Sind Arbeitskräfte wirklich ein Mangel, oder…?
Ein paar Gedanken zum Thema Arbeit bzw.Arbeitslosigkeit in Österreich:
Mit Ende Dezember waren in Österreich 349.795 vorgemerkte Arbeitslose registriert, dies wurde als Rückgang um 1,6% gegenüber dem Vorjahr „bejubelt“. ORF Bericht
Allein 32.316 davon stammen aus dem Bereich Beherbergung und Gastronomie, wohlgemerkt also ARBEITSSUCHENDE…Zahlen AMS
Andererseits ringen fast alle! Branchen um Arbeitskräfte, egal ob im Handel, Gewerbe oder eben auch im Tourismus. Soweit, so gut….
ABER: wie kann es dann sein, daß allein in Tirol aktuell mehr als 3.000 offene Stellen im Tourismus angeboten werden, während also lt.AMS in Österreich mehr als das 10-fache genau in dieser Branche als arbeitssuchend gemeldet sind?? Österreichweit waren es im November übrigens rd.8.500 offene Stellen.
Angesichts dieses massiven Ungleichgewichts darf man sich wohl die Frage stellen, wie jemand in einer Branche arbeitssuchend sein kann, wo das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage 1:4 beträgt? Es kommen also auf jede offene Stelle vier Arbeitssuchende! Da sollte man doch meinen, daß sich nicht nur der Bedarf decken lassen sollte, sondern doch jeder „Topf einen Deckel“ finden sollte…?
Die Arbeitsmarktpolitik scheint hier massiv reformbedürftig. Zumutbarkeitsbestimmungen müssen überdacht werden, dann könnte einerseits die Arbeitslosenstatistik wohl noch deutlich besser ausschauen, andererseits der Bedarf nicht nur im Tourismus, sondern wohl auch in anderen Branchen deutlich besser als aktuell gedeckt werden…hm?
Und bitte nicht wieder den „ach so schlechten“ Arbeits-und Entlohnungsbedingungen im Tourismus zuschreiben, denn ( bis auf wenige schwarze Schafe, die es in JEDER Branche gibt ), trifft das auch im Tourismus nicht mehr und nicht weniger als anderswo zu.
Gerade im Service, im „von Mensch zu Mensch“ kann hier massiv mit Freundlichkeit gepunktet und Trinkgeld geerntet werden, vielfach sind Kost und Logis frei ( in welcher Branche gibt es das sonst noch? ), Mitarbeiterwohnungen und Zimmer werden immer besser, und auch die Chefs von heute haben vielfach dazu gelernt und erkannt, daß der Mitarbeiter nicht nur wesentliches Erfolgspotenzial darstellt, sondern eben auch oftmals schwieriger zu bekommen ist als Gäste.
Zusätzlich bieten auch immer mehr Tourismusregionen (nicht nur ) für touristische Mitarbeiter eigene Cards mit Vorteilen und Boni, um Region und Leute besser kennenzulernen, aber auch um schneller integriert zu werden.Team Card Region St.Johann in Tirol
Generell ist wohl auch die Bildungspolitik zu überdenken. Denn wenn wir in absehbarer Zeit vor lauter Häuptlingen keine Indianer mehr vorfinden, und wir uns soweit fortgebildet haben, daß es kaum mehr handwerklich befähigte Menschen gibt, werden sich unsere aktuellen Probleme kaum verringern… Digitalisierung und Technologie können, gerade im Tourismus, den so notwendigen Faktor Mensch somit noch lange nicht ersetzen, schon gar nicht im Land des Tourismusweltmeisters Österreich… meint Gernot Riedel.
lieber Gernot
A guats nuis Jahr 2020 und danke für deinen Zeilen.
Meine Zeilen zum Jahresstart vierlieren auch ein paar Gedankenblitze dazu:
…
4 – TOURISMUS
Achtsamkeit. Sozialkompetenz. Teamwork. Netzwerken. Alles hochaktuell.
