9. Januar 2012 | 18:21 | Kategorie:
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Tourismusförderungen kürzen?

Dass in Österreich Sparen auf der Ausgabenseite angebracht ist, steht wohl außer Diskussion. Wo aber genau der Sparstift anzusetzen ist, ist nicht nur politisch, sondern gesamtwirtschaftlich ein äußerst heikles Thema. Nachfolgend einige Gedanken, wo in meinen Augen künftig Kürzungen Sinn machen und wo nicht.

Ulrike Reisner hat mit ihrem Beitrag Keynes’sches Versuchslabor eine spannende Diskussion rund um die staatlichen Eingriffe in Österreich entfacht. Franz Hartl hat in seinem Kommentar die Höhe der Wirtschaftsförderung für einige Bereiche gegenübergestellt und auf die Bedeutung von Tourismusförderungen v.a. in peripheren Räumen hingewiesen. An diese Diskussion möchte ich vor dem Hintergrund meiner Beobachtungen und Erfahrungen aus der Praxis anknüpfen.

Wie Franz Hartl richtig festhält, ist der Tourismus in manchen Alpentälern tatsächlich die einzige wirtschaftliche Perspektive: die – meist professionell agierenden – Monostrukturen sind durch die äußeren Umstände bedingt und eine grundsätzliche Entziehung von Unterstützungsleistungen wäre geradezu fatal. Andererseits sollten jene Gemeinden, die sich ausschließlich dem Tourismus verschreiben (müssen) nicht alleinige Nutznießer von Tourismusförderungen sein.

In anderen, weniger touristisch geprägten Gemeinden mögen die Auswirkungen der Kürzung von Förderungen vielleicht weniger spürbar sein, sie würden aber all jene, die dort auf den Tourismus bauen, zumindest ebenso hart treffen. Auch gemischt strukturierte Gebiete sind das Resultat äußerer Rahmenbedingungen und da das Ziel jeder Gemeinde das Wohlergehen seiner BürgerInnen ist, dürfen Gemeinden, die auf mehreren wirtschaftlich sinnvollen Standbeinen stehen, nicht bestraft werden. Der Tourismus liefert in zahllosen Gemeinden eine Differenzierung der Wirtschaft und der Arbeitsplätze sowie einen Beitrag zur Sicherung der Nahversorgung und des Freizeitangebots – und damit zur Lebensqualität. Gemischt-strukturierte Gemeinden beherbergen häufig auch die vor- und nachgelagerten Betriebe, die im Umfeld eines nachhaltigen und regionale Wertschöpfung generierenden Tourismus notwendig sind.

Fairness ist meiner Ansicht nach ein wichtiges Wort, wenn es um die künftige Verteilung von Fördermitteln geht. Doch wo die Grenzen ziehen? Projekte wie z.B. „Modellregionen für den österreichischen Tourismus“ haben gezeigt, dass die Vergleichbarkeit zwischen Regionen äußerst schwierig ist – aber gerade das macht ja unser Land und seine Tourismuswirtschaft so spannend für alle: für die Touristiker, die Politik und vor allem auch für unsere Gäste.

Ein wichtiger Maßstab für Fördermaßnahmen der Zukunft wäre für mich die Impulswirkung bzw. die Frage, ob von einer Förderung ein Schneeballeffekt ausgehen kann und wer konkret diese Schneebälle auffängt. Tourismus ist nämlich keinesfalls ein Allheilmittel bei der wirtschaftlichen Belebung von Räumen ohne jede touristische Tradition und / oder ohne spezifische Voraussetzungen für den Tourismus – auch wenn der Tourismus im Zielkatalog nahezu sämtlicher Konzepte für entwicklungsschwache Räume aufscheint. Es gibt genügend Beispiele, wo Fördermittel in den Sand gesetzt wurden, weil keine objektive Prüfung der Potenziale stattgefunden hat, die Frage nach privaten Folgeinvestitionen nicht ausreichend beantwortet wurde oder weil (partei)politisch motivierte Förderung um jeden Preis vergeben wurden.

