#Tourism4Future: Transformation im Tourismus – womit beginnen?
Kultureller Wandel ist seinem Wesen nach ein umfassendes Phänomen, das überall seinen Niederschlag findet. Im individuellen wie im kollektiven Erleben. Also im Denken, Handeln, Fühlen, Tagträumen, Kommunizieren jedes einzelnen Menschen. Aber auch im Wirtschaften, in der Wissenschaft, in der Lehre, der Rechtsprechung, der Politik und der Verwaltung. Dabei verändern sich institutionelle Regeln und Routinen und wirken als sich wandelnde Rahmenbedingung auf das individuelle Erleben zurück.
Es ist daher im Grunde egal, wo wir nach Corona neu beginnen. Wir können darauf vertrauen: Da alles mit allem zusammenhängt, breitet sich ein Beginn in der Umgebung aus und macht aus einer Larve, die wir kulturell einmal waren, Schritt für Schritt einen Schmetterling. Wir müssen es nur ernst genug betreiben. Vor allem müssen Gelder in das transformative Geschehen investiert werden und nicht in allfälligen Widerstand, der immer droht. Denn das vorherrschende Paradigma werden manche Menschen nicht kampflos aufgeben.
Also, womit im Tourismus beginnen?
Ich schlage vor, wir beginnen mit dem Wahrnehmen. Es stellt die Verbindung zur Welt her und liefert die Grundlage für unser Handeln.
Echtes Wahrnehmen schließt beherztes Handeln mit ein
Die Eltern, die ihr Kleinkind in Gefahr sehen, handeln sofort. Ebenso der Fußgänger, der auf die Straße tritt und im gleichen Augenblick den herannahenden LKW bemerkt.
Warum handeln wir dann nicht, wenn der Planet brennt? Weil wir die Brandstifter sind? Nein, wenngleich wir es natürlich sind.
Wir handeln nicht, weil wir unser Wahrnehmungskönnen falsch gebrauchen. Nur mehr in absoluten Ausnahmesituationen der unmittelbar erlebten Gefahr greifen wir auf diese ursprüngliche Kompetenz zurück.
Warum gebrauchen wir unser Wahrnehmungskönnen falsch?
Weil wir es infolge zunehmenden Medienkonsums verlernt haben.
Wahrnehmen besteht ursprünglich aus einem Kreislauf: Motorisches Tun wechselt sich mit sensorischer, sinnlicher Rückmeldung ab, die dem nächsten motorischen Schritt vorangeht und diesen einleitet. Seitdem das Wahrnehmen zunehmend von medialer Technik erledigt wird, wird dieser Kreislauf außer Kraft gesetzt.
Digitale Medien servieren uns Bilder, zu deren Zustandekommen wir keinen motorischen Beitrag leisten. Damit löst sich die sensorische Erfahrung vom motorischen Eingebundensein in der Welt. Eine Art digitale Lähmung tritt ein, eine Art „digitale Paralyse“. Als letzte Konsequenz kann ein derart Gelähmter nicht mehr eigenständig handeln. Er hat den Bezug zur physischen Welt verloren.
An der realen Rose in der Hand kann ich mich stechen. An der virtuellen Rose am Bildschirm indes nicht. Mit der ersten muss ich daher vorsichtig umgehen. Ich lerne es. Im Falle der zweiteren spielen Handlungslernen und Tun keine Rolle mehr. Ich verhalte mich passiv. Wiederholt sich diese Erfahrung, wird meine Passivität gegenüber der realen physischen Welt zu einem bestimmenden Charakterzug meines Seins. Letztendlich büßen wir damit auch unsere Handlungskompetenz ein.
Die Rettung naht
Sie lautet: Tourismus als lustvolle Wahrnehmungsschule, die unsere empirische Begabung wiederbelebt. Dass zugleich die Gäste für die natürlichen und kulturellen Phänomene in Österreich begeistert werden, ist eine notwendige und willkommene Synergie.
Was braucht es für dieses Wiedererlernen? Erlebnishandlungen im Urlaub, mit Aufgaben, die von der Wahrnehmung gelöst werden. Das macht Spaß und lässt aufgrund geteilter Freuden ein neues Können entstehen.
Selbstverständlich können dabei digitale Techniken als Werkzeuge hilfreich sein. Aber wie gesagt: Als Werkzeuge und nicht als Erlebnis-Angebote, die an die Stelle realen Erlebens treten oder mit diesem konkurrieren.
Ich arbeite gerade mit KollegInnen an einem solchen interdisziplinären Format für die Zeit nach Corona. Gerne teile ich es mit GastgeberInnen und Gleichgesinnten. Denn wir werden es nur gemeinsam schaffen!
Ich möchte gleich auf den Punkt kommen:
Transformation fängt bei jedem selbst und somit bei jedem ICH an.
Daher: Wahrnehmungsschule … Ja!
Und noch mehr: Wahrnehmungsschule zum eigenen verantwortungsvollen „ICH“.
Das ICH, das zunächst einmal fähig ist, dass wir für uns selbst sorgen können, d.h. dass unser körperliches, geistiges und beherztes Konto im Plus bleibt.
Und dann das ICH, dass sich über die eigenen Dunst- bis Komfortzonen hinaus auch für ein gesundes, zukunftsfähiges,
wie sagst Du immer, Gerhard: „enkeltaugliches“ WIR tatkräftig engagiert.
Das geht über die übliche – in WaldbademeisterInnen-Zertifizierungs- und ähnlichen Kursen trainierbare – Achtsamkeit weit hinaus.
Es geht über das Rosinenkauen und Kiefernnadeln anfassen hinaus vielmehr darum, zu spüren, was macht das denn mit MIR.
Über das „Oh, das schmeckt erst herb, dann süß, und das Süße verändert sich …“ oder „Oh, das ist ja stacheliger, weicher, whatever … als ich dachte!“
hinaus in den Resonanz Bereich: „Das mag ich, das mag ich nicht, weil …!“
Denn diese simplen Fragestellungen, die den Vor-digitalisierten Menschen noch geprägt haben, ja: prägen mussten,
bringen uns in ein wieder-erinnertes Erkennen, was uns gut tut. Was etwas wert ist für uns.
Und das ist wohl die Grundhaltung oder neu-österreichisch: „Attitude“, die es braucht, sich für etwas Gutes – erst recht gegen Widerstände – einzusetzen.
Zum Beispiel für eine klimaneutrale Zukunft ab 2040.
Es braucht jeden von uns:
Erfinden wir mögliche Erlebnishandlungen im Urlaub als Geschichten im Tourismus neu.
Erfinden wir reale Geschichten, die Gäste erst nach innen, dann nach außen bringen und von hier physisch und real nach Hause tragen werden.
So beginnt Transformation, die nicht in technischen Daten endet, sondern gelebt werden kann und
vor allem: gelebt werden will – von unseren Gästen!
Die #naturdenkerin
Kommentieren