Es gibt eine großartige Bühne für diese Kompetenzen: TOURISMUS.
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6 – POLITIK & GESELLSCHAFT
Ohne die Arbeit per se zu glorifizieren: Dass das Volksbegehren für ein „Bedingungsloses Grundeinkommen“ (BGE) von 1200 Euro nicht sein Ziel erreicht hat, möge den Initiator Peter Hofer, der kürzlich sein zwölftes Studium begonnen hat, nicht glücklich stimmen. Dem Hausverstand der arbeitenden und steuerzahlenden Bevölkerung und der Politik sei es gedankt, dass auch in Zukunft noch die meisten Menschen etwas (er)schaffen, worauf sie stolz sein können, was sie zufrieden und selbstbewußt macht und Nutzen stiftet. BGE kann erst Thema werden, wenn ein einigermaßen schlüssiges volkswirtschaftliches und sozialverträgliches Konzept dazu vorliegt. Nicht Jetzt.
s. http://www.schranz.blog/2020
mit den besten Wünschen, dass wir aktiv und wachsam bleiben.
Stefan
Gernot Riedel greift mit dem Thema Arbeitskräfte erneut eine zentrale Frage auf, die uns im Tourismus aktuell sowie mit Blick auf die Zukunft bewegt.
Dazu zunächst eine kleine Richtigstellung bei den Berechnungen – sofern ich die dokumentierten Zahlen richtig verstanden habe: Bei rund 8.500 offenen Stellen im Tourismus in Österreich und ca. 32.300 Arbeitssuchenden im Bereich Beherbergung und Gastronomie kommen auf jeden Arbeitssuchenden – rein rechnerisch – nicht vier offene Stellen, sondern es kommt auf jeweils vier Arbeitssuchende eine offene Stelle.
Daraus müsste theoretisch ein enormer Druck auf die offenen Stellen resultieren, was in der Praxis nicht der Fall ist. Dafür dürften nicht nur die von Gernot Riedel angesprochenen, reformbedürftigen Zumutbarkeitsbestimmungen verantwortlich sein. Es drängt sich vielmehr der Verdacht auf, dass nicht wenige von denen, die offiziell als Arbeitssuchende registriert sind, gar nicht arbeiten wollen oder – aus unterschiedlichen Gründen – von den Betrieben nicht akzeptiert werden (können).
Das führt zu den Soft Skills, die Stefan Schranz in seinem Kommentar anspricht. Zu Recht weist er darauf hin, dass der Tourismus für diese Kompetenzen eine großartige Bühne darstellt. Allerdings sind dieselben Kompetenzen auch in einer Fülle anderer Berufe und in zahlreichen anderen Branchen gefragt, wobei wir wiederum beim Wettbewerb um die Mitarbeiter wären.
Wir müssen wohl oder übel davon ausgehen, dass die Arbeitskräfte im Hinblick auf die weitere quantitative Entwicklung des Tourismus einen begrenzenden Faktor darstellen. Quantitative Weiterentwicklungen über die derzeit erreichte Dimension hinaus werden sich daher nurmehr schwer mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze argumentieren lassen.
