Tourism 4 Future: Von den Bäumen klettern
Menschen in Krisensituationen reagieren vorhersehbar ähnlich: Sie schauen was andere tun. Und sie rufen nach politischen Maßnahmen, nach einer starken Hand, die diese Krise meistern soll.
Anders gesagt, sie zeigen immer auf die anderen. Nur selten aber stellen die Menschen die Frage, die eigentlich am nächsten liegt: Was kann ich tun? Wie kann ich mein Verhalten, meine Gewohnheiten ändern, damit Besserung eintritt?
Dieses anthropologische Phänomen lässt eigentlich nur einen Schluss zu: Die meisten erkennen sich selbst nicht als Quelle der Veränderung. Das erscheint mehr als seltsam. Denn wenn alle unter dieser erworbenen Blindheit leiden, kann es eine Erlösung von den Übeln nicht geben. Das schließt zugleich auch das politische Handeln mit ein. Denn dieses unterliegt ja dann derselben Blindheit.
Ich verrate Ihnen ein Geheimnis
Wandel geht immer von einzelnen Menschen aus. Als unsere Vorfahren noch auf den Bäumen hockten, wagte einer das Unvorstellbare: Er kletterte vom Baum und brach in die Savanne auf. Da war hohes Gras, also richtete er sich auf, damit er besser sehen konnte. Vielleicht war es auch eine Sie. Oder eine Gruppe, die zusammen mutiger war als der einzelne.
Also richteten sich alle auf. Wahrscheinlich hielten sie sich dabei an den Händen, weil das aufrecht Gehen vorerst ungewohnt war. Aber je länger sie dahin marschierten, umso geübter wurden sie in dieser neuen Fortbewegungsart, zu der sie das Menschsein befähigte. Und irgendwann brauchten sie die gegenseitige Stütze nicht mehr. Erfüllt von unbändiger Freude über diese neu gewonnene Freiheit liefen sie bald jauchzend durchs hohe Gras. Wie spielende Kinder. Es fühlte sich so wunderbar beglückend an! Dabei beobachteten sie aufmerksam die Umgebung. Denn wer weiß, vielleicht verbirgt sich ein Raubtier im hohen Gras. Sie waren beseelt von dem, was sie an sich entdeckt hatten, aber nicht übermütig.
So verblasste das alte Leben in den Bäumen. Und sie empfanden das, was nun vor ihnen lag als lohnender und vielversprechender als eine Rückkehr in ihre Vergangenheit.
Ich überlasse es der Leserin / dem Leser, diese Geschichte fortzusetzen. Am besten schaue man sich dabei in den Spiegel. Dann bleibt der Endpunkt derselben stets im Blick.
So ist das mit dem Wandel
Ein Schritt ergibt den nächsten. Man muss nur einen ersten tun. So kam es, dass die Menschen in die weite Welt aufbrachen, während ihre Vorfahren noch immer auf den Bäumen hockten. Die schüttelten vielleicht ihre Köpfe darüber. Ja, manche empfanden es als Verrat an ihrem Dasein. Denn dieser Aufbruch ließ auch die Erklärungen und Regeln hinter sich, die mit dem Leben auf vier Beinen im Geäst verbunden waren. „Wahrlich seltsam, dieses Verhalten!“ „Und in keinster Weise nachahmenswert!“ riefen sich die Zurückgebliebenen gegenseitig zu. „Dann gehen sie auch noch auf zwei Beinen! Abartig! Geradezu affektiert! Was bilden sich die ein, wo wir doch 4 Extremitäten zur Fortbewegung haben?“
Heute stehen wir vor einer ähnlichen Situation
Da die Warner vor dem Aufbruch ins Ungewisse. Sie klammern sich an ihre Gewohnheiten wie der Ertrinkende an das Stück Holz, das vom Schiffsbruch übrigblieb. Nichts wäre ihnen lieber als eine Rückkehr in ihre Vergangenheit.
Und dort die Verrückten, die aus ihren Gewohnheiten ausbrechen und sich aufmachen in eine Zukunft, die noch keiner kennt … ja, wo sind die nur?
