Tourismusgesinnung verbessern
Mangelnde Tourismusgesinnung, Overtourism, überlastete Verkehrswege und nicht mehr leistbare Grundstücke für die Einheimischen. . . . und der Tourismus ist schuld daran.
Von Zeit zu Zeit ist es doch gut daran erinnert zu werden, was der Tourismus leistet. Tirol geht da mit gutem Beispiel voran und lässt vielleicht auch die Brust von manchem Nicht-Touristiker schwellen:
Über 90 % der rund 44 Millionen Tiroler Jahresnächtigungen entfallen auf Ausländer. Damit hat Tirol unter allen österreichischen Bundesländern den höchsten Anteil an Ausländer-Nächtigungen.
Tirol vereint mehr als ein Drittel des gesamtösterreichischen Nächtigungsvolumens auf sich und hat damit den weitaus höchsten Nächtigungsanteil aller österreichischen Bundesländer.
5 der 10 nächtigungsstärksten Wintersportgemeinden Österreichs liegen in Tirol (Sölden, Ischgl, St. Anton, Mayrhofen und Neustift im Stubaital).
Rund 70 % der zur Produktion von Beherbergungs- und Gastronomieleistungen nötigen Vorlieferungen und -leistungen kommen aus Tirol selbst, 18 % aus den anderen österreichischen Bundesländern.
Tirol ist die alpine Tourismusregion mit dem höchsten Anteil am internationalen Reisemarkt. Der Tiroler Tourismus ist damit noch stärker exportorientiert als die Tiroler Industrie.
Nahezu jeder vierte Vollzeitarbeitsplatz in Tirol – insgesamt rund 75.000 – ist direkt von der Tourismus- und Freizeitwirtschaft abhängig.
Lieber Franz Hartl
Die Crux bei der Sache: die Dinge hängen alle zusammen. Das eine hat mit dem anderen zu tun. Daher macht es auch keinen Sinn, in der Antwort wieder nur auf eines zu fokussieren. In diesem Fall auf die sehenswerten wirtschaftlichen Leistungen des Tiroler Tourismus.
Es braucht einen systemischen Ansatz, der alles in Beziehung setzt – die (Ökonomie der) Umwelt, die Arbeitsplätze, die Unternehmer/innen, die heimische Bevölkerung usw. – und so austariert, dass daraus eine gute Tourismusgesinnung resultiert. Als ebenfalls ein Teil dieses Ganzen. Das halte ich für durchaus möglich und könnte die Stoßrichtung des Plan T sein. Siehe auch: https://www.tp-blog.at/allgemeines/transformation-im-tourismus-auf-den-punkt-gebracht
Unterhalten wir uns vielleicht einmal persönlich darüber? Würde mich sehr freuen.
Herzlichst, Gerhard Frank
Lieber Franz, vielen Dank für den interessanten Hinweis auf die Zahlen, Daten und Fakten zum Tiroler Tourismus!
Unsere Befragungen zur Tourismusgesinnung auf örtlicher bzw. regionaler Ebene behandeln neben dieser vorrangig ökonomischen Dimension (s. auch Deine Zusammenfassung zu den Nächtigungen, zur Beschäftigungs- und zur Produktionsfunktion des Tourismus) auch die ökologische, die soziale und die soziokulturelle Dimension. Dabei zeigt sich nicht überraschend, dass die spezifischen Gegebenheiten im unmittelbaren Wohn-/Arbeitsumfeld und die persönliche Betroffenheit von den positiven sowie negativen Auswirkungen des Tourismus in ihren vielen Facetten die Einstellung zum Tourismus, vor allem zu den Touristen, sehr differenziert beeinflussen. Und die Ergebnisse der Befragungen geben recht eindeutige Hinweise darauf, dass das Wissen um die wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus eine persönlich empfundene relativ starke Belastung durch den Tourismus (nur? immerhin?) zum Teil kompensieren kann. Daraus resultieren kommunikationspolitische Herausforderungen, über die gesondert zu diskutieren wäre.
Lieber Gerhard Frank,
es war nicht beabsichtigt mit dem Beitrag einen umfassenden touristischen Ansatz zu verfolgen. Er hat mehr oder weniger die spontane Freude ausgedrückt, dass es neben der auch immer wieder zu recht zu führenden kritischen Diskussion auch manchmal doch Grund zur Freude und zum Feiern gibt. Weitere Diskussionen gerne direkt.
Lieber Franz Hartl,
sehr, sehr gerne. Für mich hat Ihr Beitrag das vermittelt, was Sie ausdrücken wollten. Danke dafür. Ich wollte nur ergänzen: Alles, was vor uns liegt, können wir aus einer Position der Stärke angehen! Genau das beweisen die Zahlen aus Tirol.
