Präsentismus – krank im Job! Wer aber fragt, wie es der Chefin oder dem Chef geht?
„Muss“ man als TourismusmanagerIn „gesund“ bleiben? Droht bei Totalausfall der Führungskraft gar das Betriebschaos? Umsichtige LehrerInnen pflegen ihre Studierenden mit dem selbstironischen Hinweis zu ermutigen, es gebe keine blöden Fragen, nur blöde Antworten. Doch bei der Frage nach der Manager-Gesundheit legt so mancher Denker seine Stirn in Falten. Denn „nona net“! Für den TP-Blog hat Prof. (FH) Dr. Harald A. Friedl, Associate Professor an der FH JOANNEUM den nachstehenden Beitrag verfasst:
Wie soll das Tagesgeschäft im Betrieb bestmöglich koordiniert, die Entwicklung zukünftiger, innovativer Produkte für die Märkte von morgen initiiert, die Verhandlungen mit Kreditgebern absolviert und die nötigen Rationalisierungs- und Modernisierungsreformen im Unternehmen organisiert oder gar finalisiert werden, wenn der Chef durch Abwesenheit glänzt? Ein Unfall mit langwierigen Folgen? Eine Katastrophe! Ein Kuraufenthalt gegen Rückenschmerzen? Überflüssiger Luxus für verantwortungsbewusste UnternehmerInnen! Oder gar Totalausfall durch Burnout?…
Burnout auch für die Chefin / den Chef erlaubt?
Burnout, der Gottseibeiuns für alle Hochleistungs-Dienstleister gilt nach wie vor vielen als Ausdruck von Schwäche. In die gefürchtete „Erschöpfungsdepression“ verfalle demnach nur, wer nicht über stählerne Nerven, buddhistische Gelassenheit und vitale Energiereserven verfüge. Nur… welcher Mensch aus Fleisch und Blut könnte organisch in der Lage sein diese Charakteristika eines intelligenten Supercomputers aufzuweisen? Organismen sind zwar durchaus in der Lage kurzfristig Höchstleistungen zu erbringen. Unter Dauerstress entwickeln sich jedoch zahlreiche gravierende Krankheiten. Doch gerade solche Ausfälle wollen doch Repräsentanten der ökonomischen Höchstleistungsphilosophie Marke „Wir dürfen uns von den Chinesen nicht überholen lassen!“ verhindern. Doch so paradox es auch klingen mag: Der kluge Unternehmensführer, der seinen Ausfall bestmöglichst verhindern will, sorgt für ausreichend Erholung und verhindert den eigenen Einsatz für permanente Höchstleistung.
Nun haben nachhaltigkeitsorientierte Manager nicht nur die eigene dauerhafte Gesundheit im Auge, sondern auch die ihrer MitarbeiterInnen. Denn ob in der Führungsebene oder am Herd in der Küche oder draußen an der „Front“ bei den Gästen: Wenn der Gast kommt und der Service-Job zu machen ist, ist die Zeit für einen Ausfall denkbar schlecht. Noch schlechter aber als der grippale Infekt eines Mitarbeiters ist wiederum dessen Totalausfall – durch Burnout oder schlimmer noch, durch einen Unternehmenswechsel. Wie aber lässt sich derlei verhindern?
Lieber krank zur Arbeit, als einen schlechten Eindruck machen.
Epidemische Effekte eines Grippe-Tsunamis lassen sich durch Maßnahmen wie betriebliche Grippeimpfungen eindämmen. Noch wirkungsvoller wäre jedoch die Verhinderung des Kontakts von Gesunden mit Kranken. Mit anderen Worten: Kommen erkrankte MitarbeiterInnen zur Arbeit, um „loyal“ die Stellung zu halten, wirken sie wie virale Bomben! Durch sie explodiert geradezu das Infektionsrisiko für die gesamte Belegschaft. Zudem riskieren arbeitende Kranke weiterreichende Folgen für ihre Gesundheit, wie Herzmuskelentzündungen. Krank in den Betrieb zu kommen ist somit gesundheitsgefährdend, unsozial und unökonomisch, doch leider auch Ausdruck einer prekären Unternehmenskultur. Denn das Phänomen des sog. „Präsentismus“, wonach Mitarbeiter auf ihr Recht auf krankheitsbedingte Dienstfreistellung bewusst verzichten, ist zumeist Ausdruck der Angst vor persönlichen Nachteilen wie des Arbeitsplatzverlustes.
„Wie der Herr, so das G’scherr“, beschreibt ein altes Sprichwort die systemischen Zusammenhänge zwischen Führungskultur und Unternehmenskultur. Beutet sich der Manager offensichtlich ohne Rücksicht auf den langfristigen Erhalt der eigenen Leistungsfähigkeit aus, so wird diese kurzsichtige Unkultur auch von den MitarbeiterInnen kopiert und zementiert. Kurzfristig werden solche Unternehmen zweifellos Höchstleistungen erzielen, aber irgendwann notwendig massive Probleme bekommen. Das Team wird zum Präsentismus tendieren, und wenn der Schmerz der MitarbeiterInnen erst groß genug ist, werden sie flüchten.
Womit das größte Problem des Präsentismus für den Tourismus noch gar nicht genannt wurde. Denn wer nach Erfolgen nicht verschnaufen kann, verliert neben der Gesundheit auch die Freude an der Arbeit, damit aber jene kreative Energie, die den österreichischen Tourismus im internationalen Vergleich einzigartig macht: der authentische Charme! Der Schmäh!
Denn wer aber überarbeitet, perspektivenlos, krank und frustriert ist, dem vergehen die Scherze, und dessen Komplimente versauern. Game over für den authentischen Charme-Bolzen…
Betriebskultur als Lösungsangsatz?
Im vergangenen Jahr verunfallte der Manager eines renommierten Unternehmens schwer und war gezwungen, seine Aufgaben für ein halbes Jahr zum Teil zur Gänze zu delegieren. Doch anstatt zu befürchten, der Laden würde ohne seine Anwesenheit zum Chaos verkommen oder, schlimmer noch, bestens funktioniert und damit seine Überflüssigkeit „beweisen“, vertraute er auf die Früchte seiner über Jahre hinweg umsichtig entwickelten, gesundheitsförderlichen, weil wertschätzenden Unternehmenskultur. Und die Rechnung ging auf: Der Betrieb funktionierte weiterhin reibungslos, denn jeder Mitarbeiter gab sein Bestes im Vertrauen auf ein betriebskulturelles Grundprinzip: Einer für alle, alle für einen! Wenn es ihn erwischt, kann auch er darauf vertrauen, dass alles weiterläuft und er, genesen, „nach Hause“ im Betrieb weiterhin willkommen ist. Denn gute Teamarbeit wirkt nachhaltig.
Gibt es von der Belegschaft ein schöneres Kompliment für ihre Führungskraft?
Vielen Dank für den interessanten Artikel Herr Dr. Friedl. Ein Grund, warum Führungskräfte/Chefs seltener krank sind, besteht glaube ich darin, dass sie ständig im Einsatz sind und konzentriert arbeiten und weiter machen müssen und es so kein Platz gibt krank zu werden. Wer aber Zweifel hat und nicht in den Arbeitsrausch kommt, wird schneller krank und ist anfälliger, als jemand der jeden Tag sein „work-out“ macht. Eigentlich ist das widersprüchlich, aber die Praxis zeigt das. Wer ständig arbeitet und seine Resultate sieht, freut sich und macht weiter und will mehr und wird glücklicher. Was meinen Sie?
Beste Grüße
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