Das Ungewisse erscheint dem allzu Satten, Gewohnheitsverliebten wenig erstrebenswert. Er fürchtet es wie das Kind die Dunkelheit. Aber die Verrückten gibt es! Wer sich für diesen Typ Mensch interessiert, dem sei der Film Tomorrow empfohlen. Er erzählt von heutigen Menschen und Unternehmen, die gemeinsam ins Ungewisse aufgebrochen sind. Wie einst ihre wagemutigen Vorfahren, die vom Baum herabgeklettert waren.
Und im Tourismus?
Wo sind da die Wagemutigen, die sich ins Ungewisse aufmachen? Ich zähle mich selbst dazu. Sonst würde ich nicht unermüdlich für den Wandel bloggen. Und nicht ebenso unermüdlich Menschen um mich sammeln, die mich finden, damit wir gemeinsam ins Ungewisse aufbrechen.
Der Lohn der Verrückten
Freilich ist das kein einfaches Unterfangen. Es ist unternehmerisch riskant und voller Gefahren. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Es bedeutet Verzicht: Verzicht auf Sicherheit, Verzicht auf allzu große Einnahmen, manchmal auch Verzicht auf ein geregeltes Einkommen und Verzicht auf Ansehen, weil das Kopfschütteln überwiegt.
Der Lohn dafür egalisiert jedoch dieses Risiko bei weitem. Im Falle des Gelingens – einer, der sich aufmacht, ist von nichts anderem überzeugt als von seinem Gelingen – profitieren alle davon. Und wenn der oder die Verrückte diese Rückkehr in die Zukunft, zu der er oder sie beigetragen hat, erlebt, dann gibt es keinen größeren Lohn dafür als diesen: die Gewissheit, dass sich das Alles und mithin das Leben gelohnt hat.
Am Ende des Artikels gestatte ich mir diesmal einen Wunsch
Wer heute von den Bäumen herabsteigt, sollte diesmal auf das Wohlwollen der Zögernden zählen dürfen. Wenn diese Zögernden sich ein Herz für die Zukunft fassen, dann ist viel gewonnen. Sie müssen ja nicht unter den Ersten sein. Sie müssen diesen nur den Weg ebnen. Und das können sie auf viele Arten und Weisen. Fragen Sie mich!
Gerhard Frank zeichnet für uns Touristiker eine gehbare Skizze in Richtung Wandel als Chance, um unseren Beitrag zur Zukunftsfähigkeit zu leisten. Mehr noch: er zeichnet dazu in charmant-unbequemer Weise ein Spiegelbild von uns Menschen, die wir zumeist eine mehrfache Portion Schubkraft benötigen, um erste Schritte in ein ungewisses Morgen zu wagen – selbst wenn alle Chancen der Welt darin liegen!
Doch: hätten die, die zur Sicherheit lieber auf den Bäumen sitzen bleiben, jemals solche Innovationen wie das Fahrrad, das Automobil … die Smartphones entwickelt? Wie können wir, die wir uns vielleicht wünschen, dass die neue Normalität schnell wieder die „alte“ wird, was nicht wirklich funktioniert, unsere Vorstellungkraft ein paar Zentimeter weiten und von diesem neuen Heute ausgehend nach vorne denken? Ja, vielleicht sogar die Empfindlichkeit unserer derzeitigen Systeme zum Anlass nehmen, Kraftvolleres, Beständigeres und idealerweise: Klimaneutrales – auszuprobieren?
Die Zukunft fängt mit unserer Vorstellungskraft an. Wo stehen wir denn – wo stehen Sie? Wenn wir uns den Zeitstrahl der Menschheit als ständig nach vorne treibende Kraft vorstellen: stehen Sie am Rand und schauen zu? Wenden Sie sich vielleicht sogar ab (allein die Vorstellung birgt schon etwas Fatalistisches in sich) oder bewegen Sie sich beherzt in Richtung Zentrum, zur Fahrrinne, wo – Sie verzeihen einer Nordländerin dieses Gleichnis – die Fließgeschwindigkeit am stärksten ist und immer mehr Menschen mit-nimmt, be-wegt, fasziniert, zum TUN anregt?