Ich meine zugleich, dass es gerade unter den langgedienten Expert/innen enorm viel Wissen und Können gibt, das wir dem Plan T zur Verfügung stellen sollten. Manchmal muß man dafür vielleicht einen etwas paradoxen Umweg nehmen, der so aussieht, als würde man Zweifel an dem hegen, was gerade geschieht. Aber das stimmt nicht. Das Gegenteil ist wahr: Es braucht kritische Geister, deren Tatkraft das beisteuert, was zum Gelingen vielleicht noch fehlt.
Letztlich, meine ich, wünschen wir doch alle dasselbe: Dass der österreichische Tourismus eine glanzvolle Zukunft hat. Weil er bislang eine großartige Erfolgsgeschichte gewesen ist. Man kann nichts anderes wollen, als daran mitzuwirken.
Herzlichst, Gerhard Frank
Franz Hartl verweist anhand von Daten aus der Website „Tirol Tourism Research“ auf Erfolgszahlen des Tiroler Tourismus. Diese mögen Politiker und Ökonomen begeistern, sie sind aber schon lange nicht mehr das, womit sich viele Bürgerinnen und Bürger beeindrucken lassen. Das führt zum Schluss, dass der alleinige Hinweis auf die wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus kaum zur Verbesserung der vielfach beklagten, mangelnden Tourismusgesinnung beitragen kann. Das Problem ist nämlich vielschichtig, was auch Gerhard Frank und Dietmar Kepplinger in ihren Kommentaren betonen.
Hier einige Wahrnehmungen, an die m.E. gedacht werden muss, wenn an der Schraube Tourismusgesinnung gedreht werden soll.
Menschen mit kritischer Einstellung zum Tourismus weisen ein überdurchschnittliches Bildungsniveau auf. Sie sind in der Lage, Zusammenhänge zu erkennen und vorausschauend zu denken. Sie wissen, dass sie vom Tourismus und von der touristischen Infrastruktur profitieren, sie sind aber nicht bereit, alles hinzunehmen, was ihnen von Politikern und Touristikern vorgesetzt wird. Und da sind wir bereits bei einigen Punkten, die aufmerksamen Beobachtern der Szene bekannt sind und die in Statements und Kommentaren immer wieder angesprochen werden.
Dazu gehört die offensichtliche (oder gefühlte?) Unersättlichkeit mancher Touristiker, Skigebietsbetreiber und Lokalpolitiker, die in ihrem Erfahrungsgefängnis festsitzen und lediglich linear an das weitere quantitative Wachstum denken – wenn auch immer wieder einmal verpackt in den Qualitätsaspekt.
Ein weiteres Phänomen ist das Jammern auf höchstem Niveau, wie wir es bei diversen Zwischenbilanzen und voraussichtlichen Gesamtbilanzen von Saisonen erleben. Und das Monat für Monat, sobald die Statistik Austria ihre Zahlen ins Schaufenster stellt. Einmal ist die Konstellation der Feiertage ungünstig, ein andermal kollidieren wichtige Ferientermine, dann ist Ostern zu spät, einmal gibt es keinen Schnee, plötzlich zu viel davon, dann spielt das Wetter verrückt – und so weiter und so fort. Um schließlich im Resümee darauf hinzuweisen, dass die Saison eine der besten seit Beginn der Aufzeichnungen ist.
Sensibel reagieren Bürgerinnen und Bürger, wenn ihnen Informationen über Projekte vorenthalten oder sie mit unzureichenden oder falschen Informationen abgespeist werden. Besonders heikel wird es, wenn mit dem Projekt eng vernetzte Lokalpolitiker beginnen, Druck auszuüben und die Skeptiker wissen lassen, dass sie einer glorreichen Zukunft der Region im Wege stehen. Die Betreiber einer geplanten Skigebietsverbindung in Tirol haben dafür in den letzten Wochen und Monaten perfekten Anschauungsunterricht geboten. Und wenn so etwas in einer wirtschaftlich gemischt strukturierten Region stattfindet, darf man sich nicht wundern, wenn der Widerstand größer und größer wird und der Schuss schlussendlich nach hinten losgeht.
In aller Munde sind die Investorenmodelle für neue Gästebetten in Tourismusdestinationen. Sie scheinen in Tirol da und dort aus dem Ruder zu laufen, was auch von Touristikern beklagt wird. Für die Frequentierung touristischer Infrastrukturen mögen die auf diese Weise entstehenden Bettenkapazitäten gut sein. Wenn dafür aber beste Wohnlagen in Anspruch genommen werden, braucht man sich nicht zu wundern, dass in der Bevölkerung Unmut entsteht, der auf den Tourismus insgesamt ausstrahlt.
Die Liste kritischer Punkte ließe sich mühelos erweitern. Die dargelegten Beobachtungen sollten jedoch ausreichen, um zu erkennen, dass alleine mit Kommunikationskampagnen der mangelnden Tourismusgesinnung nicht zu Leibe gerückt werden kann, auch nicht, wenn spezifische Zielgruppen gesondert angesprochen werden. Da ist schon mehr zu erforderlich, so wie es auch Franz Hartl, Gerhard Frank und Dietmar Kepplinger zum Ausdruck bringen.
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