Danke Peter für den Hinweis, in der „Hitze des Themas“ verdreht und schon korrigiert
Die natürliche Wachstumsgrenze „Beschäftigung“ gehört bei zukünftigen touristischen Entwicklungen berücksichtigt. (siehe Seite 22)
Wenn man den Beitrag von Herrn Riedel und den einen oder anderen Kommentar liest, dann glaubt man sich als Branchenfremder in eine andere Welt versetzt. Wenn Herrn Riedel als Steuerungselement (nur) einfällt, die Zumutbarkeitsbedingungen zu verschärfen (wenn er sagt „überdacht“ werden, dann ist das nur die heute medial zumutbare Ausdrucksweise), so ist das eine Bankrotterklärung. Das wird´s nämlich auch unter dem wirtschaftsfreundlichen Herrn Kurz nicht spielen, dass ein arbeitsloser Koch oder Kellner aus Knittelfeld, Zwettl oder Steyr sozusagen an den Arlberg, nach Saalbach oder Kitzbühel „zwangsverpflichtet“ wird. Und was die „wenigen scharzen Schafe“ angeht, so ist das eine Frage des Standpunktes. Die unmittelbar Betroffenen sehen das halt anders, soll heißen: es gibt eben noch immer zu viele „schwarze Schafe“! Denn wenn in der Branche eh alles so super ist (bzw. wäre), warum gibt es dann die Situation, dass „händeringend“ nach Arbeitskräften gerungen wird? Wenn hier über statistisches Zahlenwerk gesprochen wird, wird vergessen, dass es sich bei jedem dieser tausenden „Fälle“ um Menschen handelt, wenn Sie so wollen, also um „Einzelfälle“ (diesmal positiv konnotiert). Und wenn man dann noch berücksichtigt, dass viele Unternehmer-Kinder aus dem Tourismus irgend was, aber nichts Einschlägiges studieren, sondern nur vom Ererbten bequem leben wollen, dann sagt das auch etwas aus. Aber ich kann Ihnen (in der Stadt Salzburg lebend) sagen, wohin die Reise geht – weil ich das hier seit längerer Zeit beobachten kann: Entweder international und daher professionell agierende Unternehmen übernehmen die Betriebe und führen sie plötzlich ohne Suderei über die ach so schlechten Bedingungen weiter. Oder fleißige Leute mit Migrationshintergrund, die gerne – aber nicht für irgendwelche Ortskaiser in den Skigebieten – arbeiten wollen, machen sich auf eigene Rechnung selbständig. In der Stadt Salzburg immer häufiger zu sehen. Diese Entwicklung wird sich in die Gebirgsregionen fortsezten. Gegen diese Enwicklung wird auch nicht helfen, dass man mit dem Import von „Fachkräften“ aus Drittstaaten – also von Serbien bis Uganda – „österreichische Gastlichkeit“ vorgaukeln will. Und Fakt ist auch: Die Attraktivität anderer Wirtschaftszweige ist für junge Menschen einfach um ein Vielfaches größer. Der Tourismus stößt hier an natürliche Granzen. DARAUF müssen sich nicht nur die Betreiber, sondern auch die Menschen, die bisher touristische bzw. gastronomische Angebote, ohne nachzudenken, nutzten, einstellen. Für irgend ein deppertes „Consulting“ werden ohne Zögern oft Unsumme ausgegeben. Aber wenn dieselben Leute persönliche Dienstleistungen in Anspruch nehmen (wollen), dann soll das quasi zum Dumpingtarif gehen. Ohne Wertschätzung für jene, die sie erbrigen. Falls es noch wer nicht geschnallt hat: Österreich ist ein Hochtechnologieland geworden, mit all seinen Vor- udn Nachteilen. Der Tourismus ragt wie ein Fossil in diese „neue Zeit“. Er hat seinen Zenit überschritten.
Lieber Herr Holfeld,
Danke für die ergänzenden Worte! Das hat der Diskussion gefehlt.
Lieber Herr Riedel,
ich beschäftige mich seit Jahren direkt mit der Problematik der Rekrutierung in den Hotels.
Was ich gelernt habe ist, dass die Probleme wesentlich vielschichtiger sind als Nachfrage und Entlohnung…. aber das wissen Sie als Tourismusprofi mit Sicherheit.
Oder um den Ökonomen Heiner Flassbeck zu zitieren:
„Der Arbeitsmarkt funktioniert nicht wie ein Kartoffelmarkt.“
Erich Holfeld spricht in seinem Kommentar mehrere Punkte an, die aus Beobachtungen resultieren, die ich betätigen kann. Eine Diskussion würde aber auch hier ein differenzierteres Bild ergeben, wofür in einem kurzen Kommentar nicht der Platz ist.