Trotzdem bin ich der Meinung, dass eine Lenkung und damit auch Förderung des Tourismus seitens der öffentlichen Hand in vielen Fällen sinnvoll war und ist. So etwa im Bereich der Destinationsentwicklung, wo ohne Vorgaben der Politik und ohne Förderanreize vieles nicht bzw. nicht im gleichen Tempo und in gleicher Intensität entstanden wäre.

In meinen Augen wäre es wünschenswert, wenn künftig die Förderungen nach den davon ausgehenden Impulswirkungen evaluiert würden und sich die Förderungen in einem motivierenden, sinnvoll steuernden und fair argumentierbarem Maß bewegen würden. Dass der Tourismus wichtig ist, brauche ich den Lesern dieses Blogs nicht zu erklären. Ich finde aber auch, dass es Aufgabe aller Beteiligten ist (u.a. auch des Berufsstandes der Berater, dem ich selbst zugehöre), keine falschen bzw. überzogenen Erwartungen zu wecken: Dort, wo kein Wachstum möglich ist, darf auch keines propagiert werden. Auch müssen realistische Wachstumsempfehlungen stets nachhaltige Lösungen im Auge haben. Auf diese Weise denke ich, ist in Zukunft auch unter erschwerten Rahmenbedingungen eine sinnvolle Tourismusförderung möglich.

10. Januar 2012, 16:04

Danke, Peter Haimayer, für diesen spannenden Beitrag, der tatsächlich so etwas wie eine Sythese zwischen den Blogbeiträgen von Franz Hartl und mir schafft. Tatsächlich habe ich mich im „Keynes´sches Versuchslabor“ ja auch nicht gegen Investitionen der öffentlichen Hand ausgesprochen (diese vielmehr sogar bedingt gewürdigt), sondern die Frage nach der volkswirtschaftlichen Verhältnismäßigkeit aufgeworfen. Noch einmal: was nutzt es uns, wenn wir uns das gewünschte touristische Wachstum teuer erkaufen müssen? Insofern ist Haimayers Forderung nach Evaluierung des Schneeballeffekts 100%ig zu unterstützen. Ebenso wie mein Lieblingssatz aus seinem Beitrag: wo kein Wachstum möglich ist, darf auch keines propagiert werden! Richtig!

11. Januar 2012, 22:06

Angesichts der Bedeutung von Tourismus und Freizeitwirtschaft sind die Beiträge der öffentlichen für die Unterstützung der Wirtschaft und die Werbung für den Tourismus-Standort Österreich in einer Dimension, die – nicht nur unter dem Gesichtspunkt eines scheelen Blickes etwa zur Landwirtschaft – nicht mehr kleiner werden sollten.

Es hat auch die vergangene Wirtschaftskrise gezeigt, wo plötzlich die Nachfrage nach Haftungen des Bundes um mehr als 80 % in einem Jahr zugenommen hat, dass es gerade in Krisenzeiten passender und bereits funktionierender Instrumente bedarf, um negative Auswirkungen zu mildern und diesen gegenzusteuern. Wenn man erst Einrichtungen schaffen und Richtlinien entwerfen muss, um notwendige Unterstützungsmaßnahmen auf den Weg zu bringen, ist es mit Sicherheit zu spät.

Natürlich sollen Förderungs-Maßnahmen regelmäßig evaluiert werden und die Ziele sind den Anforderungen entsprechend neu zu festzulegen. Aber eine unreflektierte lineare Kürzung von Maßnahmen sollte auf alle Fälle vermieden werden.