Sind wir Zukunftsmacher oder lassen wir uns von der Zukunft „machen“?
Sind wir Läufer oder Wegläufer?
Machen wir ein kurzes Gedanken-Experiment zum persönlichen Standpunkt? Bleiben wir beim Baum und steigen – nur versuchsweise – einmal herunter und stellen uns in aufrechtem (!) Stand zwei Szenarien vor: (A) die Welt, wie sie heute ist, mit allen Verschmutzungen, Mensch- und Tier-unwürdigen Lebensräumen, Sie haben sicher die passenden Bilder parat, und nun (B) eine Welt, die vielleicht noch möglich ist, mit zunehmend wieder intakter Natur und – stimmt: wir denken gerade über Österreich hinaus – mit Menschen, die sich untereinander sowie zu anderen Lebewesen zunehmend mitfühlend und fair verhalten, Sie haben hoffentlich auch hier die passenden Bilder parat. Atmen Sie weiter. Wie atmet es sich angesichts vom Szenario (A) und wie bei (B)? Spüren Sie den Unterschied?
Die Zukunft beginnt mit und in unseren Gedanken:
Sie haben gerade den ersten Schritt getan!
Bravo und Danke, Gerhard Frank, für Ihren Beitrag :-).
Lieber Gerhard,
wie üblich hast du den Nagel auf den Kopf getroffen. Ohne diese Verrückten, Neugierigen, (Über)mutigen geht es nicht. Sie verkörpern meiner Meinung nach alles, was den Menschen so einzigartig macht und von den anderen Bewohnern dieses Planeten grundlegend unterscheidet. Und die breite Maße derer, die da in den Ästen sitzen und glotzen und wollen, dass alles immer so weiter läuft wie bisher, weil das am wenigsten Anstrengung und Beherztheit erfordert, hat ja diese Welt – in der so vieles in die falsche Richtung läuft – erst ermöglicht.
Aber auch die Verrückten und Mutigen können Menschheits-Entwickler im guten wie machmal im schlechten Sinne sein.
Ich möchte dazu nur ergänzen, dass wir uns im Moment vielleicht ein klein wenig in Richtung zurück auf den Baum bewegen müssen. Natürlich aufrecht. Und natürlich mit Freude. Und dass wir begreifen, dass dies kein Rückschritt, sondern ein Fortschritt auf dem Weg der Neugier gleichermaßen wie auf dem Weg der Sinnhaftigkeit ist. Ich würde dabei allerdings begleitend vorschlagen, dass wir diese uralten Bäume ein wenig spannender gestalten. Mit Hängebrücken, Hängematten, Klettersteigen, Baumkronen-Erlebnispfaden, Birkensaft-Bars u.ä.
Als Mensch, für den Reisen und Neues kennenlernen schon fast eine Lebensphilosophie war, muss ich mich nun manchmal hart an die Kandare nehmen, wenn irgendein allzu fernes (immer nur mit dem Flugzeug erreichbares) Ziel lockt. Und wieder lernen, dass das Gute oft so nah liegt. Dass es vieles gibt, das es Wert ist erkundet zu werden, auch wenn es gar nicht exotisch ist. Dass vermeintlich Bekanntes enorm spannend sein kann. Dass „einfache“ Erlebnisse einen ebenso wohltuenden wie nachhaltig faszinierenden Effekt haben können –
Es ist mir in den letzten Jahren immer wieder geglückt, solche naheliegenden Orte und Urlaubserfahrungen zu finden und wirklic aus tiefstem Herzen zu genießen. Beinahe immer hatten diese dann mit Natur und authentischer herzlicher Gastfreundschaft (oft begleitet von kulinarischen Glücksmomenten) zu tun. Menschen, die es schaffen, Derartiges anzubieten, sind oft sehr bodenständig. Niemals an grenzenlosem Wachstum und Gewinnmaximierung orientiert. Und das verrückte daran ist, dass diese Haltung oft als abnormal angesehen wird. Ich bin jedenfalls gerne bereit, diese Menschen nicht nur gewähren zu lassen, sondern ganz aktiv zu unterstüzen….
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