Schwer tue ich mir mit der Holfeld‘schen Schlussbemerkung, die da lautet: „Falls es noch wer nicht geschnallt hat: Österreich ist ein Hochtechnologieland geworden, mit all seinen Vor- und Nachteilen. Der Tourismus ragt wie ein Fossil in diese „neue Zeit“. Er hat seinen Zenit überschritten.“
Bei aller kritischen Betrachtung des touristischen Geschehens kann ich dieser Aussage keinesfalls zustimmen. Gewiss sind fossile Elemente im österreichischen Tourismus zu finden. Zudem hängt die Antwort auf die Frage, ob bzw. inwieweit der Tourismus hierzulande seinen Zenit überschritten hat von den Kriterien ab, die für die Definition des Begriffs „Zenit“ Verwendung finden.
Österreich ist jedenfalls mit seinen Seilbahnen und Skigebieten weltweit führend und es gibt in unseren Destinationen zahlreiche (nicht nur große) Familienbetriebe, die mit der Professionalität internationaler Hotelketten locker mithalten können. Auch treten Touristiker immer wieder mit neuen und innovativen Ansätzen auf den Plan. Dazu kommt der hohe Stellenwert des Tourismus als wirtschaftliche Säule in peripheren Regionen. Diese Rolle wird die Hochtechnologie, von punktuellen Ansätzen abgesehen, dem Tourismus kaum streitig machen können.
Sehr geehrter Herr Haimayer,
zuallererst möchte ich mich für schreckliche (aber offensichtlich nachgesehene) Tippfehler entschuldigen. Zum Inhaltlichen: Ich bin von Beruf Journalist, wenn auch als ehemaliger Chefredakteur eines Privatradios schon im „Unruhestand“. Als solcher liegt mir sehr an einer möglichst lebendigen und – unter Einhaltung guter Umgangsformen – auch kontroversiellen Diskussion. Das mit dem „überschrittenen Zenit“ war eher eine provokative Äußerung, die aber trotzdem einen unleugbaren Hintergrund hat: In den mittlerweile allzu stark genutzten touristischen Gebieten gibt es in der heimischen Bevölkerung, auch wenn sie direkt oder indirekt vom Tourismus profitieren mag, eine zunehmende Aversion nahezu alle Lebensbereiche diesem „Moloch“ unterzuordnen. Die zweite Begrenzung liegt in der Unmöglichkeit genug, vor allem genug qualifizierte Arbeitskräfte saisonal/regional zu rekrutieren. Und das muss auch den Verbrauchern einmal klar ins Gesicht gesagt werden – was sich natürlich niemand traut: Wenn in einer Gesellschaft mit – demografisch bedingt – immer weniger jungen Menschen immer mehr einen höheren Bildungweg einschlagen, dann geht sich eine Dienstleistung in der bisherigen Form in Küche, Service, Hausmeister, Skiverleih, Pferdeschlittenfahrten und und und… einfach eines Tages nicht mehr aus. Das Ausweichen auf Leute aus „Drittländern“ wird das Probelm nicht wirklich lösen. Dann werden eben z. B. in einer Skihütte am Pistenrand einmal Automaten stehen, aus denen man seine Getränke und Snacks (selbst warme, das ist heute kein Problem mehr, gibt es in Salzburg-Stadt bereits) nimmt. Oder die Leute sind bereit, Speisen und Getränke zu städtischen Restaurant-Preisen zu bezahlen. Dann werden sie draufkommen, dass der Anspruch solche Dinge in, sagen wir, 1.900 Meter Seehöhe quasi als selbstverständlich zu konsumieren, eben seinen Preis hat. Diese im Prinzip gesamtgesellschaftliche Diskussion mag nur niemand beginnen. Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben. Die angesprochene Entwicklung wird die Branche samt ihren Gästen eines gar nicht allzu fernen Tages einholen.
das problem ist halt, das die politiker sich nicht für eine lösung interessieren, da die größte wählergruppe kurz vor der rente steht und die jungen leute so wenige sind, dass sie in der demokratie unbedeutend sind. deshalb interessieren sich die jungen leute nicht mehr für die politik, da sie denken, das sie eh nicht verändern können.
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