15. Januar 2012, 21:08

Weitere Überlegungen zu diesem brisanten Thema finden Sie im Blog der Tourismusbank unter: http://www.oeht.at/blog/2012/01/14/es-muss-gespart-werden-weg-mit-den-forderungen/

17. Januar 2012, 9:21

Ich möchte euch/ihnen and dieser Stelle einfach mal Danke sagen für diese spannenden Beiträge. Ein Lehrbuchbeispiel für Fachjournalismus 2.0 (leider fällt mir kein blöderes Wort ein)

17. Januar 2012, 14:08

Vielleicht sollte sich Herr Christian Wulff einmal anhören, wie das mit den Tourismusförderungen aussieht. Wieso sollte sowas überhaupt gefördert werden? Wieso muss sich der Staat überall einschalten? Ich verstehe es nicht.

18. Januar 2012, 21:24

Wieso soll gefördert werden? Nur einmal zum Nachdenken:
– Für den regionalen Ausgleich: Investitionen in abwanderungsgefährdeten Regionen fördern, kann die Wirtschaftskraft dieser Regionen so stärken, dass ebendieses verhindert wird.
– zur Abgeltung von strukturellen Nachteilen: etwa der Tatsache, dass KMUs kein Geld von der Börse beziehe können
– Zur Wirtschaftslenkung: um ein bestimmtes Verhalten der Wirtschaftssubjekte zu erreichen (z. B. mehr in Qualität als in Mengen zum investieren, Lehrlinge zu beschäftigen, etc.)
– Förderung zur Ankurbelung der Konjunktur
– Hilfe bei Projekten mit hoher Risikoneigung

Man sieht, es kann gute auch wirtschaftspolitisch vertretbare Gründe haben und jede Förderung soll sich anhand solcher Beweggründe auch argumentieren lassen, sonst reden wir von sogenannten Mitnahmeeffekten.

17. Dezember 2012, 12:17

Ich verstehe es auch nicht, warum sich der Staat überall reinhängen muss. Vlt die absolute Kontrolle halten oder noch weiter ausbauen?

18. Dezember 2012, 11:01

Hier kann ich einen Praxisbeitrag liefern, warum sich der Staat „reinhängt“. Der Staat (= die Gemeinschaft) hat Interesse an einer bestimmten Entwicklung. In unserem Fall ist dies die wirtschaftliche Entwicklung ländlicher Regionen.
Um hier positive Impulse zu schaffen, bekommen die bäuerlichen Vermieter eine Förderung. Die Mitglieder des Verbandes bezahlen selbst immer noch erheblich mehr als vergleichbare Betriebe, die nicht organisiert sind.
Was wird damit erreicht? Mit einer konsequenten Marken- und Qualitätsstrategie wurden die Betriebe zu einer professionellen Entwicklung „animiert“. Der Nächtigungspreis der Höfe ist in den letzten 20 Jahren um das Doppelte der Inflationsrate angehoben worden, gleichzeitig konnte die Auslastung in einen wirtschaftlichen Bereich gesteigert werden. Die Gäste bewerten das Preis-/Leistungsverhältnis immer noch als ausgezeichnet.
Mit diesem Weg der Impulsgebung und Steuerung von Kleinstbetrieben in ländlichen Regionen gilt Österreich europaweit als Modell. Die Gäste auf den Bauernhöfen geben über 1 Mrd. € in den ländlichen Regionen aus uns sichern damit 23.000 Arbeitsplätze. Es handelt sich also bei den Fördermitteln keineswegs um „verlorene Zuschüsse“ (welch schöner Begriff), auch wenn der Verband die Mittel nicht direkt zurückzahlt.
Es wäre naiv zu glauben, diese Entwicklung hätte „der Markt“ (oder wer auch immer) auch selbst geregelt. Wenn die Gesellschaft (= der Staat) eine bestimmte Entwicklung wünscht, können finanzielle Anreize in einem bestimmten Rahmen viel zur Realisierung beitragen.
Zur Frage von Lilli, ob der Staat „die absolute Kontrolle halten oder ausbauen“ will: in unserem Fall gibt der Staat nur die Förderziele und gewünschten Wirkungen vor. Der Weg dorthin ist unsere Sache, dafür sind wir die Experten und Umsetzer (sorry, im Fall von UaB meistens Umsetzerinnen).

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