die Bildsprache. Unberührte Natur ohne Ende, teilweise bestückt mit glücklichen Bergwanderern. Dafür aber keine Gebäude, keine Infrastruktur, keine Liftstütze, keine Seilbahngondel, also nichts von dem, worauf der viel gepriesene ökonomische Wohlstand unserer Bergtäler beruht. Auch auf den wenigen Bildern mit Skiläufern ist nur bei genauem Hinsehen, weil in weiter Ferne und verschwommen, eine Bergstation auszunehmen. Ansonsten nur weiße Winterlandschaft und blauer Himmel soweit das Auge reicht.
Dann das Wording. Im Text, der mehrere Seiten umfasst, kommt, von „Skinationen“ abgesehen, das Wort Ski überhaupt nicht vor. Geschweige denn Begriffe wie Skigebiet, Skipiste, Seilbahn oder dergleichen. Und von Erschließung wird eher in der Vergangenheitsform gesprochen. Auf der anderen Seite finden Wortbildungen mit ökologisch, Natur und Umwelt geradezu inflationäre Verwendung.
Gehen wir einmal davon aus, dass das alles ernst gemeint ist, so dürfen sich die NGO’s, die sich seit langem für den Schutz der Alpen einsetzen, über einen kompetenten Partner freuen, der sich mit ihnen Schulter an Schulter für ein Gleichgewicht zwischen Mensch, Wirtschaft und Natur einsetzt. Sollte diese Annahme aber nicht richtig sein, so drängt sich unweigerlich das Bild vom Wolf im Schafspelz auf. Ein Blick auf die Mitgliederliste und die Postadresse von Vitalpin (ident mit jener des Tiroler Wirtschaftsbundes) lassen diese Vermutung keinesfalls abwegig erscheinen.
Starke Ansage von Vitalpin: „Kein Mehr an Menge“
„Vitalpin – Wir leben Alpen“ liefert mit einer staken Ansage selbst einen Maßstab, an dem das Tun der Initiative und ihrer Mitstreiter gemessen werden kann. Sie lautet: Kein „Mehr an Menge“ sondern ein „Mehr an Wert“. Wenn Mitglieder und Verein diesem Wortlaut folgen und diese Programmatik ernst nehmen, ist die Gründung von Vitalpin ein ebenso erfreulicher wie längst überfälliger Schritt. Allfällige Irritationen, die sich aus Bildern und Texten der Website ergeben, sind dann gegenstandslos. Und Hannes Parth, den ich sehr schätze, kann sich ein weiteres touristisches Denkmal setzen.
Zunächst einmal Danke an Peter, dass er dieses Thema hier so konstruktiv-kritisch eingebracht hat. Gerne nehme ich diesen Faden auf und darf noch ein paar weiterführende Gedanken hinzufügen:
Vitalpin bezeichnet sich selbst als gemeinnützige, nicht gewinnorientierte, unpolitische und international agierende Organisation (Seite 4 der Informationsbroschüre).
Dass Vitalpin nicht gemeinnützig sein kann, ergibt sich aus §§ 35, 36 und 40 BAO, denn offenkundig sind nicht alle Ziele des Vereins gemeinnützig.
Dass Vitalpin nicht sie unpolitisch sein kann, ergibt sich aus dem von Vitalpin selbst erklärten Ziel der Beeinflussung von gesetzen und politischen Prozessen auf nationaler und internationaler Ebene (Wir verschaffen uns politisches Gehör und gestalten gesetzliche Rahmenbedingungen aktiv mit).
Dass Vitalpin den Status einer NGO anstrebt, um bei verschiedenen Verfahren Parteistellung zu erhalten, muss ich Peter zunächst einmal glauben, weil mir die von ihm zitierte Printausgabe der Tiroler Tageszeitung nicht vorliegt (online war dazu nichts zu lesen). Aber gesetzt den Fall, dass dieses Ziel angestrebt wird, ist festzuhalten, dass Vitalpin mit großer Wahrscheinlichkeint keinen NGO-Status im Sinne der gesetzlichen Definition – gemessen an § 19 UVP-G – erhalten wird, weil es sich um keine Umweltorganisation handelt und das Wirken, wie gesgat, auch nicht als ausschließlich gemeinnützig zu qualifizieren ist.
