24. Januar 2019 | 23:54 | Kategorie:
2

Nächtigungsrekord – ist alles bestens?

Neuen Rekord verzeichnet

Das Urlaubsland Österreich war im vergangenen Jahr bei Urlaubern sehr gefragt. Wie Daten der Statistik Austria zeigen, wurde mit beinahe 150 Mio. Nächtigungen ein neuer Rekord erreicht. Gegenüber 2017 entspricht das einem Anstieg von 3,5 %. Zuwächse gibt es sowohl bei den Inländern als auch bei ausländischen Gästen. Ist also alles im grünen Bereich?

Buchungsplattformen als Gewinner

Die von den Tourismusverantwortlichen immer gerne kolportierten Rekordzahlen überdecken, dass sich unter dem öffentlichen Radar zahlreiche Veränderungen breit machen, die nicht immer nur Gutes bedeuten. Der Zuwachs an Nächtigungen ist vor allem von den Städten getragen, die von 2013 bis 2017 einen Anstieg um 20 % verzeichnen konnten, während der reine Ferien- bzw. Alpentourismus nur um magere 7 % gewachsen ist. Lt. einer Statistik aus der Schweiz sind im Zeitraum von 2000 bis 2012 die Nächtigungen über Buchungsplattformen um 400 % gestiegen, wo Provisionen zwischen 12 und 15 % und bei besonderem Ranking sogar bis zu 30 % zu bezahlen sind. Diese Entwicklung trifft wahrscheinlich auch auf Österreich zu und lässt befürchten, dass der Vertrieb über die eigenen Kanäle – ähnlich wie in der Schweiz – rückläufig ist.

Hauptprofiteur einer guten Tourismussaison sind dann in erster Linie die Buchungsplattformen, nicht aber das Unternehmen vor Ort. Die eigentlichen Gewinner im Tourismus heißen heute Booking, Trivago oder Google, nicht „Goldener Ochs“ oder „Kirchenwirt“. Da wundert es dann nicht, dass das wirtschaftliche Ergebnis hinter den Umsatzzuwächsen hinterherhinkt und in den letzten 15 Jahren die Aktiva sich verdoppelt hat, während der GOP lediglich einen Anstieg von 45 % verzeichnen konnte.

Das Mengenwachstum hat uns zwar einen neuen Beschäftigungsrekord mit einem Zuwachs von 14 % in den letzten sechs Jahren beschert. Da jedoch die Inländer nicht für den Tourismus begeistert werden konnten, ist die Ausländerbeschäftigung in diesem Zeitraum um 47 % gestiegen.

Strukturen ändern sich

Wenn absolut weniger Hotelbetriebe (- 22 % seit 2000) im selben Zeitraum mehr Nächtigungen erzielen (+ 28 %) ist das ein Hinweis auf weitere Professionalisierung und Verbesserung der Betriebsgrößenstruktur. Die Veränderung in der Betriebsgröße wurde auch von einer Veränderung in Richtung Qualität begleitet und könnte als erfreulich interpretiert werden. Ein Vergleich der Insolvenzentwicklung der Tourismus- und Freizeitwirtschaft (+ 7 % seit 2012) mit der Gesamtwirtschaft (- 15 % im selben Zeitraum) zeigt ebenso wie die Zahl der Neugründungen (- 7 % seit 2012 in der Tourismus- und Freizeit­wirtschaft gegenüber + 8 % in der Gesamtwirtschaft), dass nicht alles zum Besten steht und eine im Einzelfall oft schmerzhafte Strukturbereinigung stattfindet.

Unter der Oberfläche des Zahlengefüges, das scheinbar Grund zum Jubeln gibt, sind Verschiebungen und Veränderungen im Gange, die die Zukunft nicht nur rosa erscheinen lassen. Das permanente Personalproblem, mögliche Zinssatzsteigerungen, Klimawandel, Betriebsübergaben, Digitalisierung, Überregulierung und Konkurrenz im In- und Ausland durch neue und alte Angebote werden uns auch in Zukunft – unabhängig von Jubelmeldungen über neue Rekorde – noch einige Herausforderungen bescheren.

25. Januar 2019, 11:53

Ein Kommentar von Silke Seemann bringt weitere Aspekte:
Kann nur sehr unterstrichen werden. Der kleinteilig Tourismus, der den Charme Österreichs ausmacht, stirbt. Am Alter der Betreiber, am Investitionsstau der Betriebe, an der Logik der Banken und and den extremen Regulierungen. Da haben die Jungen keine Lust zu übernehmen (aus guten Gründen). Es muss aber auch zugegeben werden, dass uns ohne Plattformen viele Gäste nicht finden würden oder nicht den Mut hätten, bei uns zu buchen. Viele Kleine überleben, weil es die Plattformen gibt – ich zum Beispiel. Die Granden unseres TVB hätten mich sicher in Schönheit sterben lassen. Mit den internationalen Plattformen bin ich unabhängig vom Lokalfürsten – ist eben alles etwas komplex und auch das Verteufeln nicht so einfach

6. Februar 2019, 19:11

Eine nationale Digitalisierungsoffensive für die kleinen Betriebe wäre ein möglicher Hebel aus den aufgezeigten Dilemma rund um die steigende Abhängigkeit von den Plattformen. Vor der gleichen Herausforderung steht jeder kleine Gewerbebetrieb in Österreich: Die globale Nachfrage nach individueller Qualität steigt, gleichzeitig kommt es online zu einer Konzentration und zu einer Abhängigkeit von den Verkaufsplattformen (booking.com, amazon, etc.). Zudem ist die kleinstrukturierte Wirtschaft mit dem Datenmanagement sowohl technisch als auch personell überfordert. Gelingt es national die Daten zu bündeln und auszuspielen, ist das genial. Dann können sich die vielen individuellen kleinen Betriebe auf die Leistungserbringung bzw. Produktion konzentrieren, dort die Qualität steigern und diesen Wettbewerbsvorteil global ausspielen. Als Umsetzungswerkzeug bietet sich dafür über den Tourismus hinaus die Österreich Werbung an.

Kommentieren

 
Ihre Daten werden im Rahmen der Kommentarfunktion gespeichert, darüberhinaus aber für keine weiteren Zwecke verwendet. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Kommentar zurücksetzen