Touristische Großprojekte und Kommunikation
Großprojekte, die Natur und Landschaft beanspruchen, sind heutzutage weit schwerer durchzusetzen als noch vor Jahren. Davon ist auch der Tourismus betroffen. Die Gründe sind vielschichtig, einige seien hier genannt:
• Die bunter gewordene politische Landschaft.
• Die ökonomische und soziale Durchmischung bislang touristisch geprägter Regionen, verbunden mit der Verfügbarkeit alternativer Arbeitsplätze vor Ort oder in bequemer Pendlerdistanz.
• Die Änderung der Wertvorstellungen in der Gesellschaft im Hinblick auf Natur und Umwelt.
• Die zunehmenden Mitgliederzahlen, die verstärkte Professionalisierung sowie die enge nationale und internationale Vernetzung naturorientierter NGO’s wie alpiner Vereine oder Naturschutzorganisationen.
Reine Zahlenspiele greifen zu kurz
Damit stehen Projektwerber mehr und mehr vor der Herausforderung, ihre Vorhaben in adäquater Weise zu kommunizieren, um die Menschen für ihre Projekte zu gewinnen, jedenfalls aber um die Widerstände möglichst gering zu halten. Die alleinige Darlegung von Fakten und wirtschaftlichen Notwendigkeiten greift da viel zu kurz. Dieses Wissen sollte gerade in Tourismuskreisen eine Selbstverständlichkeit sein, stehen doch in der Kommunikation mit den Gästen das Eingehen auf deren Interessen und das Wecken von Emotionen im Vordergrund – und nicht irgendwelche Zahlenspiele.
Auf Betroffene und Kritiker zugehen
Angesichts einer immer kritischer werdenden Bevölkerung ist es keinesfalls zielführend, die Projektkommunikation auf das Lobbying in Politikerkreisen zu beschränken und die Betroffenen vor Ort außer Acht zu lassen, denn bei einer mehrheitlichen Gegnerschaft in der Bevölkerung wird das früher oder später ins Auge gehen. Auch ist es keine zielführende Strategie, Projektgegner anzuprangern oder für dumm zu verkaufen – auch dieser Schuss geht zwangsläufig nach hinten los. Vielmehr ist ein achtsames Zugehen auf sowie ein wertschätzender Umgang mit Kritikern und Betroffenen angebracht.
Die Menschen bei ihren Emotionen abholen
Die Analyse des Kommunikationsverhaltens beim einen oder anderen touristischen Großprojekt zeigt, dass sich sowohl die Projektwerber als auch die mit der Kommunikation beauftragten Agenturen primär auf die Darstellung von Zahlen und Fakten konzentrieren und damit direkt oder indirekt die ökonomischen Interessen der Projektwerber sowie des engeren Kerns der Tourismuswirtschaft in den Vordergrund stellen. Auf die Bedürfnisse, Interessen, Emotionen etc. der übrigen Bevölkerung wird nicht oder kaum eingegangen. Zu wenig angesprochen werden zudem jene Unternehmerinnen und Unternehmer, denen zwar auf den ersten Blick die Tourismusnähe fehlen mag, die bei genauerem Hinsehen aber sehr wohl vom Multiplikatoreffekt touristischer Projekte profitieren.
Es bringt auch nichts, wenn die Leser diverser Regionalzeitungen mit Anzeigen über die Bedeutung durchzusetzender Projekte bombardiert werden. Das macht die Argumentation nicht glaubwürdiger. Da ist schon Kreativität gefragt, damit Geschichten und Bilder entstehen, welche die Menschen emotional berühren und sie für das Projekt begeistern oder zumindest das notwendige Maß an Verständnis dafür entstehen lassen.
Vorausschauende und zielgruppengerechte Kommunikation
Der Weg der Emotionalisierung scheint manchen NGO‘s weit besser zu gelingen, und das ist vermutlich einer ihrer Erfolgsfaktoren bei der Mobilisierung von Widerstand. Möglicherweise ist es aber auch leichter, Emotionen zu wecken und Witz in die Sache hineinzubringen, wenn man gegen etwas ist bzw. etwas verhindern will. Aber das ist eben eine der Herausforderungen, denen sich Projektwerber im Tourismus stellen müssen und für deren Bewältigung sie eine kluge Kommunikationsstrategie benötigen.
Wie dem auch sei: Vorausschauende und zielgruppengerechte Kommunikation im Zusammenhang mit der Planung und Umsetzung touristischer Großprojekte sind ein Gebot der Stunde! Sie müssen frühzeitig einsetzen und nicht erst dann, wenn die Fronten verhärtet sind. Das gilt in besonderem Maße für Projekte in Räumen, wo es von vorneherein auf der Hand liegt, dass mit divergierenden Interessen und einer auch fachlich kompetenten Gegnerschaft zu rechnen ist.
Hinter der Ablehnung touristischer Großprojekte steht eine sinkende TOURISMUSGESINNUNG, die leider auch und oft gerade in tourismusintensiven Gebieten zu beobachten ist. Besonders interessant ist dabei, dass der Bevölkerung die wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus durchaus bewusst ist, aber diesem Wissen die subjektiven Empfindungen („Bauchgefühl“)entgegenstehen. Diese Diskrepanz wird durch einseitige Informationen, Broschüren etc. – wie Peter Haimayer treffend feststellt – nicht zu beseitigen sein.
Tourismusgesinnung ist also eine Haltung, die sehr stark in der rechten Gehirnhälfte verankert ist – eine emotionelle Einstellung zum Tourismus, eine gefühlsmäßige Bewertung der Vor- und Nachteile des Tourismus, also das Bauchgefühl. Übrigens nicht nur bei Einwohnern, die glauben nichts vom Tourismus zu profitieren, sondern auch unter Touristikern.
Letztlich stellt sich die Frage „Was tun?“. Wo setzen wir an. Wir beschäftigen uns seit einigen Jahren mit diesem Phänomen Tourismusgesinnung, arbeiten mit einigen Destinationen daran und sehen drei Ansatzpunkte: Bei den Tourismustreibenden selbst, bei den Gemeindevertretern und den Einheimischen. Ein Bauchgefühl kann man nicht mit Fakten bekämpfen. Es geht um Emotionen.
Eine ernsthaft verstandene nachhaltige Entwicklung berücksichtigt neben der ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Verträglichkeit auch eine „psychologische Nachhaltigkeit“, einer Kultur des Miteinander-Redens, des Zuhörens und der Kraft eines gemeinsamen Leitbildes für den Lebensraum der Destination.
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