Vermutlich ist Vitalpin eher als Lobbyist zu qualifizieren, hat sich aber bisher wohl nicht als solcher deklariert und sich im Sinne der Transparenzbestimmungen ins Register der Lobbyisten der EU eintragen lassen.
Herzlichen Dank Ulrike für deine wertvollen Ergänzungen und Anmerkungen aus rechtlicher Sicht. Der besagte Beitrag mit dem Anspruch auf NGO-Status von Vitalpin ist offenbar nur in der Print-Ausgabe der Tiroler Tageszeitung vom Freitag, 8. März 2019, Nummer 67 auf Seite 19 im Teil WirtschaftLeben enthalten und daher online nicht abrufbar.
Unter der Überschrift „Vitalpin will einen NGO-Status“ ist dort zu lesen:
„Die auf der ITB vorgestellte neue internationale Interessengemeinschaft Vitalpin, die eine Bewegung für Menschen und Unternehmen in den Alpen sein will, strebt den Status als NGO (Nichtregierungs-Organisation) an, sagt Vitalpin-Obmann Hannes Parth. Als Anwalt für das Leben in den Alpen und vor allem auch in den Tälern sei man gemäß der NGO-Definition eine private, unabhängige, nicht gewinnorientierte Organisation, die einen sozialen oder gesellschaftspolitischen Zweck verfolgt – ähnlich den Umweltorganisationen. Und wie diese möchte man dann auch Parteistellung in verschiedenen Verfahren bekommen.“
Dann fährt der Text fort mit einem Kommentar von Landeshauptmann Günther Platter zur Gründung von Vitalpin und der Ankündigung des neuen Geschäftsführers der Tirol Werbung Florian Phleps, dass im Rahmen des Zukunftsraums 4.0 noch im Frühjahr eine Initiative zur Hebung der Tourismusgesinnung starten wird.
Danke für die umfangreich recherchierten und analysierten Beiträge zu Vitalpin.
Es freut uns, dass der Auftritt auf der ITB als gut vorbereitet wahrgenommen wurde und die Ziele von Vitalpin als ambitioniert und positiv beschrieben werden. Wir schätzen es, dass Sie sich bereits so intensiv mit Vitalpin auseinandergesetzt haben, um sogar relevante Paragrafen zu recherchieren.
Wir sind eine junge Vereinigung der positives wie negatives Feedback hilft, sich zu verbessern und die gesteckten Ziele zu erreichen – bitte gerne direkt an mich als Geschäftsführerin unter theresa.haid@vitalpin.org – so können wir sicherstellen, dass die Rückmeldungen bei uns ankommen und berücksichtigt werden können.
Lieber Peter Haimayer, liebe Ulli Reisner,
ganz herzlichen Dank für die gute und konstruktive Analyse der neuen Initiative und auch für die Hinterfragung der postulierten Zielsetzungen. Ich habe ein bißchen den Eindruck, die Initiative möchte „gute Impulse für den Alpenraum setzen“, aber „wir sind gemeinnützig und streben NGO-Status an“ kommt einfach besser an und klingt fundierter. Bei der aktuellen Überlastung der (Wirtschafts-)Redakteure wird dies (ohne Recherche einer Realisierbarkeit) einfach übernommen und beim Leser/der Leserin entsteht der Eindruck, das Vitalpin kurz vor der Anmeldung des NGO-Status steht.
Liebe Theresa Haid,
der Tourismusblog ist dafür bekannt, dass hier Fakten ausgetauscht werden und auch konkret auf interessante Hinweise geantwortet wird.
Ich konnte aus Ihrer Antwort leider nicht herauslesen, ob sie die Gemeinnützigkeit und den NGO-Status tatsächlich anstreben und dies vor der itb-Präsentation (zumindest vor-)geprüft haben. Vielleicht haben ja Haimayer und Reisner etwas übersehen oder bestimmte relevante Dinge wurden nicht kommuniziert? Oder stellt sich jetzt heraus, dass bei allem guten Willen die Dinge (rechtlich) doch nicht so einfach sind? Ich würde mich über ein paar konkrete kurze Ausführungen zu den Hinweisen sehr freuen – Danke!
Persönlicher Hinweis: ich wollte mir auf der itb Ihre Präsentation anschauen, habe es aber leider terminlich nicht geschafft. Für uns als Urlaub am Bauernhof-Organisation mit enger Zusammenarbeit mit den (alpinen) Nachbarländern sind „Alpenraum-Initiativen“ interessant und wertvoll!
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